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    Enron - The Smartest Guys in the Room
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Enron - The Smartest Guys in the Room
    Von Carsten Baumgardt

    „Ask why!” Das war das Firmenmotto des amerikanischen Energiemegakonzerns Enron. Das 1985 gegründete Unternehmen stieg in kurzer Zeit kometenhaft am Firmament auf und wurde zum siebtgrößten Konzern der Vereinigten Staaten und absoluten Favoriten der Börsenanalysten - bis 2001 eine gigantische Seifenblase platzte. Die bitterböse Ironie: Nach dem „Warum“ hatte bis dorthin niemand gefragt. Im Dezember 2001 meldete Enron Insolvenz an und ein Kartenhaus brach spektakulär zusammen. Schulden in Milliardenhöhe, 20.000 Arbeitslose und zwei Milliarden Dollar, die aus der Pensionskasse der Mitarbeiter veruntreut wurden, sind das Ergebnis. Enron steht für den größten Wirtschaftsskandal in der Geschichte der USA. Regisseur Alex Gibney zeichnet diesen beispiellosen Fall in seiner oscarnominierten Dokumentation „Enron – The Smartest Guys In The Room“ brillant und hochspannend nach.

    Die junge Fortune-Magazine-Redakteurin Bethany McLean trat am 19. Februar 2001 eine Lawine los, wie es sie in der Wirtschaft in diesen Ausmaßen noch nicht gegeben hatte. „Is Enron Overpriced?“ lautete die eher harmlose Überschrift ihres Artikels über den Börsenliebling der amerikanischen Wirtschaft. Quartal für Quartal, Jahr für Jahr ging es steil bergauf für Enron, dass der Konzern seit Jahren nur noch durch kriminelle Bilanzfälschungen im großen Stil existieren konnte, ahnte keiner. Warum in aller Welt ist dieser Betrug niemandem aufgefallen? Diese unangenehme Frage stellt Alex Gibney in seiner Dokumentation. Denn es hätten eigentlich viele Leute aufmerksam werden müssen, aber keiner reagierte – bis zum bitteren Ende.

    Groß geworden ist Enron mit der Strategie, Energie zum Spekulationsobjekt zu machen. Die Trader des Konzerns gingen waghalsige Risiken bei Termingeschäften ein und hatten zu Beginn Glück und Geschick, so dass die Aktie zum Börsenstar aufstieg. Den tragischen Fall des Energieriesens leitete die Unternehmensleitung bereits im Juni 1991 ein. Zu dieser Zeit wechselte der Konzern zum (legalen) Buchhaltungssystem „mark-to-market“. Das erlaubte der Firma, zukünftige, erwartete Gewinne in der aktuellen Bilanz als real einzustufen. Einer der größten Flops Enrons war ein 1993 in Indien gebautes Atomkraftwerk, das 2,8 Milliarden Dollar verschlang. In der Bilanz wurden die erhofften Einnahmen diesen monströsen Kosten gegengerechnet, damit der Abschluss ausgeglichen war. In Wahrheit hatte sich Enron jedoch schwer verkalkuliert, die Inder konnten den Strom überhaupt nicht bezahlen und der Konzern hat nie einen Cent aus verkaufter Energie eingenommen – doch die Bilanz stimmte. Über die Jahre häuften sich die Schulden, doch auch hier waren die Topmanager Kenneth Lay, Jeffrey Skilling, John Baxter und Andrew Fastow erfinderisch. Die Verluste versteckten sie in einem undurchschaubaren Netz aus kleinen Tochtergesellschaften.

    1999 verdiente Enron noch einmal tüchtig – allerdings zu einem hohen Preis. Mit viel krimineller Energie verknappten die Trader künstlich das Stromangebot in Kalifornien, ließen Kraftwerke zeitweilig abschalten, der Staat schlidderte in eine Energiekrise. Das Ergebnis: Durch die gesteigerte Nachfrage stieg der Preis für Strom in astronomische Höhen. Möglich machte dies die Deregulierung des Strommarktes – freier Wettbewerb statt staatliche Begrenzungen. Doch auch das rettet Enron letztendlich nicht. Als der Vorstandsvorsitzende Jeffrey Skilling im August 2001 überraschend zurücktritt, ist der Niedergang des Konzers nicht mehr aufzuhalten. Plötzlich werden die unangenehmen Fragen gestellt und die Wahrheit kommt langsam ans Licht.

    Gibney zeigt diesen spektakulären Börsenkrimi mit allen Finessen, die der Dokumentarfilm hergibt. Eingebettet in die Schilderung der späteren Prozesse gegen die Topmanager nähert sich der Regisseur dem Thema zunächst mit Porträts der Hauptverantwortlichen, um daran die Materie zu erklären. Zwischendrin sorgen gut gewählte Soundtrack-Stücke, Collagen und Original-Fernsehausschnitte für Auflockerungen. Selbst bis zu den „Simpsons“ hat es Enron geschafft. In einer Folge wird das Schicksal des Unternehmens satirisch aufs Korn genommen. Hilfreiche Interviewpartner sind auch Bethany McLean und Peter Elkind, die den Skandal in ihrem Buch „Enron - The Smartest Guys In The Room“ nachgezeichnet haben. Dazu kommen viele ehemalige Mitarbeiter zu Wort, die von den kriminellen Machenschaften der Chefetage schwer enttäuscht waren, aber die Katastrophe detailreich erläutern können.

    Im Grunde ist „Enron“ gar keine klassische Dokumentation, denn nach kurzer Zeit entwickelt der Film einen derartigen Sogeffekt, der die Zuschauer in diese unglaubliche Geschichte hineinzieht. Das Werk funktioniert vielmehr als Börsen-Thriller, in dem Gibney im Stakkato-Rhythmus den Betrachter mit Informationen attackiert, ohne dass dieser den Überblick verliert. Eine der spannendsten Fragen ist die der Motivation der Betrüger. Die Größen um Lay, Skilling und Baxter waren hochintelligente Leute, die dachten, das System austricksen zu können – was am Anfang auch klappte. Doch nach und nach schlichen sich kleine Gaunereien ein, um die Bilanzen attraktiv zu halten. Dies steigerte sich jedoch später in apokalyptische Dimensionen, bis zum großen Zusammenbruch. Gewollt haben sie es sicher nicht, aber verhindert eben auch nicht. Stattdessen gingen die Vorstandsbosse vor dem Bankrott mit drei- bzw. zweistelligen Millionen-Dollar-Beträgen aus dem Unternehmen, während für die Mitarbeiter im Durchschnitt 4.500 Dollar Abfindung heraussprang. Gibney kommentiert die Moral der Geschichte in seinem Film nicht ausdrücklich, doch die Lehren daraus sind so offensichtlich, dass dies auch nicht nötig ist.

    Die Politik hat versagt, dem Gebaren Einhalt zu gewähren, schließlich war Enron der größte Sponsor der Wahlkampagnen George W. Bushs. Der US-Präsident lehnte damals aus Freundschaft zu Enron und aufgrund von Partei-Kumpanei zum republikanischen Gouverneurskandidaten Arnold Schwarzenegger, der gegen den demokratischen Amtsinhaber Gray Davis antrat, die Bitte des Staates Kalifornien um Hilfe bei der Beendigung der Energiekrise ab, was Bush nachträglich schwer in die Kritik brachte. Daneben haben die weltgrößten Banken versagt. Sie investierten weiter fleißig in Enron, ohne danach zu fragen, woher die Gewinne kamen. Enron war eine sogenannte „Black Box“ – das Geld sprudelte, aber keiner konnte sagen, woher es kam. Die Banken fütterten munter weiter, die Verluste verschwanden in den Tochtergesellschaften. Von den einst 70 Milliarden Dollar Börsenwert ist nichts mehr übrig – mehr als sieben Milliarden konnten an Entschädigungen ausgezahlt werden, der Rest ist „verbrannt“. Die drei Hauptschuldigen mussten harte Strafen einstecken. Der Vorstandsvorsitzende und Chairman Jeffrey Skilling wurde wegen Betrugs zu 24 Jahren Haft sowie einer Geldstrafe von 26 Millionen Dollar verurteilt, Finanzvorstand Andrew Fastow, der das Geld in den Unter-Firmen versteckte, trat als Kronzeuge auf und kam mit sechs Jahren davon. Firmengründer Kenneth Lay verstarb im Juli 2006 an Herzversagen, bevor das Strafmaß verkündet werden konnte. Der hochrangige Manager John Baxter brach unter dem Druck und der Schuld zusammen und nahm sich bereits im Januar 2002 das Leben.

    „Ich erkannte, dass der Fall Enron mehr als ein Firmenskandal war. Es war ein menschliches Drama von der emotionalen Größe einer griechischen Tragödie – durchsetzt vom nur vorstellbar schwärzesten Humor“, erklärt Regisseur Gibney. Der Zynismus und die Rücksichtslosigkeit der handelnden Personen, die soziopathische Züge tragen, fördern eine betäubende Ohnmacht zu Tage. Die Gier nach Reichtum verändert die Menschen in radikaler, skrupelloser Form, wie dieses Beispiel zeigt – keine neue Erkenntnis, aber in diesen Dimensionen doch einmalig. In geheimen Mitschnitten in Ton und Bild, die ehemalige Mitarbeiter zur Verfügung stellten, wird dies dokumentiert – Fassungslosigkeit bleibt. Das Famose an „Enron“: Obwohl der Film fast nüchtern bis in Mark aufgebaut ist, erzielt er durch die dichte Analyse der Fakten eine ungeheure emotionale Wucht, die keinen kalt lassen kann. „Enron - The Smartest Guys In The Room“ zählt zum Spannendsten, was in den vergangenen Jahren über die Leinwand geflimmert ist und gilt als beste Innenansicht von komplexen wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen seit The Fog Of War.

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