Die schönsten Geschichten schreibt immer noch das Leben. Anscheinend auch die tanzbarsten. Und so kommt es, dass sich die erfolgreiche Musikvideo-Regisseurin Liz Friedlander in ihrem Tanzfilm „Dance!“ dem Leben des New Yorker Tanzlehrers Pierre Dulaine annimmt - im Dreivierteltakt selbstverständlich.
Dass das Leben an den New Yorker Schulen der ärmeren Stadtviertel kein einfaches ist, ist hinlänglich bekannt. Gewalt, Angst und Frust gehören zum Alltag. Ein besonders schwarzes Schaf ist Rock (Rob Brown). Der Randaleschüler ist die Numero Uno auf der Abschussliste der Rektorin James (Alfre Woodard). Als er von ihr nicht auf das Tanzfest der Schule gelassen wird, zertrümmert er aus Wut ihr Auto. Zeuge dieser Tat wird der adrette Tanzlehrer Pierre Dulaine (Antonio Banderas). Statt den Jungen anzuzeigen, taucht er am nächsten Tag in seiner Schule auf und verkündet der verdutzten Rektorin, dass er diesen Problemkindern Tanzunterricht geben möchte - und zwar in den Disziplinen, die im Standardtanz wettbewerbsfähig sind. Nicht nur die Rektorin, auch die Kids sind von diesem Vorschlag nicht besonders begeistert. Doch Dulaine erhält zunächst seine Chance. Die ersten Stunden entwickeln sich zum Fiasko. Die Schüler haben gegeneinander solche Aversionen, dass ein geregeltes Paartanzen nicht möglich ist. Außerdem werden sich Lehrer und Schüler nicht über die Musik einig, die Klasse ist widerspenstig und sieht keinen Sinn im Unterricht. Erst Caitlin (Lauren Collins), eine Schülerin aus Dulaines gehobenem Tanzkurs, bringt den Maestro auf die Idee, wie er zu den Kids durchdringen kann.
Die Geschichte der von Pierre Dulaine ins Leben gerufenen Gesellschaftstanzkurse an New Yorker Problemschulen ist bereits in der Dokumentation Mad Hot Ballroom im vergangenen Jahr in die Kinos gekommen. Jetzt legt die fiktiv-inszenierte Seite nach und liefert eine geschickte Mischung von Problemen normaler Teenager miteinander und dem Alltag, den das Erwachsenwerden in der Ghetto-Großstadt bedeutet. In dieses Durcheinander fällt der stets korrekt gekleidete, immer endlos höfliche Pierre Dulaine. Er versteht nicht viel von diesen Problemen, aber er ist der Überzeugung, dass eine Portion gegenseitiger Respekt und Höflichkeit noch niemandem geschadet hat. Das klingt etwas zu sehr nach Märchenonkel? Vielleicht, aber dank der hervorragenden Leistung des spanischen Schauspielers Antonio Banderas wirkt der Protagonist auch in seiner gnadenlosen Deplatzierung vollkommen natürlich. Dass er aneckt, versteckt er nicht, er ist eben so. Banderas verkörpert diese stoische Haltung, ohne Dulaine nur den Hauch von Überheblichkeit gegenüber den Kids zu geben. Der Darsteller, der eher durch actiongeladene Rollen wie in Irgendwann in Mexiko, Die Legende des Zorro oder „Der 13. Krieger“ im Gedächtnis geblieben ist, beweist in „Dance!“, dass er auch auf dem gebohnerten Parkett seine schauspielerische Balance stets zu halten weiß - charmantes Dauerlächeln inklusive.
Unterstützt wird Banderas von einem Haufen junger und talentierter Schauspieler. Rob Brown überzeugte zuletzt in Coach Carter, nachdem er in „Forrester“ sein Debüt gab. Dante Basco, der im Film den aufmüpfigen Tänzer Ramos mimt, konnte bereits Rollen in „Biker Boyz“, „Extreme Days“ und „Hook“ ergattern, während er zeitgleich eine Breakdance-Karriere verfolgte. Und das ist eben auch das Schöne an „Dance!“: Nicht jeder Sprössling läuft hier von Null auf Superstar in 90 Minuten. Es gibt eben auch die Kids, die nicht so weit kommen. Dennoch bekommen sie auch durch das Tanzen die Chance, an sich zu arbeiten und etwas zu lernen. Vor leicht kitschigen Anfällen der Protagonisten muss der Zuschauer jedoch gewarnt sein.
Für Regisseurin Liz Friedlander ist „Dance!“ ein Debüt: Mit dem Teenager-Tanzfilm liefert sie ihren ersten abendfüllenden Spielfilm ab. Dass sie für diesen Job vorgeschlagen wurde, erscheint plausibel. Mit Musikclips zu Songs von U2, Celine Dion, R.E.M., Joss Stone, den Counting Crows und 3 Doors Down hat sie einschlägige Erfahrungen im Bebildern von tanzbarer Musik, auch wenn sich unter ihren Kunden kein echter HipHop Act findet, der auf die Musik von „Dance!“ passen würde. Doch der Musikclip-Stil zieht sich auch in den dramaturgischen Teil des Films und bringt dort Bewegung. Gerade der Schnitt der Eröffnungssequenz wirkt rhythmisch und musikalisch in seinen Übergängen, während er alle Erzählebenen gleichzeitig anreißt. Es wirkt vielleicht etwas ungewohnt, was Friedlander da ausprobiert, aber es ist in jedem Fall erfrischend. Auch in den Tanzszenen bleibt die Kamera nah bei den Tänzern und lässt den Zuschauer hautnah dabei sein.
Einen Kreativitätspreis für seine Geschichte wird dieser Film jedoch nicht gewinnen können. Ein bisschen „Dangerous Minds“ trifft auf die Benimmregeln von Coach Carter und vermittelt seine Werte im Stil von „Save The Last Dance“, damit am Ende einige Kids abgehen können wie im grottenschlechten Honey. Natürlich kennt man diese Themen bereits aus der Vergangenheit, aber ein Film muss auch nicht immer brandneue Ansätze liefern. In „Dance!“ gelingt das Wiederaufwärmen dank der charmanten Besetzung, der ansehnlich geschnittenen Bilder und nicht zuletzt dank des vielfältigen Soundtracks, der eine gute Balance zwischen klassischen Themen und heißen Rhythmen findet. Für laue Sommerabende zu zweit ist „Dance!“ ein heißer Tipp.