"This thing, it grabs hold of us again at the wrong place, at the wrong time, and we're dead."
„Brokeback Mountain“ von 2005 sorgte für viel Aufsehen. Basierend auf der Kurzgeschichte von Annie Proulx, verfilmte Ang Lee den Stoff und lieferte damit nicht nur einen seiner besten Filme ab, sondern auch eins der wichtigsten Werke in der LGBT-Community. Die Geschichte über zwei homosexuelle, amerikanische Männer in den 60ern sorgte für viel Wirbel, gerade bei religiösen Gruppierungen. Die verurteilten den Film natürlich, wie auch viele andere. „Brokeback Mountain“ wurde schnell der „Film mit den schwulen Cowboys“. Allein das sagte so viel darüber aus, wie die Reaktionen auf den Film waren, noch bevor man ihn überhaupt gesehen hatte.
Lees Werk gewann drei Oscars: Beste Filmmusik, bestes adaptiertes Drehbuch und beste Regie. Der Film hätte aber noch deutlich mehr Trophäen abgreifen können und vielleicht auch sollen. Verwunderlich für viele war der Sieg von „L.A. Crash“ als bester Film. Doch am Ende ist es eben „Brokeback Mountain“ gewesen, der sich als wahrer Sieger durchsetzen konnte. Für mich nicht nur der beste Film 2005, sondern auch einer meiner Lieblingsfilme, der die Filmlandschaft revolutionierte.
Im Jahre 1963 sollen der Rancher Ennis del Mar und Rodeoreiter Jack Twist Schafe auf dem Brokeback Mountain hüten. In der langen und einsamen Zeit kommen sich die beiden einsamen Seelen näher und verlieben sich ineinander. Doch angesichts der engstirnigen Zeit wissen beide, dass ihre Liebe keine Zukunft hat. Beide heiraten, kriegen Kinder und führen ein "normales" Leben über viele Jahre. Eines Tages finden beide den Weg wieder zueinander und es ist so, als ob sie sich nie getrennt hätten, allerdings hat sich die Ansicht der Gesellschaft ebenso wenig verändert. Für Ennis und Jack beginnt eine harte Zeit, in der nicht nur ihre Liebe auf die Probe gestellt wird...
In erster Linie ist „Brokeback Mountain“ eine dramatische Liebesgeschichte. Jack und Ennis finden zueinander und lernen sich zu lieben. Und allein in der Hinsicht ist der Film wirklich großartig umgesetzt. Es sind vor allem die fantastischen, natürlichen Dialoge von Larry McMurtry und Diana Ossana, die den Film so authentisch und erschreckend realistisch machen (absolut verdienter Oscar!). Gleichzeitig nimmt der Film sich immer wieder Zeit seine Figuren auch ohne Text zu zeigen. Blicke, Gesten und andere kleine körperliche Reaktionen sind oftmals so viel spannender als lange, erklärende Monologe und „Brokeback Mountain“ hat das verstanden. Und es sind nicht nur Ennis und Jack, mit denen man als Figuren sympathisieren kann. Deren Frauen, Alma und Lureen, müssen ebenfalls einiges ertragen und man fühlt mit ihnen mit. Der Film ist so gut in seiner Figurendarstellung, dass man so ziemlich alle Charaktere nachvollziehen kann. Es gibt keine Bösen, sondern Menschen mit verschiedenen Hintergründen. Und das zeigt sich bei keinem besser als bei Ennis del Mar.
Hier zeigt sich, warum „Brokeback Mountain“ so wichtig ist. Über Jahrzehnte hinweg wurde uns von den Medien und der Gesellschaft das Bild des starken Mannes eingetrichtert. Egal ob „Rambo“, „Rocky“ oder irgendein Schwarzenegger-Film. Gerade das Actiongenre in den 70ern, 80ern und 90ern prägte dieses Bild. Doch vor allem das Western-Genre zementierte diese Ansichten. Ein Cowboy war so ziemlich das coolste und „männlichste“ Idol für viele (auch für mich). Und genau hier setzt „Brokeback Mountain“ an. Ennis will sich selbst als dieses starke Vorbild sehen und zeigen. Gefühle werden nicht zugelassen. Wenn was gesagt wird, dann nur das Nötigste. Und als es zur ersten intimen Begegnung der beiden kommt, muss Ennis das hinter körperlicher Gewalt verstecken. Er ist jemand ganz anderes, aber die Gesellschaft hat ihn in eine andere Rolle gezwängt. Und der Film zeigt auf beeindruckende und herzzerreißende Art, was das für Auswirkungen hat.
Auch Jack, der seiner Homosexualität deutlich offener gegenüber steht, muss immer wieder lügen und vor seinen Neigungen fliehen. Denn das Leben als homosexueller Mann (oder sicherlich auch Frau) war in dieser Zeit nicht nur unerwünscht, sondern auch gefährlich.
Ein Grund, warum die Figuren so nachvollziehbar und trotz ihrer Fehler sympathisch wirken, ist dem grandiosen Cast zu verdanken. Jake Gyllenhaal ist wie immer fantastisch und vor allem Heath Ledger bewies hierdurch, was für ein talentierter Schauspieler er war (was für eine Schande, dass er nur drei Jahre hier nach verstarb!). Sein Darstellung von Ennis ist wirklich hervorragend und faszinierend... und hätte für mich gern mit dem Oscar belohnt werden dürfen (nominiert war er zumindest). Ebenfalls berührt hat mich Michelle Williams als Ennis´ Frau, die ebenso stark unter der heimlichen Liebe von Ennis und Jack gelitten haben muss. Bis in die kleinste Nebenrolle großartig besetzt und gespielt. Und es gibt sogar einen schönen Auftritt von Anna Faris („Scary Movie“) und einem jungen David Harbour (Hopper aus „Stranger Things“).
„Brokeback Mountain“ ist nicht nur wundervoll geschrieben, inszeniert und gespielt, sondern auch beeindruckend anzusehen. Die Kamera von Rodrigo Prieto fängt die Landschaft von Wyoming zauberhaft ein und gibt ein Gefühl des Friedens, der Abgeschiedenheit. Im Film ist der „Brokeback Mountain“ ein paradiesischer Ort, an dem sich Ennis und Jack zurückziehen können und genau das vermittelt die bildgewaltige Optik. Umso passender, dass viele Einstellungen später deutlich eingeengter wirken, wenn beide versuchen ihr „Normales“ Leben zu leben. Nur wenn sie zusammen in der freien Natur sind, gibt die Kamera einem das Gefühl von Freiheit.
Zu guter Letzt gesellt sich der unscheinbare, aber kraftvolle Soundtrack von Gustavo Santaolalla dazu, der mit "Brokeback Mountain" seinen ersten Oscar gewann. Zarte Gitarrenklänge gemischt mit einer starken Songauswahl ergeben eine unaufdringliche und gefühlvolle Soundtrack-Untermalung.
Fazit: Kaum ein anderer Film konnte das tabuisierte Thema so eindrucksvoll und wichtig auf die Leinwand bringen, wie „Brokeback Mountain“. Ang Lees Werk war 2005 seiner Zeit voraus. In einer Welt, die nach wie vor viel Homophobie beherbergt, ist ein Film wie „Brokeback Mountain“ auch heute noch wichtiger den je. Nebenbei ist das Ganze auch abseits seiner Bedeutsamkeit ein wundervolles und bewegendes Filmerlebnis. Ein Meisterwerk!