Nach Krieg der Welten und Die Insel ist der Actionbedarf der Zuschauer in diesem Kinosommer schon einigermaßen bedient. Aber Regisseur Rob Cohen (xXx – Triple X, The Fast And The Furious) legt nach und bringt mit „Stealth“ ein Navy-Fliegerabenteuer auf die deutschen Leinwände. Allerdings unterfliegt er damit mühelos sämtliche Geschmacksgrenzen.
Doch leider muss das Kinopublikum mit diesem Film einige schmerzhafte Kompromisse eingehen. In den Vereinigten Staaten konnte „Stealth“ die Erwartungen bereits nicht erfüllen und floppte mit einem Budget von 130 Millionen Dollar bei einem kläglichen US-Einspiel von 32 Millionen Dollar gnadenlos. In Deutschland dürfte sich dies kaum verbessern, zumal die Mehrheit der Deutschen der Hurra-Kampfmentalität der amerikanischen Streitkräfte entgegensteht und aufgrund dieser Tatsache der Sympathiebonus des US-Publikums hierzulande ersatzlos ausfällt. Filmcrew und US Navy rühmen sich, in gegenseitiger Unterstützung realistische Schicksale von Kampfpiloten zu porträtieren und die Streitkräfte positiv darzustellen. Das ist der eigentliche Schock des Films: Piloten ignorieren direkte Abbruchbefehle der Kommandozentrale, ziehen in bester Cowboymentalität ihr Ding durch, schießen russische Flieger in deren eigenem Luftraum ab und werden bei der Rückkehr nicht einmal zurechtgewiesen (geschweige denn, dass ihnen für Befehlsverweigerung die Fluglizenz entzogen wird). Wenn so die Navy-Realität aussieht, sollten wir uns echte Sorgen machen, sonst steht der Dritte Weltkrieg zur nächsten Sommerblockbuster-Saison ins Haus.
Die Story von „Stealth“ ist schnell erzählt. Es geht um die Zukunft der Kriegsführung mit von künstlicher Intelligenz gesteuerten Kampfflugzeugen. Bisher machen diesen Job Ben Gannon (Josh Lucas), Kara Wade (Jessica Biel) und Henry Purcell (Jamie Foxx). Ihr Eliteteam wird nun von dem Supercomputer EDI ergänzt, den ihr Führungsoffizier Cummings (Sam Shepard) als die perfekte Waffe beschreibt. Doch schon bald stellen sich Probleme mit EDI ein, er reagiert nicht wie gewünscht auf Befehle und schert aus der Staffel aus. Die drei menschlichen Piloten sollen die amoklaufende Maschine nun schnellstmöglich und ohne öffentliches Aufsehen zu erregen wieder einfangen und riskieren dabei Kopf und Kragen.
Natürlich öffnet dieses Szenario drastischer Action Tür und Tor. Regisseur Rob Cohen nimmt diese Einladung des Drehbuchs dankend an und bedient sich dabei erstaunlicherweise eines Stils, der eher an Regie-Kollege Michael Bay (Die Insel, Bad Boys II) erinnert: überdimensionale Explosionen bestimmen das Bild, die aus allen Blickwinkeln in ihrer spektakulären Wirkung gezeigt werden. Einfach alles geht hier zu Bruch. Der hohe Schauwert wird von der komplexen Technik, mit der die Flugmanöver dargestellt werden, gehalten. Allerdings zappelt Hauptdarsteller Josh Lucas (Hulk, Sweet Home Alabama) hinter dem Steuerknüppel so hilflos herum, dass man ihm den stählernen Kampfpiloten nicht mehr abkauft. Seiner Figur Ben Gannon fehlt es an Tiefgang und Führungspersönlichkeit. Stattdessen verkörpert er den selbstbewussten, breitbeinigen Haudrauf-Cowboy. Ihm zur Seite steht mit Jessica Biel (Blade: Trinity, Texas Chainsaw Massacre) als einziger Frau im Film das Pseudo-Gewissen der Staffel, das zwar bei jedem Manöver die prognostizierten zivilen Opferzahlen ansagt, aber dann artig verstummt, wenn Womanizer Gannon den Schießbefehl gibt. Ergänzt wird das Team vom großspurigen Henry Purcell, dessen Figur für Oscar-Preisträger Jamie Foxx (Collateral, Ray) einfach überhaupt keine Möglichkeit zur eindringlichen Performance bietet.
Seit Filmen wie Top Gun ist ja bekannt, dass die Piloten der Gegenseite (meistens die Russen) fliegerisch überhaupt nichts draufhaben und relativ einfach vom Himmel geholt werden können, aber „Top Gun“ überdeckte diesen patriotischen Seitenhieb durch Figuren mit Tiefgang, Konflikten und Schwächen. Diese Vorzüge sucht man in „Stealth“ meist vergeblich. Wo Tom Cruise als Maverick wochenlang zum Nachdenken den Dienst quittierte, reicht heute ein einfaches „Gott hat ihn zu sich geholt“, um den Tod eines Kameraden zu verarbeiten. Die Menschlichkeit wird auch durch die Liebesgeschichte zwischen Biels Charakter und Ben Gannon nicht hergestellt. Nur in einer Szene gelingt der Aufbau einer mitfühlenden Spannung richtig: Mitten in der Jagd auf EDI muss Kara Wade aus ihrer abstürzenden Maschine aussteigen und gerät mit dem Fallschirm unter die brennenden Trümmerteile ihres Flugzeugs (was allerdings nach physikalischen Gesetzen hanebüchen ist). Dieser Alptraum jedes Piloten erzeugt im Zuschauer erste Anflüge von Sympathie, die Cohen aber schnell wieder riskiert, als er seine Protagonistin in plattester Rambo-Manier durch die feindlichen Linien im nordkoreanischen Dschungel schickt.
Freunde des spektakulären Action-Adventures, cooler Sprüche und großer Stunts werden mit einer Eintrittskarte für den No-Brainer „Stealth“ einigermaßen gut beraten sein. Wer nach politischer Differenziertheit, tiefgängiger Auseinandersetzung mit Krieg und der Zukunft künstlicher Intelligenz oder auch nur ein Fünkchen Logik sucht, wird diese in Cohens Fliegergurke allerdings nicht finden.
Link-Tipp: CD-Kritik „Soundtrack – Stealth”