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    Private
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Private
    Von Nicole Kühn

    Stell’ Dir vor es ist Krieg und er kommt direkt in Dein Haus. Nicht in Form einer Plünderung oder Zerstörung, sondern als Besetzung des privaten Lebensraumes. Das Wohnhaus einer sechsköpfigen Familie auf einem strategisch wichtigen Stück Niemandsland zwischen einem palästinensischen Dorf und einem israelischen Militärstützpunkt wird in Saverio Costanzos Drama „Private“ über Nacht von der israelischen Armee zu einem kleinen Fort umfunktioniert. Da die Familie sich weigert, das Haus zu räumen und den Soldaten zu überlassen, arrangiert man sich: unten lebt die Familie, während das obere Stockwerk der Armee zugeteilt wird. Fortan kann sich die Familie in ihren eigenen vier Wänden nicht mehr frei bewegen.

    Das Familienoberhaupt Mohammed (ausgezeichnet für seine eindringliches Darstellung als Bester Schauspieler mit dem Goldenen Leoparden des Filmfestivals Locarno 2004 und dem Fipresci Preis des Filmfestes Buenos Aires 2005: Mohammed Bakri) ist tief überzeugter Pazifist, gleichzeitig aber keinesfalls bereit, demütig klein bei zu geben. So stellt er sich auch den plötzlich in sein Haus eindringenden Soldaten ebenso ruhig wie entschlossen in den Weg. Sein Haus zu besetzen, daran kann der Araber die israelische Armee nicht hindern. Wohl aber daran, ihn daraus zu vertreiben. So handelt er einen wahnwitzig anmutenden Deal aus. Die Familie führt nach außen hin weiterhin ein „normales“ Leben, während die Hälfte des Hauses zum militärischen Sperrgebiet wird, zu dem ihr der Zutritt strengstens untersagt ist. Mohammed kümmert sich nüchtern um die Angelegenheiten, als sei nichts Ungewöhnliches passiert: Dem Sohn bläut er die Wichtigkeit eines guten Schulabschlusses ein und der Tochter legt er ein Erfolg versprechendes Studium im Ausland nahe, während die lieber ihrer Heimat treu bleiben möchte.

    Nicht alle sind mit dieser Umgang mit der außergewöhnlichen Lebenslage glücklich. Mohammeds Frau Samiah (Arin Omary) ist verständlicher Weise um das Wohl der Kinder besorgt und meint dies sowohl in physischer wie in psychischer Hinsicht. Besonders die beiden jüngeren Kinder leiden unter dem allgegenwärtigen beobachtet sein und der enorm eingeschränkten Bewegungsfreiheit. Wie weit Mohammed bereit ist, um der Einhaltung der Vereinbarung Willen die Intimsphäre seiner Familie zu beschneiden, wird in einer nächtlichen Szene deutlich, als die Kleinste dringend zur Toilette muss. Nachts jedoch wird die Familie ins Wohnzimmer gesperrt. Was also tun? An der akuten Situation brechen die inneren Überzeugungen der einzelnen Familienmitglieder nach außen und prallen aufeinander.

    Saverio Costanzos Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit, die zwar nicht den Alltag im israelisch-palästinensischen Konflikt prägt, aber doch kein Einzelfall ist. In der kargen Landschaft der Westbank nisten sich israelische Soldaten in palästinensischen Häusern ein, und deren Bewohner arrangieren sich damit. Man kann dies durchaus als Indiz dafür lesen, dass wie in den meisten Kriegen weite Teile der Bevölkerung glücklicher wären ohne den Konflikt und im Aufeinandertreffen einzelner Individuen sich gesellschaftliche Grenzen aufheben – seien diese nun territorial, religiös oder sozial gezogen. Dass sich durch solche Arrangements Konflikte nicht in eitel Sonnenschein auflösen, zeigt Costanzo durch eine klug angelegte Charakterisierung seiner Figuren. Offensichtlich ist keiner der Beteiligten ein Gewaltfanatiker, sonst würde das Konstrukt nicht funktionieren. Jeder hat jedoch eigene Gründe, in diesem Haus zu bleiben. Ob freiwillig oder gezwungen, jeder muss sich mit der Situation auseinander setzen und entwickelt eine eigene Haltung dazu. Fokussiert auf den begrenzten und geschlossenen Raum eines Wohnhauses fächert der Film ein Portrait der krisengeschüttelten Region auf. Dabei enthält er sich Verurteilungen und Schuldzuweisungen, vielmehr gelingt es ihm, die Beteiligten nicht einfach als Zugehörige zu einer Seite des Konflikts zu zeigen, sondern als Menschen mit je eigenen Träumen, Wünschen und Vorstellungen für das Leben. Der dokumentarische Stil erzeugt Authentizität, die dem westlichen Betrachter Zugang zu einer fremden Lebenswelt verschafft. Schade nur, dass der Film nach eigener Einschätzung der Macher in Israel wohl nicht in die Kinos kommen wird, gerade weil die Darstellung der Möglichkeit des friedlichen Zusammenlebens unter schwierigen Bedingungen wohl noch zu schwer verdaulich ist für die aufgewühlte Gesellschaft.

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