Die bessere "Fluch der Karibik"-Fortsetzung!
Von Christoph PetersenNach dem von einer Disneyland-Bootsfahrt inspirierten Welthit „Fluch der Karibik“ plante der Mäusekonzern 2003 direkt zwei Fortsetzungen zu der augenzwinkernden Freibeuter-Extravaganz mit Johnny Depp als torkelndem Piratenkapitän Jack Sparrow. Zugleich sollte aber möglichst schnell auch noch eine weitere Wasserpark-Attraktion zu einem Blockbuster verarbeitet werden: Bereits 2004 gab es deshalb die Idee, das Amazonas-Fahrgeschäft „Jungle Cruise“ zu verfilmen – und 2011 kamen zwischenzeitlich sogar die „Toy Stoy“-Co-Star Tom Hanks und Tim Allen als Hauptdarsteller mit an Bord. Noch mal schlappe zehn Jahre später ist es nach etlichen weiteren Anläufen nun unter der Regie von Jaume Collet-Serra („The Shallows“) so weit – und das ist auch der Beharrlichkeit von Ex-Wrestler Dwayne Johnson zu verdanken.
Schließlich war es der seit einigen Jahren bestbezahlte Schauspieler des Planeten, der unbedingt Emily Blunt als Co-Star mit an Bord seines Amazonas-Dampfers holen wollte. Die hatte nach einigen Großproduktionen in Folge (u. a. „A Quiet Place“ und „Mary Poppins‘ Rückkehr“) allerdings geplant, erst mal eine Pause einzulegen. Nicht mal das Skript zu „Jungle Cruise“ wollte sie lesen. Erst ein persönliches Video von Johnson konnte sie langsam zum Einlenken bewegen – und tatsächlich liegt es nun vor allem an Blunts schlagfertigem britischen Charme sowie der unbestreitbaren Chemie mit ihrem Co-Star, dass „Jungle Cruise“ sich als angenehm klassisch-elegante, großartig ausgestattete und dabei wunderbar spritzige Abenteuer-Unterhaltung in der Tradition von „African Queen“ entpuppt.
Ein super Team, gerade weil sie sich so viel Kabbeln - Emily Blunt als Lily und Dwayne Johnson als Frank!
1916 in Brasilien: Der Dampfschiff-Kapitän Frank Wolff (Dwayne Johnson, „Red Notice“) hat sich darauf spezialisiert, seinen Passagieren mit allerlei Geisterbahn-Tricks so viel Angst einzujagen, dass er ihnen noch ein paar Scheinchen extra aus den Rippen leiern kann, solange sie es nur heil wieder zurück an den Anleger schaffen. Auch in der gerade eingetroffenen Wissenschaftlerin Dr. Lily Houghton (Emily Blunt) meint er, ein leichtes Opfer zu erkennen – aber da hat er die Rechnung ohne die Schlagfertigkeit und das Durchhaltevermögen der hosentragenden Londonerin gemacht.
Gemeinsam mit ihrem Bruder MacGregor (Jack Whitehall) forscht Lily nach dem legendären Baum des Lebens, dessen Blüten angeblich jede Krankheit heilen sollen. Allerdings sind sie nicht die einzigen: Auch der deutsche Prinz Joachim (Jesse Plemons) ist mit seinem U-Boot auf der Suche nach dem Wunder-Gewächs – und dann sind da noch der Konquistador Aguirre (Edgar Ramírez) und seine Männer, die angeblich bereits seit 400 Jahren an den Ufern des Amazonas herumspuken…
Amazonas statt Karibik, Geister-Konquistadoren statt Geister-Piraten – die Parallelen zwischen „Jungle Cruise“ und „Fluch der Karibik“ beschränken sich längst nicht nur auf den Ursprung als Fahrgeschäft im Disneyland. Stattdessen ist auch ganz allgemein der Tonfall der beiden Blockbuster sehr ähnlich: „Jungle Cruise“ ist klassisches Abenteuer-Kino mit turbulenter Action, landschaftlichem Eye Candy, einem Klacks düsterer Fantasy – und dazwischen immer wieder trockenhumorigen Wortgefechten zwischen Emily Blunts Lily und Dwayne Johnsons Frank, die sich als das eigentliche Highlight des Films erweisen. Deshalb lässt der Film auch zum Ende hin ein wenig nach, wenn der große Showdown einsetzt – weil zwischen all der Fantasy-Action eben nur noch wenig Zeit für die tollen Dialoge bleibt.
Dass Emily Blunt kecke Sprüche so trocken präsentiert wie kaum eine andere Schauspielerin, wussten wir natürlich schon vorher – aber an ihrer Seite läuft auch Dwayne Johnson zur Hochform auf. Selbst der potenziell extrem nervige Running Gag, dass Frank bei seinen Amazonas-Touren regelmäßig die schlechtesten Wortspiele seit Menschheitsgedenken abfeuert, zündet – zumindest in der englischen Originalfassung – unerwartet zuverlässig. Nur in einer Hinsicht enttäuscht die Performance des Superstars: Frank ist ja ein Betrüger, der seine Gäste inklusive Lily ohne mit der Wimper zu zucken übers Ohr haut. Aber während man Johnny Depp als Pirat Jack Sparrow eine solch ambivalente zweite Ebene sofort abnimmt, steht Johnson sein eigener Knuddel-Charme im Weg: Das Verschlagene an seinem Dampfschiff-Kapitän glaubt man ihm einfach nicht.
Was auch immer da auf sie zukommt - es ist sicherlich nichts Gutes!
Von den namhaften Co-Stars wie Paul Giamatti („Sideways“) als Kredithai mit Goldzahn oder Edgar Ramírez („Point Break“) als jahrhundertealter Konquistador ragt vor allem Jesse Plemons („The Irishman“) als soziopathischer Sprössling von Kaiser Wilhelm heraus: Nicht nur ist sein Deutsch in der englischen Originalfassung köstlich – man muss auch einfach gesehen haben, wie er sich in seinem U-Boot, das so gar nicht für die engen Windungen des Amazonas geeignet ist, ausgerechnet von einer Honigbiene den Weg erklären lässt. Eine urkomische, aber trotzdem noch erschreckende Karikatur eines typischen „Indiana Jones“- oder „007“-Bösewichts.
Apropos Honigbiene: Die geisterhaften Konquistadoren sind sogar noch spannender designt als die auch schon sehr gelungenen Geister- und Zombie-Piraten in den „Pirates Of The Caribbean“-Filmen. Jeder hat ein spezielles Thema, das etwas mit dem Amazonas und dem Dschungel zu tun hat. So sieht einer von ihnen aus, als wäre er zur Hälfte ein honigtropfender Bienenstock – während sich unter der halbtransparenten Haut von Aguirre die Schlangen tummeln. Ebenfalls gelungen-clever und nicht allzu aufdringlich sind die Anspielungen auf die Fahrgeschäft-Wurzeln des Projekts, etwa wenn Frank seine Bootsgäste mit Hilfe selbstgebastelter Amazonas-Apparaturen das Fürchten lehrt.
Fazit: „Jungle Cruise“ ist besser als alle „Fluch der Karibik“-Sequels. Jaume Collet-Serra liefert trotz der modernen CGI-Effekte einen durch und durch klassischen Abenteuerfilm mit Fantasy-Einschlag, bei dem das schlagfertige Gezanke zwischen den Stars mindestens genauso viel zum Unterhaltungswert beiträgt wie die sichtbar teuren Schauwerte. Jesse Plemons und vor allem Emily Blunt stehlen dabei immer wieder die Show.