Gottesanbeterinnen beißen ihren Sexpartnern während des Akts den Kopf ab – aus einem Horrorfilm über eine Gottesanbeterin in Menschengestalt hätte man also ohne weiteres ein blutig-trashiges Splatterfest fabrizieren können. Der belgische Regisseur Marc Levie geht mit „Praying Mantis“ aber nahezu den entgegengesetzten Weg – statt als Schlachtfest inszeniert er seinen Debüt-Langfilm als ambitioniertes Horror-Melodram und düster-erotisches Märchen. Dabei springen sogar ein paar wirklich interessante Bilder und Storyansätze heraus. Trotzdem scheitert Levie insgesamt aber doch daran, dass er sein bescheidendes Budget zu selten durch ein Mehr an Kreativität und Einfallsreichtum ausgleichen kann.
Als Musiker Julien (Yann Chely) im Wald die geheimnisvolle Sylvia (Lou Broclain) aufgabelte und mit zu sich nach Hause nahm, wusste er noch nicht, auf welches gefährliche Spiel er sich da einlässt: Seine neue Geliebte ist nämlich eine Gottesanbeterin in Menschengestalt, die ihre Männer nach dem Sex töten muss, um selbst zu überleben. Sylvia verliebt sich aber so sehr in Julien, dass sie mit allen Mitteln gegen ihre Natur ankämpft, um ihn so vor dem scheinbar unausweichlichen Ende zu bewahren. Und dazu gehört auch, sich fremde Männer zu suchen, um ihre morbiden Bedürfnisse anderweitig befriedigen zu können. Ihr neuester Fang ist der egoistische Adrenalinjunkie Patrick (Sacha Kollich) – aber der erste Versuch, ihr Opfer zu erwürgen, schlägt fehl…
Was als typische, auf ein dramatisches Ende zusteuernde Ménage à trois beginnt, wird schon bald durch die ersten, noch vorsichtig zurückhaltenden übersinnlichen Elemente angereichert. Dabei ist die Geschichte zwar stets interessant, wird aber nur selten wirklich spannend – was man allerdings spätestens nach dem Showdown, mit dem sich der Film endgültig zu seiner starken künstlerischen Ader bekennt, als durchaus stimmig bezeichnen muss. Auch was die Erotikszenen angeht, siegt Levies Vorliebe für das Schöne über das Spektakuläre – statt als wilden harten Sex inszeniert er das Liebesspiel seiner Protagonisten als eine Art exotischen Tanz, wie er in der Insektenwelt häufig mit dem eigentlichen Akt einhergeht. Natürlich ist diese für eine Genreproduktion ungewohnte Herangehensweise erst einmal zu begrüßen, aber die surrealen Bilderwelten und erotischen Tagträume sind insgesamt doch nicht aufregend genug, als dass sie das Weniger an Spannung vollständig aufwiegen könnten.
Yann Chely gibt Julien als grimmig dreinschauenden, supersensiblen 08/15-Künstlertyp. Sacha Kollich spielt den rücksichtslosen Adrenalinjunkie Patrick, als würde er für den nächsten American Pie-Teil vorsprechen. Gerade wo der Film insgesamt neue Pfade zu erkunden versucht, sind diese beiden absolut eindimensionalen Charaktere ein echter Störfaktor. Denn obwohl man Lou Brolain, die in sekundenschnelle von verletzter Schönheit auf grausame Männerfresserin umschalten kann, in ihrer ersten Hauptrolle durchaus als gelungene Entdeckung bezeichnen kann, schafft sie es dennoch noch nicht, das komplette Gewicht der gesamten Geschichte alleine zu stemmen.
Die größte Schwäche des Films ist aber die Inszenierung, die nur in den allerwenigsten Szenen das zu niedrige Budget vergessen machen kann. Wo das semi-professionelle Niveau der Spezialeffekte dabei noch für die eine oder andere gelungen-surreale Passage sorgt, geht einem das uninspirierte Hin- und Herspringen von einer Nahaufnahme zur nächsten recht schnell auf die Nerven – auch wenn Marc Levie eigentlich keine andere Möglichkeit bleibt, weil schon Halbtotale wie aus einem einfachen Homevideo herauskopiert aussehen. So bleibt „Praying Mantis“ insgesamt bei seinen interessanten Ansätzen hängen, weil eindimensionale Nebenfiguren und finanzielle Nöte Größeres von vorneherein unmöglich machen.