„When I arrive at my destination, I am gonna kill Bill.“
Weil der ursprüngliche Cut von „Kill Bill“ vier Stunden ging, entschied sich Tarantino das ganze in zwei Teile zu splitten. 2003 erschien „Vol. 1“ und nur sechs Monate später kam „Vol. 2“ in die Kinos. Nun ist der Film bereits 20 Jahre alt und schon damals hatte das Werk großen Einfluss auf mich. Dennoch wurde „Vol. 2“ von vielen Fans gemischter aufgenommen als der erste Teil. Warum? „Vol. 2“ ist vom Grundton her sehr anders. Der visuelle Stil beispielsweise ist immer noch sehr kraftvoll und stellenweise großartig überzogen, doch größtenteils deutlich intimer und ruhiger. Das liegt in erster Linie natürlich an der Struktur des Films, denn Teil 2 enthält viel weniger Action und deutlich mehr intensive Dialog-Szenen. Das ergibt auf den ersten Blick wenig Sinn und auch heute noch muss man denke ich in der richtigen Stimmung für den jeweiligen Film sein. Tarantino schuf zwei sehr unterschiedliche Werke, die aber eigentlich zusammengehören. Sofort kommt in mir das Bild des Yin und Yang hoch, in dem zwei völlig unterschiedliche Seiten dennoch eins ergeben. Wenn man dann akzeptiert hat, dass „Vol. 2“ ein sehr anderer Film ist als „Vol. 1“, dann kann man ein weiteres Tarantino-Meisterwerk genießen!
Die Braut hat zwei Leute ihrer Liste erledigt, jetzt fehlen noch drei. Die erste Station ist Budd, Bills Bruder. Doch der wartet mit einer Überraschung auf Kiddo. Währenddessen erfahren wir mehr über Bill und seine Beziehung zu Kiddo, sowie ihr hartes Training beim Kung Fu-Meister Pai Mei…
Während sich Tarantino in „Vol. 1“ an vielen japanisch, chinesischen Filmklassikern orientierte, sind seine Vorbilder für „Vol. 2“ ganz klar im Western zu lokalisieren. Viele Elemente kennt man, doch ähnlich George Lucas bei „Star Wars“, kreiert Tarantino hier etwas ganz Eigenes, Neues. „Kill Bill“ ist für mich ein brutales, aber irgendwie auch wunderschönes Märchen der Moderne. Alles sieht nach unserer Welt aus, aber es gelten andere Gesetze. So etwa gibt es in diesem Film hier den Kung Fu-Meister Pai Mei, der auf einer wahren Figur basiert, aber Techniken wie die „Fünf-Punkte-Pressur-Herzexplosions-Technik“, die zwar in der echten Welt völlig absurd ist (auch wenn sie auf echten Prinzipien in bestimmten Kampfkünsten basiert), aber in einem modernen Märchen wie „Kill Bill“ perfekt zum Grundkonzept passt. Sich auch aus einem verbuddelten Sarg heraus zu graben, ist natürlich nicht sehr realistisch, aber Uma Thurman als Kiddo hat durch ihren starken Willen auf Rache eben übermenschliche Kräfte entwickelt und das nicht erst in „Vol. 2“.
Die Action kommt hier dennoch sehr kurz. Es gibt einige großartige Kämpfe, allen voran Kiddo Vs Elle Driver oder auch die Trainings-Montage mit Pai Mei. Der finale Showdown mit Bill jedoch ist dagegen ein Wortgefecht, was ich aber mittlerweile liebe. Die Beziehung von Bill und Kiddo ist das Herzstück der Filme und besonders von diesem Film. Beide Figuren reden sogar davon, dass doch nun endlich ihr großer, blutiger Showdown kommen muss. Doch die Charaktere und auch der Film haben ihren Showdown in den scharfen Dialogen. Dass das manchen nicht gefällt als großes Finale, kann ich verstehen und nach wie vor denke ich, dass es etwas schade ist, dass das Actionhighlight bereits in „Vol. 1“ passiert ist (der Kampf gegen O-Ren und ihre Crazy 88). Es gab übrigens immer wieder die Idee von vielen Fans, dass man den Film umschneiden könnte, sodass man ein zwei- bis dreistündiges Epos bekommt, das beide Stile der Filme perfekt vereint. So etwas würde ich mir auch wünschen, vielleicht würde sogar Tarantino höchstpersönlich das Ganze irgendwann nochmal probieren… Doch ich würde lügen, wenn ich sage, dass „Vol. 2“ deswegen ein schwacher Film ist. Ich liebe die ruhigen, aber intensiven Dialoge der Figuren, selbst die der kleinen Nebendarsteller. Wie etwa die Szene mit Budd und seinem Arbeitgeber oder Kiddos Besuch beim Zuhälter Esteban. Diese Momente geben für mich kleine, aber feine Einblicke in die Figuren, die wir kennen und machen das Universum von „Kill Bill“ so viel greifbarer.
Schauspielerisch wird hier sogar noch deutlich mehr geboten als in „Vol. 2“: Uma Thurman zeigt wieder einmal ihr Talent, sowohl im körperlichen als auch im emotionalen Sinne. Für mich ist Kiddo ihre Paraderolle! Der zweite Star ist ohne Zweifel David Carradine, der nun endlich als Bill zu sehen ist. Carradine, der leider nur fünf Jahre nach dem Film verstarb, ist einer meiner Lieblings-Bösewichte in der Filmwelt. Er ist durch und durch diabolisch, aber dennoch extrem sympathisch. Seine Monologe sind faszinierend und mitreißend, auch nach dem hundertsten Male!
Daneben überzeugen auch Michael Madsen als Budd und Daryl Hannah als Elle, die im ersten Teil schon angeteasert wurden.
Optisch ist „Vol. 2“ nicht so wild wie sein Vorgänger, aber immer noch wundervoll anzusehen. Während Teil 1 mir mit viel Gelb im Kopf blieb, ist es hier die Farbe Rot. Die Kamera von Robert Richardson ist wundervoll und dies hier war seine erste Zusammenarbeit mit Tarantino (seitdem hat er alle weiteren Filme von ihm gefilmt, mit Ausnahme von „Death Proof“). Für die Musik war diesmal unter anderem Robert Rodriguez verantwortlich, ein guter Freund vn Tarantino und der Regisseur von Filmen wie „Sin City“. Rodriguez komponierte einen Original Score für den Film, während wir aber auch wieder viele bereits etablierte Stücke von Morricone hören. Der Soundtrack ist wieder mal absolut stark und begeistert mit einem etwas moderneren Ton.
Fazit: Während Teil 1 ein stilistisches Actionfeuerwerk mit viel Blut ist, überzeugt „Kill Bill Vol. 2“ als emotionales und intimes Finale. Ich persönlich finde Teil 1 etwas stärker, aber ich würde niemals auf den kraftvollen und mitreißenden zweiten Part verzichten wollen. Ich liebe beide Filme und würde mir irgendwann einen neuen Cut wünschen, der beide Film miteinander vereint. Bis dahin bleibe ich trotzdem dabei, dass dies meine Lieblings-Tarantinos sind!