Fangen wir mit dem Schönsten an: Frankreichs Cote d’ Azur ist atemberaubend. Und für den Schauplatz eines Krimis wohl einer der am meisten ansprechenden Orte Europas. Denn die Cote d’ Azur, ihr mediterranes Klima, die faszinierenden Landschaften, die stechende Sonne und der fein glitzernde Sand vor strahlend schönem Meeresblau macht selbst den blassesten Film zu einem Ereignis – dann vielleicht mehr als Naturfilm und weniger als Krimi. „Anthony Zimmer“ weiß mit diesen Elementen trickreich umzugehen, um eine gewisse „Atmosphäre“ und seichtes Kribbeln zu schaffen. Der Start gelingt zunächst, doch lässt sich schnell erkennen, dass die Landung weniger glimpflich verlaufen wird. Sophie Marceau als Bond-Girl a.D. scheint wie gemacht für die intrigante Rolle der Ciara Manzoni, sie kaschiert mitunter einige der vielen Unzulänglichkeiten und kuriosen Peinlichkeiten einer einfallslosen Story und weiß den Zuschauer allein durch ihre Präsenz zu begeistern. Ihr Widerpart, der von dem in Deutschland wohl eher unbekannten Schauspieler Yvan Attal gespielt wird, kann sich nicht wirklich für ein aussagekräftiges und starkes Schauspielertalent empfehlen und bleibt neben der rassigen Französin recht blass.
Die Story und Entwicklungslinien des Verwirrspiels um den mysteriösen Geldwäscher „Anthony Zimmer“ spiegeln gängige (und verbrauchte) Klischees wider und erfüllen daher nur die Voraussetzungen eines mittelmäßigen Films. So liest sich der Plot wie ein Déjà-vu, da war doch irgendetwas?!: Millionenschwerer Geldwäscher unterzog sich jüngst einer kosmetischen Gesichtsoperation (sehr außergewöhnlich) und streift nun auf der Flucht vor resoluten Rächern durch die Lande. Ein Lockvogel in Gestalt einer unwiderstehlichen Aphrodite (innovativ) verstrickt einen Unschuldigen in die Angelegenheit, der nun für die Missetaten des „Anthony Zimmer“ den Kopf herhalten soll. Nichts ahnend erregt der dümmliche Tollpatsch (Yvan Attal) Mitleid bei den Drahtziehern des trickreichen Komplotts; die Situation scheint zu eskalieren. Wer ein wenig länger bis zum Ende des Films ausharrt, in Erwartung eines famosen und dem mittlerweile gespitzten Verstand würdigen „Abklingens“, der sei hier vorsorglich enttäuscht. Und vorgewarnt: Der ganze Plot ergibt am Ende wenig Sinn und bewegt sich weithin am Rande des Debilen, um dem einfallsreichen Modewort einmal eine Chance zu geben – hier passt es vortrefflich.
Hollywood hätte wahrscheinlich noch einen anziehenden Reißer aus der Angelegenheit herausschlagen können. Der eher kleineren Filmfabrik Frankreich fehlt hierzu die nötige Ausstattung, um aus lupenreinem Abfall vermeintliches Gold zu machen. Dies ist insofern verwunderlich, da Frankreich sich ja im internationalen Vergleich nicht zu verstecken braucht. Die fabelhafte Welt der Amelie, zuletzt Mathilde - Eine große Liebe waren die besten Belege für die Qualität des französischen Kinos, nicht zu denken an die Denkmalsetzungen Luc Bessons mit „Léon – Der Profi“ und Das fünfte Element in der Mitte der neunziger Jahre. Aber was war das denn bitte? Frankreich, wo sind deine poetischen, fantastischen und immer wieder unkonventionellen Geschichtchen geblieben? – überlass’ die Standards lieber der Massen verarbeitenden Industrie, die zumindest das Budget für wilde und kostspielige Autoverfolgungen und verschwenderische Schießereien besitzt. Und versuch’ auf der anderen Seite bitte nicht Tiefe und Anspruch zu versprechen, wo nichts von alledem zu finden ist.
Was einem direkt in den Sinn kommt, wenn man „Anthony Zimmer“ gesehen hat, ist, dass dieser Film tatsächlich das Potential für einen großartigen und spannenden Gangster-Film gehabt hätte. Abgesehen von der Fehlbesetzung des Francois Taillander und der überaus schwachen Story, entwickelt der Film viel Gefühl für atemberaubende Kameramotive- und Führungen, die die malerischen Hintergrundlandschaften feinsinnig und gezielt einfangen. Und man weiß sofort, warum Filme erst durch ihre originellen Schauplätze an Klasse und tief gehender Dimension gewinnen – bei „Anthony Zimmer“ reicht das allein leider nicht. So hat man das ungute Gefühl, dass einiges an Ressourcen und Qualitäten für ein schwaches Drehbuch und eine noch schwächere Umsetzung vergeudet wurden.
Letztendlich also bleibt der Film ein äußerst vorhersehbares und uninspiriertes Verwirrspiel, das sich zu allem Übel an dieser Stelle auch noch den direkten Vergleich zu Hitchcocks Der unsichtbare Dritte und als Genre-Film zum aktuellen Gattungsprimus Ocean´s Eleven gefallen lassen muss, auch wenn Idee und Plot grundsätzlich verschieden sind. Was Hitchcocks populären Klassiker angeht, ist einiges an Material abgekupfert, ja plagiiert worden zu sein. Diese Erkenntnis macht dann auch für einen kurzen Moment sehr traurig. Wie dreist und einfallslos muss man sein, um einen solchen einmaligen Klassiker so verkürzt und verfälscht zu adaptieren, dass man an jedweder vermeintlichen Befähigung und Berechtigung des Produzenten zweifeln muss. Macht sich jetzt auch noch die Krankheit der modernen Musikindustrie – selten wurden so schlechte Coversongs erfolgreich vermarktet – in der Filmindustrie, dazu in der europäischen, breit? Selber Schuld, wer solch’ Abklatsch unterstützt oder auf das abgebrühte Marketing der Filmverleiher hereinfällt.
Ein kleiner Trost zuletzt: Irgendwann muss sich jeder Film einmal an den Meilensteinen seiner Gattung oder seiner Herkunft messen lassen – selbst wenn dies nicht immer angemessen und sinnvoll erscheint wie im Falle von Luc Bessons modernen Klassikern oder „Ocean´s Eleven“ – ,ein Film ist ein Exot, ein Meilenstein selber, oder aber ein Film, der in einer Reihe von anderen vergleichbaren Filmen steht. Anthony Zimmer bleibt plagiierte Mängelware und damit einer der eindeutigen Verlierer des beliebten Genres.