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    Volver
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Volver
    Von Daniela Leistikow

    Sie war nicht mehr als Tom Cruises (Krieg der Welten) abgöttisch verehrte Kleiderpuppe in Vanilla Sky, eher Statistin als Hauptdarstellerin in Sahara an der Seite von Matthew McConaughey (Zum Ausziehen verführt, Wie werde ich ihn los - in 10 Tagen? ). Doch in Pedro Almodóvars (La Mala Educacion, Alles über meine Mutter) sechzehntem Spielfilm „Volver“ (dt. zurückkehren) feiert Penélope Cruz ein eindrucksvolles Comeback, so dass der Titel der dramatischen Komödie gleich in mehrfacher Hinsicht passt. Vielleicht liegt es daran, dass sie diesmal nicht durch eine Liaison mit ihrem männlichen Co-Star vom Schauspielen abgelenkt werden konnte. Denn wie in fast allen seinen Filmen porträtiert Almodóvar in „Volver“ ein ausschließlich weibliches Universum. In lebendigen, warmen Farben erweckt er die Welt seiner Kindheit zum Leben, wenn er die Geschichte einer aus seiner Heimat - der spanischen Region La Mancha – stammenden Familie erzählt.

    Während Raimundas (Penélope Cruz, „Woman On Top“) arbeitsloser Mann Paco (Antonio de la Torre) den ganzen Tag biertrinkend auf dem Sofa verbringt, muss sie den Lebensunterhalt der Familie allein verdienen. In Abwesenheit ihrer Mutter ist Raimundas 14-jährige Tochter Paula (Yohana Cobo) den begehrlichen Blicken ihres vermeintlichen Vaters schutzlos ausgeliefert. Als Raimunda eines Abends nach Hause kommt, gleicht ihre Küche einem Schlachthaus: Der Boden ist eine einzige Blutlache. Paco hat sich Paula sexuell genähert, woraufhin sie ihn aus Notwehr erstochen hat. Wohin nun mit der Leiche? Die Tiefkühltruhe des seit kurzem leerstehenden Restaurants eines Nachbarn erscheint perfekt. Dumm nur, dass Raimunda auch ihre Schwester Sole (Lola Duenas, Das Meer in mir) belügen muss, um den Mord zu vertuschen. Sole spinnt derweil ihr eigenes Netz aus Lügen: Seit der Beerdigung von Tante Paula hat sich der Geist ihrer Mutter Irene (Carmen Maura, „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs)“ bei ihr einquartiert. Witzige Verschleierungsaktionen sind jedoch nur der Anfang der Geschichte....

    Keine Anzeichen eines Schocks, keine Trauer spiegelt sich in Raimundas Gesicht, während sie Kleenex für Kleenex das Blut ihres toten Mannes in den Mülleimer befördert, so als würde sie verschüttetet Tomatensuppe aufwischen. Almodóvar zeigt uns die makabre Putzaktion in all ihrer Farbenpracht, doch insgesamt ist „Volver“ im Vergleich zu anderen Almodóvar-Filmen etwas leichter zu verarbeiten. Bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes, bei denen „Volver“ für das beste Drehbuch und das beste weibliche Ensemble ausgezeichnet wurde, gab es einhelliges Kritikerlob für die heitere Inszenierung. Im spanischen Original mit Untertiteln sind die amüsanten Untertöne („Rrrrrrraimunda!!!“) besonders prägnant. Manchmal übertreibt es Almodóvar mit der Situationskomik aber auch: Wenn der Geist der Mutter sich unter dem Bett versteckt oder furzt, gleitet „Volver“ in Albernheiten ab. Davon abgesehen ist höchstens noch zu bemängeln, dass der Zuschauer einen typischen Almodóvar zu sehen bekommt, also nichts umwerfend Neues.

    Nun ist der Weg frei für den Lobgesang: Hat man jemals zuvor so sympathische Mörderinnen gesehen, wie in „Volver“? Wenn ja, bleibt dieser Anblick dennoch selten. Mit solcher Wärme und Liebe zum Detail setzt der Regisseur seine Aktricen in Szene, dass man die Kaltblütigkeit ihrer Handlungen kaum noch wahrnimmt. An dem blühenden Leben, das uns in den farbenfrohen Bildern entgegenbrandet, hat auch Kameramann José Luis Alcaine großen Anteil, der schon für die Cinematographie von Almodóvars vorherigem Film „La Mala Educación“ zuständig war. Penélope Cruz’ Ausstrahlung ist einfach atemberaubend, wenn sie in engem Rock und Strickjacke im Stil Sophia Lorens durch die Straßen Madrids stolziert. Sogar vor Gesäßpolstern wurde nicht Halt gemacht, um die Rundungen der schönen Spanierin noch verführerischer auf Film zu bannen. Es ist ein langer Weg von James Stewarts verschämtem Beobachten in Das Fenster zum Hof zu Almodóvars voyeuristisch angehauchtem Blick auf seine Hauptdarstellerin: Während sie abwäscht, filmt er sogar ihr Dekolleté. Doch zu keinem Zeitpunkt ist der Blick des Regisseurs degradierend: Zwar werde seine Frauen zu Objekten, doch lässt er ihnen eine bezaubernde Naivität, während sein verehrender Blick auf ihnen ruht.

    Und wer beim Ansehen der gemäldeartig bunten Bilder noch nicht dahin geschmolzen ist, kann spätestens bei Raimundas Gesangseinlage dem emotionalen Sog von „Volver“ nicht mehr widerstehen. Penelope Cruz’ Mimik hat solche Inbrunst, dass man beim atemlosem Zusehen kaum Zeit hat, sich zu fragen, ob das wirklich ihre Stimme ist, die wir hören (ist es übrigens nicht: Estrella Morente hat den Song gesungen). Fazit: Eine bezaubernde Penélope Cruz, wunderschöne Bilder und ein düsteres Geheimnis, dass zum Schluss enthüllt wird, machen „Volver“ zu hervorragendem Kino. Auch gelegentliche Albernheiten und die leicht zunehmende Milde des in die Jahre gekommen Almodóvar können daran nichts ändern.

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