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    Elektra
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Elektra
    Von Carsten Baumgardt

    Erkenne den Trend und hechle ihm nicht hinterher! Wer diese Einstellung in Hollywood beherzigt und perfekt umsetzen kann, wird sich ein Vermögen verdienen. Leider ist das Realisieren dieser Theorie in die Praxis weit schwerer als es klingt. Nach den gigantischen Einspielergebnissen von „Spider-Man“ und „Spider-Man 2“ lagen Comic-Verfilmungen voll im Trend, aber die letzten Großproduktionen jagten dem aktuellen Geschmack des Publikums schon wieder hinterher. „Hulk“ blieb hinter den Erwartungen zurück, „The Punisher“ und „Hellboy“ floppten an der Kinokasse, „Catwoman“ gab sich dank erbärmlicher Qualität der Lächerlichkeit preis und floppte heftig, doch den Vogel in Sachen kommerzieller Bauchlandung schoss jetzt Rob Bowmans „Daredevil“-Spinoff „Elektra“ ab. Bei einem Budget von 45 Millionen Dollar wird das Jennifer-Garner-Vehicle in den USA nicht mehr als 25 Millionen Dollar einspielen. Die Kritiken der US-Presse, die von „vernichtend“ bis maximal „durchschnittlich“ reichten, taten ihr übriges hinzu. Dabei ist das Action-Drama nicht halb so übel, wie es gemacht wurde. Sicherlich ist die Liste der Mängel lang, aber atmosphärisch und optisch ist „Elektra“ tadellos und der Unterhaltungswert grundsolide.

    Elektra (Jennifer Garner) ist die perfekte Kampfmaschine. Seit frühester Kindheit hat sie ihre Martial-Arts- und Messerkünste geschult, nur ihre Ungeduld und Unbeherrschtheit kommen ihr manchmal in die Quere. Deshalb verließ sie auch die Ausbildung ihres blinden Senseis Stick (Terence Stamp), der sie nach ihren tödlichen Verletzungen im Kampf mit Bullseye (in „Daredevil“) durch seine magischen Kräfte wieder ins Leben zurückgeholt hat. Elektra verdient sich ihre Brötchen nun als hochbezahlte Auftragskillerin, ist aber mental völlig abgestumpft und auf der Suche nach sich selbst. Ihr aktueller Job bringt sie in eine schwierige Lage. Die Kampfamazone soll ihren neuen Nachbarn Mark (Goran Visnjic) und dessen Tochter Abby (Kirsten Prout) eliminieren. Da sie die beiden bereits kennen gelernt hat, macht sich plötzlich ihr verloren geglaubtes Gewissen bemerkbar und sie entwickelt sich stattdessen zu Marks und Abbys Beschützerin. Das Verbrechensyndikat „The Hand“ hat es auf die beiden abgesehen und will sie unbedingt umbringen...

    Der Charakter der Elektra tauchte in dem Marvel Comic „Daredevil“ das erste Mal 1980 im 168. Heft auf. Elektras außergewöhnlicher Name entstammt wohl der griechischen Mythologie. Dort war sie die Tochter des mykenischen Königs Agamemnon und seiner Gemahlin Klytämnestra. Passend dazu hat sie als Kind einen Hund namens

    Agamemnon, der aber bei einem Attentat auf sie getötet wurde. Im Comic-Universum ist Elektra die Tochter eines griechischen Botschafters namens Hugo Natchios, was bei der Filmversion allerdings als Grundwissen vorausgesetzt wird. Im Gegensatz zu vielen ihrer Marvel-Kollegen hat Elektra keine Superkräfte im herkömmlichen Sinne. Sie kann sich aber blitzschnell bewegen, so dass es manchmal für das Auge kaum nachvollziehbar ist und beherrscht zudem die Technik des Kimagure, kann durch mentale Konzentration einen kurzen Blick in die Zukunft werfen. Ihr Outfit, das in „Daredevil“ viel Kritik der Fans hervorrief, ist dem Comic diesmal wesentlich näher und auch im traditionellen Rot gehalten.

    Die Fan-Aufregung um die Besetzung von Jennifer Garner („30 über Nacht“, „Catch Me If You Can“), die Elektra bereits in der kommerziell erfolgreichen „Daredevil“-Verfilmung verkörperte, ist dagegen völlig unbegründet. Im Gegenteil. Der Star der TV-Serie „Alias“, in der Garner bereits reichlich Erfahrung als Superagentin sammeln konnte, ist das Beste, was „Elektra“ zu bieten hat. Der Schauwert, Garner auf der Leinwand in Aktion zu sehen, bewahrt den Film in letzter Konsequenz vor dem Untergang. Sie dominiert die Szenerie mit Ausstrahlung und Coolness. Dies gilt für die meisten ihrer Mitstreiter leider nicht. „Emergency Room“-Star Goran Visnjic (“Projekt: Peacemaker”) hinterlässt zwar ebenso einen soliden Eindruck wie Nachwuchsamazone Kirsten Prout, aber Charaktermime Terence Stamp („Voll frontal“, „The Limey“, „Priscilla – Königin der Wüste“), der mit „Superman“ und „Superman 2“ bereits Comic-Erfahrung hat, spielt als blinder Oberguru zwischen gutmütiger Weisheit und schlichter Lächerlichkeit. Der Brite wirkt wie eine verunglückte Altersheim-Version von Karate Kids Mr. Miyagi. Der Charakter des Stick tauchte bereits in den „Daredevil“-Comics auf, wo er auch Matt Murdock das Kämpfen lehrte.

    Die Fraktion der Bösewichte bleibt über weite Strecken blass. Weder Will Yun Lee („Stirb an einem anderen Tag“) als filigraner Kämpfer Kirigi, Natassia Malthe („40 Tage und 40 Nächte“) als Todesküsse austeilende Typhoid, Bob Sapp als eisenharter Stone noch Chris Ackerman als Tattoo, aus dessen Körpertätowierungen allerlei bösartiges Getier entspringen kann, bilden charismatisch gleichwertige Gegner für Jennifer Garner. Warum „The Hand“, deren Zentrale in einer Pagode auf einem Hochhaus in Tokio untergebracht ist, so scharf auf die scheinbar harmlosen Mark und Abby ist, enthüllt sich erst im Verlauf der Handlung.

    Die Story entpuppt sich als weiterer Schwachpunkt von „Elektra“. Das gleiche Problem, das schon Ang Lees „Hulk“ schwer zu schaffen machte, sucht auch Rob Bowman („Akte X – Der Film“, „Suspect Zero“, „Die Herrschaft des Feuers“) bei seiner „Elektra“-Verfilmung heim. Das Drehbuchteam Raven Metzner, Stu Zicherman und Zak Penn („Suspect Zero“, „X-Men 2“) verwendet viel Zeit darauf, Elektras Charakter in für Comicverhältnisse epischer Breite einzuführen, um den Zuschauer für ihr Schicksal zu interessieren - immerhin ist sie eine kaltblütige Attentäterin. Nach einer stilvoll und rasant inszenierten Eröffnungssequenz, die Elektra in tödlicher Mission zeigt, dauert es lange, bis die nächste packende Actioneinheit auf der Leinwand zu sehen ist. Die Kampfszenen mit den Handlangern des Syndikats „The Hand“ sind ansprechend, aber keineswegs bahnbrechend oder neuartig und zudem noch relativ kurz gehalten. Die Choreographie ist recht simpel, aber funktionell. Lediglich im großen Finale, dessen Symbolik stark an „Hero“ erinnert, lässt Bowman noch einmal richtig aufdrehen.

    Entgegen der inhaltlichen Schwächen überzeugt „Elektra“ optisch und atmosphärisch nahezu auf ganzer Linie. Kameramann Bill Roe („Wyatt Earp“) setzt das visuelle Konzept, das phantastische Landschaftsaufnahmen (in der Nähe von Vancouver gefilmt) in die Action-Szenerie einbindet, hervorragend um, der ausgesprochen stimmige Score von Christophe Beck unterstützt dies stilvoll. Warum sich Bowman mit den zahlreichen Rückblenden auf Elektras traumatische Kindheit selbst den Wind aus den Segeln nimmt und den straffen Fortlauf der Handlung immer wieder unnötigerweise unterbricht, bleibt ein Rätsel. Nach der x-ten Wiederholung hat auch der letzte Zuschauer begriffen, was Elektra als Kind durchgemacht hat.

    So wechseln sich Licht und Schatten in der Comic-Verfilmung „Elektra“ in schöner Regelmäßigkeit ab. Der Film, der Elemente aus „Catwoman“, „X-Men“, „Kill Bill“ und „Karate Kid“ kombiniert, erweist sich zusammengenommen zwar als halbgare Mischung, aber so schlecht wie ihn ein Großteil der US-Presse machte, ist er lange nicht. „Elektra“-Fans sollten ihre Ansprüche, die durch die gewaltige negative Publicity-Welle eh schon geschrumpft sind, herunterschrauben und sich an den positiven Seiten des Films erfreuen. Denn trotz aller Schwächen schafft es „Elektra“, auf solidem Niveau zu unterhalten. Das verhindert jedoch nicht, dass die Frage, die Abby Elektra am Ende stellt, mit einem klaren „Nein“ beantwortet werden kann. „Werden wir uns jemals wiedersehen...?“ Link-Tipp: CD-Kritik „Soundtrack - Elektra: The Album"

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