„Schnappt Shorty“. Beim Gedanken an Barry Sonnenfelds ultracooler Erfolgskomödie werden Erinnerungen wach. Ein bunter Haufen zahlreicher skurriler Charaktere und mittendrin der manipulierende Strippenzieher Chili Palmer, der alles und jeden um ihn herum zu Marionetten in seinem genialen Spiel degradierte. Kaum ein anderer Film verteilte derartig viele Seitenhiebe gegen das Filmgeschäft im Allgemeinen und Hollywood im Besonderen. „Schnappt Shorty“ ist schlicht und einfach Kult und eine der besten Komödien der 90er Jahre. Wem sich bei dieser These nun die Nackenhaare aufstellen, sollte spätestens jetzt schleunigst auf den Button mit dem Kreuz oben rechts in der Ecke klicken oder sich an einer unserer anderen Kritiken erfreuen. Denn dies ist eigentlich die Grundvoraussetzung, um F. Gary Grays köstliche Fortsetzung „Be Cool“ in vollen Zügen genießen zu können.
Chili Palmer (John Travolta) ist wieder da. Und gleich zu Beginn von „Be Cool“ macht er unmissverständlich klar, was hier Sache ist. „Sequels sucks. Fuck it. I’m done.“ Klare Ansage, aber was lernen wir daraus? Nun ja, Chili hat das Filmgeschäft einfach satt. Jeden erfolgreichen Film in leichten Variationen immer und immer wieder zu drehen, ist nichts für den Ex-Kredithai von heute. Da kommt ihm das Unglück eines anderen gerade recht. Musik-Produzent Tommy Athens (James Woods) wird vor Chilis Augen erschossen und hinterlässt seiner Frau Edie (Uma Thurman) sein finanziell schwer angeschlagenes Label. Dass die attraktive Witwe Chilis Hilfe gut gebrauchen kann, versteht sich von selbst. Um ein Label an die Spitze zu führen, benötigt man vor allem eines: einen zukünftigen Star. Dieser ist mit der Sängerin Linda Moon (Christina Milian) auch schnell gefunden. Doch dummerweise steht Linda beim großen Konkurrenten Nick Carr (Harvey Keitel) unter Vertrag und ihr Möchtegern-Manager Raji (Vince Vaughn) – ein Cowboy, der gerne Neger wäre – und sein schwuler Bodyguard Elliot (Dwayne Johnson) geben auch keine Ruhe. Dann wäre da noch eine wilde Horde Gangster-Rapper unter der Führung des eigentlich recht friedlichen Familienpapas Sin LaSalle (Cedric The Entertainer) und die russische Mafia. Na dann Mahlzeit, Chili…
Wie schon bei „Schnappt Shorty“ konnte bei „Be Cool“ auf die bereits existierende Romanvorlage von Elmore Leonard („Jackie Brown“) zurückgegriffen werden. Drehbuchautor Peter Steinfeld musste sich also nichts irgendwie aus den Fingern saugen, sondern konnte auf eine vorhandene Geschichte bauen und musste diese nur noch für die Leinwand adaptieren. Und genau deshalb ist diese Fortsetzung auch eine richtige Fortsetzung und nicht nur eine leichte Variation des ursprünglichen Films mit dem Ziel, dem Publikum das Geld aus den Taschen zu ziehen. Noch immer ist Chili Palmer die personifizierte Coolness, sagt nur das, was er unbedingt sagen muss und bekommt es auf seiner Odyssee mit allerlei dubioser Gestalten zu tun, die er gekonnt ausspielt. Der Cadillac der Minivans ist dem Cadillac der Hybridautos gewichen und statt des Filmgeschäfts wird das Musikbusiness unsicher gemacht.
Durch Chili Palmers Engagement im Musiksektor ergibt sich zwangsläufig eine recht auffällige Änderungen im Vergleich zu „Schnappt Shorty“: Es wird viel gesungen. Vor allem durch Pop-Sternchen Christina Milian. Wer nun aber einen R&B-Song nach dem anderen befürchtet, befindet sich auf dem Holzweg. Klassiker aus den 70ern finden sich ebenso wie ein unerhört rockiger Konzertauftritt an der Seite der Rockdinos Aerosmith. Es dürfte sich also für jeden Geschmack etwas finden lassen. Und ein Genuss für die Augen ist die Gute auch noch. Wem dies immer noch nicht behagt, dem sei gesagt, dass „Be Cool“ trotz allem weit davon entfernt ist, ein überlanges Musikvideo zu sein.
Der Schwerpunkt liegt nach wie vor auf den kleinen und großen Intrigen Chili Palmers. Der Vorgänger steckt geradezu – insbesondere für Filmfreunde – voller genialer Dialoge und Wortwitz. Zwar wird dieses Niveau von „Be Cool“ nicht ganz erreicht, doch weit über dem Durchschnitt anzusiedeln ist das Gesehene allemal. Nach wie vor eine Klasse für sich ist allerdings die köstliche Situationskomik. Der tote Russe in Chilis Apartment verfügt beispielsweise über Kultpotential. Nicht nur in dieser Szene bleibt kein Auge trocken. Und zusätzlich fährt der Film noch auf der allseits beliebten Nostalgie-Schiene. Ein Film mit John Travolta und Uma Thurman, in dem nicht getanzt wird? Undenkbar! Das weiß auch Regisseur F. Gary Gray („The Italian Job“, „Verhandlungssache“) und hält munter die Kamera drauf…
In „Be Cool“ geben sich die Stars die Klinke in die Hand. Auf jeden einzeln einzugehen, würde daher den Rahmen sprengen. Doch die Wichtigsten sollen schon erwähnt werden. Beginnen wir bei John Travolta. Dieser tut wie bereits im Vorgänger das, was er am Besten kann: Er spielt sich selbst. Der Chili Palmer passt einfach zu ihm. Uma Thurman schaut wie immer phantastisch aus - insbesondere in ihrer ersten Szene als betrunkene Neuwitwe im Bikini am Pool mit Aerosmith-Tätowierung am Hintern. Schauspielerisch verlangt ihr die Rolle allerdings nicht all zu viel ab. Auszeichnen dürfen sich da schon eher Harvey Keitel als überdrehter Studioboss und Cedric The Entertainer (ja, der nennt sich wirklich so) als Mischung aus liebevollem Familienvater und wandelnder Zeitbombe.
Als Liebling des Films dürfte sich allerdings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Dwayne „The Rock“ Johnson durchsetzen. Jetzt alle erst einmal tief durchatmen und den Mund wieder schließen. Nein, der ehemalige Profi-Wrestler hat weder das Schauspielern gelernt, noch werden in der Filmstarts-Redaktion Drogen verteilt. Der Rock-Charakter Elliot Wilhelm ist einfach zum Brüllen komisch. Zunächst einmal parodiert sich dieser schon allein durch seine Afro-Frisur munter selbst. Dass er dann allerdings noch einen schwulen, selbstverliebten Bodyguard spielt, setzt dem ganzen Nonsens die Krone auf. Wenn er die Szene betritt, ist klar, dass es demnächst etwas zu lachen gibt. Einfach herrlich!
Bemängeln lässt sich an „Be Cool“ eigentlich wenig. In gewisser Hinsicht ist es der Fluch des Zweitgeborenen, an dem der Film zu knabbern hat. „Be Cool“ muss sich einfach den Vergleich mit dem meisterhaften Vorgänger stellen. Und hier fehlt dann einfach der letzte Tick. Wir könnten uns jetzt die Schwachstellen des Films heraus suchen und munter darauf einprügeln. Wir könnten mit erhobenem Zeigefinger feststellen, dass zehn Jahre für ein erfolgreiches Sequel eine viel zu lange Zeit ist und man die Finger ohnehin von Klassikern lassen sollte. Das könnten wir... wollen wir aber nicht! F. Gary Gray und seinem Team eine würdige Fortsetzung gelungen. Punkt! Wenn Sequels doch nur immer so aussehen würden. Dann würde sie auch nicht so stinken, nicht wahr, Herr Travolta…