Es gibt unzählige Gründe, warum man einen Film wirklich gut finden kann – er kann besonders spannend, lustig, intelligent, künstlerisch wertvoll oder nach der neuesten Mode auch möglichst blutig-perfide sein. Aber der beste und sicherste Grund bleibt noch immer, sich so richtig unsterblich in ihn zu verlieben. Mit ihrer unglaublich charmanten und wunderschön fotografierten Erotik-Komödie „Malen oder Lieben“ hat das Regie-Brüderpaar Arnaud und Jean-Marrie Larrieu nun gleich mit seinem Langfilm-Debüt ein Meisterwerk abgeliefert, das so voll von Liebe und Schönheit in ihren reinsten Formen ist, dass man kaum anders kann, als sein Herz augenblicklich an diese französische Kino-Perle zu verlieren.
Eigentlich läuft die Ehe von Madeleine (Sabine Azema, „Die Spitzenklöpplerin“, „Tanguy – Der Nesthocker“) und William (Daniel Auteuil, „Ein Herz im Winter“, „Die Bartholomäusnacht“) durchaus harmonisch. Aber als William in Rente geht und ihre Tochter zum Studieren nach Italien auswandert, scheint ihre Liebe vom Stillstand bedroht. Nachdem sich die beiden aus einem Moment heraus dazu entschieden haben, in ein altes Bauernhaus auf dem Land zu ziehen, freunden sie sich mit Adam (Sergi Lopez, „Harry meint es gut mit mir“), dem blinden Bürgermeister des Dorfes, und seiner Frau Eva (Amira Casar, Sylvia) an. Als das Haus der neuen Freunde abbrennt, bieten Madeleine und William den beiden an, eine Zeit lang bei ihnen zu wohnen. Doch schon bald wird aus Freundschaft Liebe und die Paare werden wild durcheinander gewürfelt. Nach anfänglicher Verwirrung lernen Madeleine und William schnell, ihr neues Leben zu schätzen…
Mit ihrem reduzierten Inszenierungsstil, der kaum Kamerafahrten und nur sehr eingeschränkte –schwenks zulässt, wirkt jede Einstellung der Larrieus wie ein einfaches, klar strukturiertes, aber dennoch aufregendes Gemälde. So gibt es für den Zuschauer in jeder Szene eine neue, facettenreiche Welt zu entdecken. Aber trotzdem ist „Malen oder Lieben“ kein bloßes Kunstgewerbe, vielmehr findet die künstlerische Herangehensweise an die wunderschönen Bilder in den Figuren durchaus ihre Entsprechung. So gibt es auf der einen Seite Madeleine, die in ihren Landschaftsmalereien nach nur oberflächlicher Schönheit sucht und auf der anderen den blinden Adam, der sie eine sensiblere, tiefere Sicht auf die Welt zu lieben lehrt – „Malen oder Lieben“ wird beiden Sichtweisen gerecht, seine Bilder wirken oberflächlich wie Postkarten-Fotos eines französischen Dorfes, trotzdem lassen sich immer genug kleine Einzelheiten entdecken, die einen persönlichen, unverwechselbaren Eindruck hinterlassen.
Aber nicht, dass jetzt jemand auf die Idee kommt, „Malen oder Lieben“ könnte nur mit schönen Bildern aufwarten und wäre ansonsten nicht mehr als langweiliges Kunstkino. Eher das Gegenteil ist der Fall, denn auch wenn sich der Film viel Zeit lässt, um seine Bilder und Charaktere zu genießen, erzählt er vor allem eine gute Geschichte. Nach einer vorsichtigen, zurückhaltenden, aber mit reichlich angenehmen Humor aufgelockerten Einführung der Figuren beginnt langsam der aufregende Reigen voll knisternder Erotik, bei dem jede versteckte Geste, jedes kurze Zögern die Spannungsschraube weiter anzieht. Das einzige, was man hier kritisieren könnte, wäre der leicht verklärte, sehr romantische Blick auf Partnertausch und Swinger-Dasein. Aber dass der Sex hier nicht in düsteren, verruchten Clubs, sondern in einem elegant eingerichteten Bauernhaus von statten geht, ist auf den zweiten Blick absolut passend: Denn nicht der Akt oder die Swinger-Szene an sich, sondern die Liebe zwischen William und Madeleine und ihr später, dafür aber umso erfrischendere Blick für das Schöne in der Welt sind die eigentlichen Themen des Films.
Das „Malen oder Lieben“ mit seiner einfühlsamen Inszenierung und seinem feinfühligen Drehbuch aber nicht nur einfach sehr gut, sondern hervorragend geraten ist, liegt an dem fantastischen Spiel seiner beiden Hauptdarsteller. Daniel Auteuil, der in Deutschland zuletzt in Michael Hanekes Caché zu sehen war und in seiner Karriere schon mit solchen Regiegrößen wie Claude Berri, Patrice Chéreau oder André Téchiné zusammengearbeitet hat, geht in der Rolle des zunächst ängstlichen, dann aber doch vorsichtig-leidenschaftlichen William voll auf. Und Sabine Azema, eine der populärsten Filmstars ihres Landes, gibt die lebenshungrige Madeleine mit so unendlich viel Charme, wie nur französische Frauen ihn haben können. Dabei verliebt sich der Zuschauer aber nicht unbedingt in einen der beiden Schauspieler oder in eine der beiden Rollen, sondern vielmehr in den warmherzigen Umgang der beiden miteinander. So ist „Malen oder Lieben“ ein Festmahl für jeden Kino-Gourmet – man isst zwar langsam und auch nur kleine Bissen, dafür hat aber auch jeder seinen ganz eigenen, unwiderstehlichen Geschmack.