Verwegener Verliesbewohner verprügelt verräterische Verschwörer voller Verbitterung. So könnte man den Plot von „V wie Vendetta“, der Comicverfilmung aus dem Haus der Matrix-Väter Larry und Andi Wachowski stark verkürzt zusammenfassen. Ein Meisterwerk ist ihnen allerdings nicht gelungen.
England in einem Paralleluniversum: Die Welt ist von Kriegen und Seuchen geplagt, Staaten kollabieren, aber das gute alte Britannia kann dank seiner autoritären Regierung unter Kanzler Sutler (John Hurt) weiter bestehen. Eines Abends macht sich die junge Evey (Natalie Portman) nach Beginn der Sperrstunde auf den Weg zu ihrem Boss, dem Fernsehmoderator Gordon (Stephen Fry). Sie wird von Fingermen, den Geheimpolizisten der Staatsmacht, aufgegriffen, die an ihr ihre eigenen Bestrafungsmethoden testen wollen. Plötzlich erscheint ein Mann in einer Guy-Fawkes-Maske, der die Fingermen ordentlich vermöbelt und die junge Frau zu einem mysteriösen Konzert einlädt. So lernt Evey „V“ kennen, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Regime des Kanzlers zu beenden. In dieser Nacht sprengt er Old Bailey in die Luft. Tags darauf erscheint er im Fernsehkanal, in dem auch Evey arbeitet, und zwingt die Veranstalter, eine Botschaft auszustrahlen, in der „V“ die guten Bürger Englands auffordert, am 5. November des nächsten Jahres, dem Guy Fawkes Day, vor dem Parlament zu erscheinen und dort zu demonstrieren.
Als „V“ bei seiner Flucht aus dem Kanal in Bedrängnis gerät, kann Evey ihn retten. Kurz entschlossen nimmt „V“ sie mit in sein unterirdisches Heim, um sie vor der Staatsmacht zu verstecken. Denn inzwischen sind auf Wunsch des Kanzlers Inspector Finch (Stephen Rea) und sein treuer Assistent Dominic (Rupert Graves) auf den Fall des als Terroristen bezeichneten Regimegegners angesetzt. Der maskierte Retter versucht, Evey für seinen erbarmungslosen Kreuzzug zu gewinnen, und scheut sich nicht, sie ohne ihr Wissen zu benutzen, als sie sich nicht für den Mord an systemtreuen Offiziellen begeistern lässt. Stattdessen nutzt sie die erstbeste Chance zur Flucht. Doch sie wird gefasst und gefoltert. Derweil entdecken Finch und Dominic interessante Details zu „V“s Herkunft und decken ein Komplott gegen den englischen Staat auf, in den die gesamte Parteispitze verstrickt zu sein scheint.
Guy Fawkes war ein katholischer Freiheitskämpfer, der im Jahr 1605 versuchte, das protestantische Parlament Englands in die Luft zu sprengen. Er wurde gefasst, gefoltert und öffentlich exekutiert. Noch heute verbrennen die Briten jedes Jahr am 5. November, dem Tag des missglückten Attentats, seine Figur. Es ist kein Zufall, dass diese Geschichte „V wie Vendetta“ eröffnet. Denn dieser Film beschäftigt sich ausgiebig mit der Frage, wie weit man im Kampf gegen ein ungerechtes Regime gehen darf. „V“s Position ist dabei denkbar einfach: Ihm ist jedes Mittel recht, die Schergen des Systems öffentlich hinzurichten und den Staatsarm gewalttätig außer Gefecht zu setzen. Zwischen ihm und Evey kommt es im Verlauf des Films zu einigen interessanten Diskursen über die Methoden einer Revolte und ihre Berechtigung. Überhaupt ist die Figur von Evey der Angelpunkt der Geschichte. Anfangs kann sich die zarte Frau kaum allein zur Wehr setzen, vertritt aber aufrecht ihre Werte und Prinzipien. Im weiteren Verlauf des Films stellt sich mehrfach die spannende Frage, an welchen Stellen sie eigenständig ihre Entscheidungen trifft und wo sie von anderen Figuren manipuliert wird. Natalie Portman („Star Wars: Episode 1-3“, Heat) hat nach dem Amidala-Ausflug in die schauspielerische Wüste endlich wieder eine Rolle gefunden, in der sie ihr Können unter Beweis stellen kann. Sie führt damit das fort, was sie in Garden State und Hautnah begonnen hat. Mal versteckt sie sich völlig verstört unterm Bett, mal wird sie in deutlich an Guantanamo Bay erinnernder Gefangenenkleidung gefoltert, mal ist sie das sympathische Mädchen von nebenan, aber immer ist ihr Spiel unheimlich intensiv und packend. Sie bringt einen großen Teil der persönlichen Wirkung des Films durch ihre Gestik und Mimik, so dass ihr männlicher Gegenpart Hugo Weaving („Matrix 1-3“, „Herr der Ringe“-Trilogie) getrost sein Gesicht hinter einer unbeweglichen Maske verbergen kann. Seine Figur des verbitterten und gefolterten Widerstandskämpfers ruht vor allem auf seiner außergewöhnlichen Stimme und Sprechweise. Man kann nur hoffen, dass für die deutsche Synchronisation ein entsprechender Darsteller gefunden wurde, damit „V“ als Figur nicht untergeht.
Leider ist die Geschichte von „V wie Vendetta“ nicht ganz so ausgefeilt und großartig wie seine Darsteller. Die Wachowski-Brüder ziehen ihre Geschichte eher so plump auf wie in den Matrix-Sequels. Die Botschaften des Regimes und seiner Widersacher werden dem Zuschauer direkt um die Ohren geknallt, die Aussagen tölpelhaft offensichtlich zusammengebastelt und präsentiert. Die Menschheit in dieser Parallel-Erde werden von allem bedroht, wovor sich die Generation Next nur fürchten kann: Revolten, Seuchen, Terrorismus, durch Viren verbreitete Krankheiten und Bürgerkriege. Dazu mixen die Drehbuchautoren noch die 2. Weltkriegsparanoia um Staatsterror, totalitäre Systeme und Dämonisierung von Außenstehenden wie Homosexuellen, Ausländern und Andersgläubigen. Ein bisschen viel des Guten. Auch im visuellen Style gibt es einige Unannehmlichkeiten. Die Szenen, die „V“s Werdegang zum Maskenmann beleuchten, sehen aus wie die Outtakes aus Fantastic Four. Andere Einfälle, wie zum Beispiel „V“ vor seinem großen Tag ein Mosaik aus zigtausenden Dominosteinen legen zu lassen, die als Parabel für „den Stein ins Rollen bringen“ beim Umstoßen sein Markenzeichen über den Boden seines Verstecks enthüllen, wirken einfach vollkommen überzogen.
Was allerdings bei dieser Comicverfilmung großartig funktioniert, ist der Humor. Er wird nicht übermäßig eingesetzt und erreicht dadurch einfach angenehme Auflockerungen, die vom Publikum durchaus akzeptiert werden. Nicht nur Natalie Portmans Charakter, auch der noch als Nebenrolle zu wertende Stephen Fry als Gordon kann hier ordentlich punkten. Zum Ende hin wird dieses charmante Mittel zu Gunsten des von „V“ in kitschigster Weise geforderten Aufstands der Anständigen aufgegeben. Auch in Sachen Action kommt der Film etwas zu verhalten daher. Nur drei Mal darf „V“ seine Skills richtig auspacken und ordentlich auf die Häscher des Systems draufschlagen. Diese Szenen sind aber für Comicfans dankbar umgesetzt: Hier spritzt das Blut im rotesten Rot durch das Bild, ganz genau so, wie man es aus den gedruckten Vorlagen kennt. Vor allem durch diese Szenen, aber auch durch andere Feinheiten der Inszenierung, verdient der Film seinen Status als Comicverfilmung und ist anderen Vertretern des Genres einen kleinen Schritt voraus.
Kurz gesagt: Aus einem mittelmäßigen Drehbuch machen alle Beteiligten (und zu denen gehört immerhin ein Teil der britischen Schauspielerelite, die sich für Nebenrollen hier nicht zu schade ist) noch das Beste. Ein echter Blockbuster wird „V wie Vendetta“ vielleicht nicht werden, aber als Comicverfilmung macht der Streifen eine solide Figur.