Hugo Rodriguez’ Gangster-Thriller-Komödie „Nicotina“ ist ein kleiner, atmosphärischer, größtenteils erfrischender Film, der durch seine guten Darsteller und ein paar feine Momente überzeugt, der aber das Potenzial zu mehr gehabt hätte. Leider trüben einige Überzogenheiten sowie ein paar logische Fehler den Gesamteindruck.
Der Computerhacker Lolo (Diego Luna) hat für die zwei befreundeten Kleinkriminellen Tomson (Jesús Ochoa ) und Nene (Lucas Crespi) Login-Dateien der Schweizer Nationalbank gestohlen; diese sollen durch Übergabe an einen russischen Gangster (Norman Sotolongo) in viel Geld umgewandelt werden. Lolo geht neben seiner Hackertätigkeit allerdings auch voyeuristischen Neigungen nach und beobachtet per Webcams seine schöne Nachbarin Andrea (Marta Belaustegui). Als diese das durch einen Zufall herausfindet, dringt sie in Lolos Wohnung ein und zerstört wütend dessen Sammlung der Andrea-Mitschnitte. Nur zerstört sie dabei auch die CD mit den Login-Dateien. Dem zu Folge geht das Treffen mit dem russischen Gangster Svoboda (Norman Sotolongo), dem die CD übergeben werden soll, auch nicht gut aus. Wieder durch einen Zufall kommt es zum Blutbad, dem Svoboda nur knapp entkommen kann und worauf hin er sich angeschossen zu einem kürzlich besuchten Friseur-Ehepaar rettet. Auf dem Friseurstuhl macht er dann allerdings schlapp – und stirbt. Während Tomson den Russen sucht und Lolo von Schuldgefühlen geplagt durch die Nacht irrt, findet Nene, ebenfalls angeschossen, Unterschlupf in einer Drogerie…
Das Hauptthema von „Nicotina“ sind Zufälle. Beispielhaft wird dieses Motiv durch die Gespräche von Tomson und Nene – einem seine Vorbilder in anderen Filmen suchenden Gangster-Smalltalk – deutlich, die sich um die Gefahr des Rauchens drehen. Nein, beharrt Nene, Rauchen sei vergleichsweise ungefährlich, rechnet man die tausend anderen Möglichkeiten, ums Leben kommen zu können, mit ein. Recht soll er behalten, denn „Nicotina“ schlägt beim Erzählen der Geschichte einen Haufen von Kapriolen und hält eine nicht unansehnliche Anzahl von Wendungen bereit; und letztendlich sind es – trotz aller Pläne und Vorhaben der Protagonisten – immer die Zufälle, welche die Story vorantreiben und ihr eine neue Richtung geben.
Leider wirkt das Vorhaben, den Zufall als bedeutsamsten Handlungsimpuls darzustellen, mitunter etwas aufgesetzt. An vielen Stellen hat der Zuschauer so leider das Gefühl, die Schauspieler würden in erster Line eine Reihe von – bisweilen etwas unplausiblen – „Wendungen“ abarbeiten, die manchmal beinahe wie Fremdkörper in „Nicotina“ wirken und der überzeugenden Darstellung und der Entwicklung der Charaktere zuwider laufen. Die Schauspieler/innen machen ihre Sache nämlich allesamt ziemlich gut. Allen voran Diego Luna („Dirty Dancing 2“, „Open Range“, „Terminal“, „Frida“), welcher der Rolle des eigentlich unsympathischen Spanners Lolo einiges an Menschlichkeit – und damit wieder etwas Sympathisches – abgewinnen kann. Sehenswert sind auch Jesús Ochoa und Lucas Crespi, die in der Darstellung ihrer nicht weiter ausgeführten Freundschaft, den Gangster Nene und Tomson einiges an Wärme in den Film bringen. Auch Rosa María Bianchi und Rafael Inclán überzeugen in ihrer Darstellung des Friseurpärchen, spielen nur fast vergeblich gegen ihre überzogenen Rollen an.
An „Nicotina“ wird häufig hervorgehoben, dass der Film nahezu in Echtzeit abläuft – am Anfang wird sogar in einem Telefongespräch eine Art Ablaufplan vorgestellt, der bis zur CD-Übergabe auch einigermaßen klappt – doch auch diese Betonung der Realzeit, wirkt etwas aufgesetzt und fügt dem Film keine zusätzlichen Facetten hinzu. Man weiß es nicht – doch vielleicht hätte es „Nicotina“ gut getan, auf den Hauptdarsteller „Zufall“ zu verzichten und nicht durch zusätzliche Features wie „Echtzeit“ den Versuch zu starten, den Film aufzupolieren. Denn das hätte er beim überzeugenden Spiel der Schauspieler, denen man wirklich gerne zusieht, und der guten Regiearbeit von Hugo Rodríguez, der die richtige Stimmung schafft und das richtige Tempo findet, gar nicht nötig gehabt. Wären des Weiteren ein paar „Unlogeleien“ und Fehlerchen vermieden, wären ein paar Handlungen der Protagonisten besser motiviert und wäre außerdem auf das bisschen überflüssige Heckmeck verzichtet worden, dann hätte es ein richtig, richtig guter Film werden können. Doch auch so wird „Nicotina“ seine Fans finden.