Obwohl sie sich schon in den 80er Jahren als wichtige Vertreterin des „Polish New Wave“-Kinos hervorgetan hat, erlangte Regisseurin Agnieszka Holland vor allem mit ihren beiden für den Fremdsprachenoscar nominierten Filmen „Angry Harvest“ und „Hitlerjunge Salomon“ internationale Beachtung. Immer schon einer Vorliebe für historische Stoffe frönend, hat sie sich nun eines Projekts über den exzentrischen Wiener Komponisten Ludwig van Beethoven angenommen. Aber auch wenn vor allem auf der darstellerischen und musikalischen Ebene durchaus überzeugende Qualitäten vorhanden sind, läuft der Film schließlich doch ins Leere. Halb Künstlerporträt, halb feministisches Drama setzt sich „Klang der Stille“ zwischen die Stühle und wird so keinem seiner Themen wirklich gerecht.
Wien, 1824: Verleger Wenzel Schlemmer (Ralph Riach) ist verzweifelt, der Premierenabend naht und sein Star-Komponist Ludwig van Beethoven (Ed Harris) hat seine Neunte Symphonie noch immer nicht vollendet. Einen befreundeten Professor am Konservatorium um Hilfe bittend, wird dem Verleger die 23-jährige Anna Holtz (Diane Kruger) zur Unterstützung vermittelt. Doch Schlemmer ist von der musikalischen Schönheit zunächst gar nicht angetan – das herrisch-exzentrische Genie Beethoven und eine junge, unbedarfte Komponistin, das kann einfach nicht gut gehen! Doch mit viel Geduld und harter Arbeit schafft es Anna scheinbar, Beethovens Machodenken zu durchbrechen. Gemeinsam vollenden sie die Symphonie. Und mit Annas Hilfe schafft es Beethoven gar, sein Meisterwerk dem Publikum bei der Premiere als Dirigent selbst vorzubringen. In der Hoffnung, sein Vertrauen nun endgültig gewonnen zu haben, legt Anna Beethoven ihre ersten eigenen Werke zur Begutachtung vor. Eine demütigende Erfahrung, denn der Meisterkomponist stampft ihre Arbeit nicht einfach nur in Grund und Boden, er verhöhnt sie zusätzlich auch noch…
Ebenso wie Milos Forman in seinem Film Goyas Geister die historische Figur des spanischen Malers nur nutzte, um ein fiktives Drama um Folter und den Opportunismus der Mächtigen zu erzählen, gebraucht Agnieszka Holland nun Beethoven, um die erdachte Geschichte der Musikstudentin Anna Holtz zu erzählen. Leider erweist sich diese als wenig interessant. Den Kampf der eigenwilligen jungen Frau, die es sich in ihren Starrkopf gesetzt hat, sich in einem von Männern dominierten Metier durchzusetzen, hat man in ähnlicher Form schon hundert Mal gesehen. Das frühe 19. Jahrhundert reicht hier als einzige Variation des Themas kaum aus. Vor allem, weil das Budget insgesamt doch sehr überschaubar war, und man deshalb – mit Ausnahme des eindrucksvollen Konzertsaals - wenig vom historischen Wien, für welches im Film das heutige Budapest Pate stand, zu sehen bekommt.
Auch fehlt es an einer wirklich starken Frauenrolle, um die Feminismus-Ode angemessen zu untermauern. Dass die Figur der Anna Holtz, der ein leichter Hang zur Klischeelastigkeit nicht abzusprechen ist, aber bis zum Schluss blass und fleischlos bleibt, ist allerdings allein die Schuld des uninspirierten Drehbuchs, und keinesfalls die von Diane Kruger (Sehnsüchtig, Das Vermächtnis der Tempelritter). Die Troja-Schönheit liefert hier nämlich die stärkste Performance ihrer noch jungen Karriere ab. Dagegen ist der Auftritt des bereits vier Mal für den Oscar nominierten Darstellers Ed Harris (The Hours, Die Truman Show, Apollo 13) doch eher enttäuschend. In dem von ihm selbst inszenierten Drama Pollock hat dieser die Rolle des exzentrischen Künstlers nämlich schon wesentlich eindrucksvoller verkörpert, in „Klang der Stille“ erlaubt er hingegen kaum Einblicke in die Seele eines narzisstischen Genies, sorgt lediglich mit seinen exzentrischen Einschüben für den einen oder anderen gelungenen Lacher – nur kann man diese lustige Variante des vordergründig arroganten, hintergründig sympathischen Genie-Ekels jeden Dienstagabend auf RTL in noch überzeugender Form im TV bewundern, wenn „Dr. House“ widerwillig seine Visite-Runden dreht.
Auf der inszenatorischen Ebene beginnt „Klang der Stille“ unerwartet mutig. Allerdings misslingt Hollands Versuch, Beethovens Komposition während der Ouvertüre mit einer komplexen Schnittfolge einzufangen. Aber das ist immer noch besser als die stillose Eintönigkeit, mit der sie den Rest der Geschichte bebildert. Erst mit der Premiere der Neunten, unterstützt durch die hochemotionale Musik, kommt auch in Sachen Inszenierung wieder Spannung auf – zielsicher wird der dramaturgische Bogen hin zum plötzlichen Hervorsprühen der göttlichen Funken gespannt. Leider wird dieser positive Ansatz mit der unverhohlen kitschigen Schlusseinstellung, die Anna in ein sonnendurchflutetes Getreidefeld entlässt, wieder zunichte gemacht. „Klang der Stille“ rahmt Beethovens einzigartig emotionalen Kompositionen in eine oberflächliche, bloß aufgesetzt wirkende Feminismus-Handlung. So bleibt nur die schlichte Erkenntnis: Beethovens Musik ist durch und durch genial, die filmische Umsetzung ist es hingegen kaum.