Der Titel „Der Tiger hetzt die Meute“ hat genauso wenig mit dem Film zu tun, wie mit dem Originaltitel „White Lightning“. Doch irgendwie passt es. Gleiches gilt für Joseph Sargents Actionfilm. Irgendwie passt es, trotz unübersehbarer Schwächen.
Gator McKlusky (Burt Reynolds) sitzt wegen illegaler Whiskeydestillation im Gefängnis. Als sein jüngerer Bruder vom Sheriff ihres Countys, J.C. Connors (Ned Beatty), getötet wird, möchte er sich rächen. Er handelt mit dem FBI einen Deal aus. Er schleicht sich in die Reihen der Whiskeyschmuggler ein und sammelt Beweise gegen Connors, der den FBI-Leuten schon lange ein Dorn im Auge ist. Gator kommt über Dude Watson (Matt Clark) ins Schmugglergeschäft. Dude ist auf Bewährung draußen und arbeitet nur (eher widerwillig) mit, um nicht wieder im Gefängnis zu landen.
Die Story ist dünner als eine Scheibe holländisches Weißbrot und Regisseur Joseph Sargent sowie Drehbuchautor William W. Norton pflegen die Klischees, als hinge ihr Leben davon ab. Trotzdem oder möglicherweise gerade deswegen unterhält der Film ausgezeichnet. Wer Substanz sucht, sollte bei „Der Tiger hetzt die Meute“ wegsehen, wer aber nach leichter Actionunterhaltung verlangt, darf es sich im Fernsehsessel bequem machen. Der Betrachter wird harte Kerle, debattierende Hippies, skrupellose Alkoholschmuggler, böse Sheriffs, unfähige Deputys, kauzige Landeier und hübsche Blondinen (mit einem IQ im Minusbereich) sehen. Sie alle sind Abziehbilder von Südstaatenklischees der 70er Jahre, was aus „Der Tiger hetzt die Meute“ ein äußerst amüsantes Spiegelbild seiner Zeit macht.
Als unterhaltsamer Actioner erfüllt „Der Tiger hetzt die Meute“ seine Pflichten zur vollsten Zufriedenheit des Betrachters. Glaubwürdigkeit und Realismus bleiben dem Geschehen zwar weitgehend fern, dafür darf sich das Publikum aber an vielen handgemachten Actionszenen erfreuen. Eine höchst angenehme Abwechslung gegenüber den modernen Effektgewittern Marke Computer. Wann immer sich die Möglichkeit bietet, beschert der Film dem Publikum sehenswerte Verfolgungsjagden mit röhrenden Ami-Wagen. Eine Schlägerei hier und ein paar abgefeuerte Pistolen und Shotguns da komplettieren den ansprechenden Actiongehalt.
Joseph Sargents Inszenierung hält sich auf solidem Niveau und profitiert maßgeblich von Edward Rossons stimmiger Kameraführung, welche die anregende Südstaatenkulisse perfekt in Szene setzt. Mit Hilfe von Charles Bernsteins hörenswertem Soundtrack ergibt sich so in der Summe eine beträchtliche Atmosphäre, die mangelnde Spannung locker wettmacht.
Burt Reynolds spielt den harten Helden mit gutem Herzen. Den nicht sehr anspruchsvollen, ihm auf den Leib geschriebenen Part füllt er mühelos aus und lässt keinen Zweifel daran, mit wem sich der Betrachter zu identifizieren hat. Ned Beatty als gemeiner Sheriff trägt auch erheblich dazu bei, denn am Ende kann das Publikum ihm ohne schlechtes Gewissen alles erdenklich Ungute wünschen. Weitere Nebendarsteller verdienen sich zwar keine lobende Erwähnung für charakterschwere Rollen, überzeugen aber dank ihres markanten, in der Regel sympathischen Auftretens und guten Einfügens im Starvehikel für Mr. Reynolds. Ihm gehört die Show und er zelebriert sie, wie es sich für einen wahren Filmhelden gehört.
Viel mehr braucht zu „Der Tiger hetzt die Meute“ nicht gesagt zu werden. Es macht Spaß dem actionbetonten Treiben vor ansehnlicher Kulisse zuzuschauen, sodass eventuelle erzählerische und storytechnische Schwächen genauso wenig ins Gewicht fallen wie die beispiellose Pflege diverser Klischees.