Südländer, insbesondere Spanier, sind temperamentvoll, impulsiv und leben ihren Hang zur theatralischen Übertreibung hemmungslos aus. So weit das Klischee. Wohnen nun mehrere Spanier verschiedener Generationen unter einem Dach, so nennt man das Familie, den gedeihlichsten Ort für Neurosen und Hassliebe. Betrachtet man nun eine moderne jüdische Familie und stellt ihnen einen Palästinenser als zukünftigen Schwiegersohn zur Seite, ist das Chaos Teresa de Pelegri und Dominic Harari Burleske „Alles was ich an euch liebe“ perfekt.
Fast unausweichlich lauert bei dieser Konstellation das Verfallen in Stereotype und oberflächlichen Witz, der sich aus den Vorurteilen über bestimmte Gruppen von Menschen nährt. Nicht immer umschifft die turbulente Komödie diese Klippen, findet aber doch in seiner temporeichen Erzählung Momente, in denen kluge Dialoge wirken können.
Die junge und erfolgreiche Leni (Marián Aguilera) sieht mit freudiger Erwartung dem Ereignis entgegen, ihrer jüdischen Familie ihren Auserwählten Rafi (Guillermo Toledo) zu präsentieren. Doch es dauert keine zwei Sekunden, bis der erste Streit ausbricht. Mutter Gloria (Norma Aleandro) gibt die Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs in einer perfekt inszenierten 24-Stunden-Show, kümmert sich vermeintlich um alles, hat aber weder sich noch sonst irgendetwas wirklich im Griff. Die ältere Schwester Tania (María Botto) wohnt mit der unehelichen 6-jährigen Tochter Paula (Alba Molinero) mangels Alternativen noch bei den Eltern und frönt ungehemmt der sexuellen Freiheit. Nicht so locker sieht sie die religiöse Erziehung ihrer Tochter. In die schaltet sich mit missionarischem Eifer der 19-jährige Sohn der Familie, David (Fernando Ramallo), ein. An seiner Bekehrung zum orthodoxen Judentum sollen alle Familienmitglieder teilhaben, ob sie nun wollen oder nicht. Dass der Familienvater Ernesto (Mario Martín) lange nach einer üblichen Feierabendzeit noch nicht zu Hause ist, scheint ein Normalzustand zu sein, den Mutter Gloria geflissentlich nicht hinterfragt.
In all dem Wirbel muss der palästinensische Gast Rafi als Küchenhilfe einspringen und die gefrorene Suppe auftauen. Keine schwere Aufgabe, sollte man meinen. Durch widerspenstige Utensilien und ein unglücklicher Weise offen stehendes Fenster nimmt das Unglück jedoch seinen Lauf bzw. der massive Suppeneisblock einen tragischen Weg. Hilfesuchend vertraut sich der tollpatschige Akademiker Rafi seiner pragmatischen Braut an. Als das Paar feststellt, dass der aus dem Hochhaus gefallene Block einen Passanten getroffen und verletzt hat, kommt Hektik auf. Richtig schwierig wird es bei der Entdeckung, dass der offensichtlich tödlich Getroffene Lenis Vater ist. Wie der Familie klar machen, dass der soeben mit Mühe und Not akzeptierte Palästinenser das jüdische Familienoberhaupt auf dem Gewissen hat? Mit der Vertuschung des Vorfalls nehmen Verwicklungen ihren Lauf, die letztlich dazu beitragen, mit viel Gepolter das lange gepflegte Schweigen in der redseligen Familie zu beenden. Jeder wird dadurch mit einigen unangenehmen Wahrheiten über sich selbst konfrontiert. Gleichzeitig zeigen sich die Familienmitglieder aber auch Wege aus den Sackgassen, in denen die Einzelnen stecken und entdecken dabei nicht zuletzt, was sie eben an ihrer Familie so lieben.
„Alles was ich an Euch liebe“ kommt schrill und mit zum Teil albernen Witzen daher. Besonders die Rolle des Großvaters ist auf einen Stichwortgeber für allerlei hanebüchenen Konfliktchen reduziert. Dieses plumpe Verweisen auf überkommene Vorstellungen über die Verständigung zwischen den Völkern, aber auch zwischen den Geschlechtern hätte man sich sparen können, zumal der Film Geistreicheres bereithält. Das Zurückgreifen auf diesen Klamaukfundus weist darauf hin, dass der Story nach dem absurden Start mit der gefrorenen Suppe bald die Puste ausgeht. Dieser Start ist höchst charmant, gibt er doch dem moralinsauren Thema um den israelisch-palästinensischen Konflikt eine burleske Note, die das vermeintlich zentrale Thema zu einem unter vielen Konflikten innerhalb der Familie macht. Lebenslügen, Perspektivlosigkeit, Alleinerziehende, Ehebruch, Liebe im Alter, Identitätsfindung – Stoff gäbe es in dieser Familie wahrlich genügend, um einen abendfüllenden Spielfilm mit jeder Menge urkomischer Situationen zu gestalten, durch die der Ernst des Lebens mit einem Augenzwinkern hindurch lugt.
Das Regio-Duo de Pelegri und Harari setzt lieber auf eine Screwball-Comedy. Auf ihre Darsteller ist dabei durchwegs Verlass. Die Pointen sitzen, und den Wechsel zwischen Tragik und Komik bewältigen alle spielerisch. Er wird ihnen nur nicht sehr oft abverlangt. So jagt eine überdrehte Szene die andere und es kommt keinen Moment Langeweile auf. Das ist einem guten Gespür für den Rhythmus dieser Familie geschuldet, die man nach den knapp 90 Minuten mit dem guten Gefühl verlässt, dass die eigene trotz aller Macken so schlimm nun doch nicht ist. Allein dafür kann man dankbar sein.
Das große Verdienst des Films ist die Leichtigkeit, mit der das Schwergewicht der politischen Korrektheit einfach im Trubel um „ganz normale“ Familienprobleme untergeht. Es wird frech mit einem schwungvollen Streich zur Seite gefegt, aber nicht unter den Teppich gekehrt. Vielmehr wird deutlich, wie Zugehörigkeiten zu bestimmten Gruppen gerade in Konfliktsituationen instrumentalisiert werden, um Schuldzuweisungen und Stigmatisierungen vornehmen zu können. Dieses belastete und belastende Thema konsequent in eine Komödie zu verpacken und dabei jegliche Scheu vor Albernheiten abzulegen, zeugt von Mut und Esprit. In „Alles was ich an Euch liebe“ wird der Zeigefinger weder dazu benutzt, ihn moralisch vor vermeintlich Schuldigen zu erheben, noch dazu, um vorwurfsvoll auf die Schwächen Einzelner zu verweisen. Vielmehr fordert er dazu auf, die daran hängende Hand auch denen zu reichen, zu deren Verhaltensweisen wir keinen leichten Zugang haben. Dass das Autoren- und Regiegespann dabei manchmal über die Ziellinie hinausschießt sei ihm verziehen und stattdessen dem Zuschauer der Rat gegeben, diesen Film mit einer guten Portion Humor zu nehmen.