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    Die Brautjungfer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die Brautjungfer
    Von Claudia Holz

    Wie erkennen Sie, dass ihre Freundin eine Psychopathin ist? Auf alle Fälle, wenn Sie in Gesprächen mit ihnen proportional häufig den Satz „Quit pro quo“ verwendet oder mit dem Brotmesser vor ihrer Dusche lauert. Weniger offensichtlich sind Merkmale wie nachts den Müll rausbringen und alle zwei Monate komplett den Garten umgraben, aber auch hier schon sei Vorsicht geboten. Doch ein Topmerkmal, dass ihre Freundin sie nicht mehr alle hat, ist wohl, wenn sie von ihnen einen Mord verlangt. In Claude Chabrols neuem Film „Die Brautjungfer“ ist ziemlich bald klar, dass die junge und hübsche Senta in einer verhängnisvollen Scheinwelt lebt und trotzdem verliebt sich der Protagonist Philippe unsterblich in diese Frau und scheint somit noch nie einen Psycho-Thriller gesehen zu haben - sonst könnte er die Zeichen deuten. Dass dies kein gutes Ende nehmen kann, ist vorauszusehen, doch bleibt die Frage, warum soll der Zuschauer sich die vollen 90 Minuten, die der Film dauert, geben?

    Philippe (Benoit Magimel) ist 25, arbeitet als Angestellter in einer Baumfirma und wohnt noch bei seiner Mutter und zwei jüngeren Schwestern. Als die ältere Schwester Sophie (Sonlène Bouton) den netten Feuerwehrmann Jacky (Eric Seigne) heiratet, lernt Philippe auf der Hochzeit die Brautjungfer Senta (Laura Smet) kennen und verliebt sich in sie. Dem gutbürgerlich erzogenen Philippe gefällt die unkonventionelle Art von Senta, die gelegentlich als Model und Schauspielerin arbeitet und in einem riesigen Haus, allein in einem Keller wohnt - abgesehen von ihrer Stiefmutter, die im zweiten Stock des Anwesens mit ihrem Tanzpartner Tango übt und Senta seit Wochen nicht mehr gesehen hat. Senta ist unabhängig, geheimnisvoll und erzählt von Zeit zu Zeit bizarre Geschichten, die sich allerdings bald zu mehr, als nur verliebtem Bettgeflüster entwickeln. Derweil setzt Philippe durch seine immer größer werdende Zuneigung zu Senta sein bislang erfolgreiches Berufsleben aufs Spiel, vernachlässigt deutlich seine Familie und bemerkt nicht, wie Sentas Phantastereien immer absurder werden. Bis sie schließlich einen unheilvollen Liebesbeweis von ihm fordert: Er soll einen Menschen töten. Dabei geht es nicht darum, wen er töten soll, sondern lediglich um die Tat selbst. Philippe hält dies zunächst für einen Scherz, doch bald wird ihm klar, dass Senta ihre Liebe von dieser Aufgabe abhängig machen wird...

    Der neue Psycho-Thriller von Claude Chabrol ist wie gewohnt Arthaus-Kino in Reinkultur, wahrscheinlich aber nur für eine kleine Gruppe von Kinogängern wirklich interessant. Die literarische Vorlage zu „Die Brautjungfer“ von Ruth Rendell liefert einen spannenden Plot, dessen Vielzahl an Ebenen und Symbolen allerdings die Identifizierung mit den Charakteren deutlich erschweren. Das fängt bereits damit an, dass die Beziehung zwischen Philippe und Senta emotional wenig greifbar gemacht wird und somit die Grundlage fehlt, um überhaupt einen Mord in einer Beziehung zu rechtfertigen (und sei es nur als Gedankenspiel). Das Hauptproblem liegt dabei bei der Figur der Senta, beziehungsweise ihrer Darstellerin, die ohne Reize ausgestattet zu sein scheint und in keinem Fall ihrem Filmpartner Benoit Magimel („Die Klavierspielerin“, „Die purpurnen Flüsse 2“), der sich durchaus Mühe mit seiner Figur gibt, das Wasser reichen kann. Laura Smet ist zwar schön, doch spielt sie die manische Senta durchweg auf einer Tonlage, die vielleicht psychologisch stimmig, aber filmisch und auch literarisch farblos bleibt. In ihrer Unberechenbarkeit fehlt außerdem die Magie, die bestimmt von einer solchen Figur ausstrahlen würde. Statt dessen sehen wir eine Frau, die Geheimnisse hat, lügt und betrügt, dies alles aber in einem tranceartigen Stadium absolviert und somit dem Betrachter nicht die Möglichkeit gibt, die Nebelwand, die sie umhüllt, zu durchbrechen. Komischerweise lässt sich Magimel davon nicht irritieren und spielt einen bis über beide Ohren verliebten Mann, dem es um mehr geht, als nur reine Körperlichkeit und der verzweifelt versucht, zwischen der Phantasiewelt mit Senta und seinem, bislang biederen und normalen Leben eine Brücke zu schlagen. Schließlich ist ihm alles egal, so blind vor Liebe ist er. Genau diese unterschiedlichen Ansätze im Spiel der Protagonisten führen aber auch zu einer bedenklichen Entfremdung, die vielleicht sogar von Chabrol bewusst herbeigeführt oder zumindest bemerkt und gewollt war. Die Frustration beim Zuschauer kann diese Erkenntnis selbstverständlich nicht lindern.

    Ein weiteres Manko ist die symbolgeladene Filmsprache, für die Chabrol bekannt ist, die aber auch eine Kälte und Arroganz hervorruft, die mehr als unbefriedigend ist. Am Anfang wird zum Beispiel das Verschwinden eines Mädchens in den Nachrichten gezeigt, danach allerdings nie wieder aufgegriffen. Des weiteren spielt die steinerne Büste einer Frau eine große symbolische Rolle. Für Philippes Mutter und seine beiden Schwestern ist sie ein Andenken an den verstorbenen Vater. Für Philippe ist sie aber Sentas Ebenbild und er beginnt eine Art Liebesbeziehung auch mit dieser Statue. Als die Mutter die Büste ihrem neuen Liebhaber schenkt, dieser dann die Mutter wieder verlässt, stiehlt Philippe sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus dessen Vorgarten und versteckt sie fortan in seinem Schrank. In den Zeiten, wo er Senta nicht sehen kann, holt er sie hervor und schläft damit in seinem Bett ein. Zugegeben sind diese Bilder kraftvoll und unheimlich, doch für den Verlauf der Geschichte weitestgehend belanglos.

    Chabrol stellt in „Die Brautjungfer“ nicht die Frage nach dem Wie?, Wer? oder Warum?, sondern er versucht lediglich, mit dem Aneinanderreihen von Szenen, ein unheimliches und makaberes Gesamtbild zu schaffen, dass in einem eindringlichen, aber auch vorhersehbaren Höhepunkt gipfelt, nur um den Betrachter dann, mit einem kleinen Schaudern zu entlassen. Doch sollte sich der Zuschauer in jedem Fall auf einige psychologische Löcher in den Figuren gefasst machen, immun gegen ein bisschen französische Überheblichkeit sein und vielleicht schon den ein oder anderen Film von Chabrol gesehen haben, um das Machwerk voll und ganz genießen zu können.

    Insofern gratulieren wir zu einem Paradebeispiel der französischen Filmkunst, welches zumindest versucht, einen Thrillerplot mit Noir-Versatzstücken im gefestigten aber auch langweiligen Arbeitermilieu anzusiedeln, um die Geschichte eines Mannes zu erzählen, der von einer Liebe so sehr konsumiert wird, dass er schließlich alles, was er bisher kannte und was ihm lieb und teuer ist, aufgeben würde. Blind vor Liebe eben. Das zumindest ist der Ansatz. Wen die durchweg kalte Stimmung nicht abschreckt, wer keinen stimmigen Krimiplot erwartet und wer gerne auf falsche Fährten gelockt wird, dem sei „Die Brautjungfer“ zu empfehlen. Ansonsten lässt sich ein Chabrol bei Bedarf auch mal aus der Videothek ausleihen.

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