Die von Beatles-Leadgitarrist George Harrison und seinem Finanzberater Denis O’Brien gegründete Filmproduktionsfirma Hand Made Films war vor allem auf Komödien spezialisiert. Vielleicht ist die Ursache dafür, dass die Monty-Phyton-Satire „Das Leben des Brian“, die Harrison mit einer Finanzspritze vor dem Produktionsstopp rettete, die Idee zur Gründung des Studios lieferte. Doch Filme wie „Magere Zeiten“ oder „Nonnen auf der Flucht“ weisen zwar ein paar gelungene Gags auf, doch hat man sie genauso schnell wie vergessen, wie man sie gesehen hat. Überraschend sind es daher ganz andere Filme, die die besten Produktionen der Gesellschaft bilden. Die harte Gangsterstudie „Rififi am Karfreitag“ sowie Neil Jordans Charakterdrama „Mona Lisa“ sind hier zu nennen (beide übrigens mit einem überragenden Bob Hoskins in zwei seiner besten Rollen). Und dann gibt es da doch noch eine Komödie, die in Großbritannien schon lange – zu Recht – absoluten Kultstatus genießt. Bruce Robinsons „Withnail & I“, ausgerechnet jener Film, den der für das Tagesgeschäft bei Hand Made zuständige Denis O’Brien (Harrison steuerte hauptsächlich nur das Geld bei) am liebsten wieder abgebrochen hätte und so witzig fand „wie ein brennendes Waisenhaus“ (Zitat nach Bruce Robinson). Warum O’Brien, den Film so fürchterlich einstufte, und er doch so hervorragend ist, hat einen simplen Grund: Der Humor unterscheidet sich radikal von dem anderen Handmade-Werken, ist nämlich offen und ehrlich, kommt trocken statt klamaukig daher, ist trotzdem voller Skurrilität und eingebettet in eine Geschichte, die eigentlich nur von Hunter S. Thompson hätte stammen können.
Wie die englischen Brüder von Raoul Duke und Dr. Gonzo, den beiden Hauptfiguren aus Thompsons bekanntestem Werk Fear And Loathing In Las Vegas, kommen dann auch die beiden Protagonisten von „Withnail & I“ daher. Der Ich-Erzähler (Paul McGann) ist ein arbeitsloser Schauspieler, der zudem erfolglos seine Gedanken zu Papier bringt. Gemeinsam mit seinem Kumpel Withnail (Richard E. Grant), ebenfalls erfolgloser Schauspieler, bewohnt er eine heruntergekommene Bude und bringt die Zeit mit dem Konsum von Alkohol sowie Drogen in allen Variationen zu, wenn nichts da ist, muss auch mal Brennspiritus herhalten. Als die beiden aber merken, dass das ungewaschene Geschirr auch in nüchternen Zustand anfängt auszuschauen, als würde es leben, ist klar, es muss eine Veränderung her. Da ihnen London mit seinen schon morgens unappetitliches Zeug in sich hereinstopfenden und Schwachsinn aus der Regenbogenpresse verschlingenden Bewohnern sowieso auf den Geist geht, wollen sie raus aufs Land. Den Schlüssel dazu, liefert ihnen Withnails vermögender und homosexueller Onkel Monty (Richard Griffiths), der ein Landhaus weit draußen besitzt. Das entpuppt sich aber als heruntergekommene Hütte, inmitten eines verregneten Kaffs, wo sie erst einmal festsitzen. „In the middle of fuckin’ nowhere without aspirins“ muss das Duo schnell erkennen, dass auch die Landbevölkerung nicht freundlicher ist als die Städter und als dann noch vor allem für Marwood unliebsamer Besuch auftaucht, wird ihre Freundschaft auf eine harte Probe gestellt.
An den englischen Kinokassen ging „Withnail & I“ ziemlich unter, entpuppte sich aber dann auf Video zum Dauerrenner. Mittlerweile gehört Bruce Robinsons ehrliche, schräge und leicht melancholische Geschichte über Freundschaft zu den wichtigsten Werken der englischen Filmgeschichte. Zahlreiche Zitate sind fester Bestandteil der englischen Popkultur, ohne den Film wären wohl die ersten Werke von Danny Boyle („Kleine Morde unter Freunden“, Trainspotting) oder Guy Ritchie („Bube, Dame, König, grAs“, Snatch) nicht in der aktuellen Form entstanden, da beide „Withnail & I“ als Inspirationsquelle nennen.
Robinsons Geschichte überzeugt vor allem durch ihre Ehrlichkeit. Auch wenn die Charaktere skurril und verschroben sind, und vor allem der aufbrausende Feigling Withnail eine Menge Eigenheiten hat, so werden die beiden Protagonisten einem schnell sympathisch. Dass der Zuschauer eine Bindung zu den Figuren aufbaut, ist essentiell, denn nur dadurch funktioniert der Film. Dank dieser Beziehung und einigen der besten Dialoge, die das britische Kino hervorgebracht hat, fühlt und lacht er mit ihnen, nicht über sie. So kann sich der herrliche Humor entwickeln, der typisch britisch ist, voller Schrägheit, die man auch vom modernen britischen Gangsterkino kennt, aber sich immer seine Ehrlichkeit bewahrt.
Die Ursache dafür liegt wohl im Ursprung der Geschichte. „Withnail & I“ ist keine Erfindung von Robinson, sondern beruht auf seinem eigenen Leben. Der Ich-Erzähler ist sein Alter Ego, Withnail ist der verstorbene Schauspieler Vivian Mackerall, mit welchem Robinson in einem heruntergekommenen Appartement zusammen lebte, ständig auf der Suche nach einem kleinen Schauspielengagement. Robinson hat über dieses Leben, wie der Erzähler seines Films, Tagebuch geführt und wollte daraus einen Roman machen. Doch schließlich erschloss sich ihm, dass das Medium Film die tragikkomische Geschichte besser transportieren könne und nachdem er 1984 mit dem Drehbuch zu Roland Joffé beeindruckendem Kriegsdrama „The Killing Fields“ sich einen Namen schuf, war der Weg für den Deal mit Handmade frei. Für Robinson bedeutete dies die Hölle, da er mit Produzent O’Brien bei den Dreharbeiten so oft aneinander geriet, dass er schon nach wenigen Tagen das Projekt abbrechen wollte Am Schluss musste er einzelne Szenen sogar aus der eigenen Tasche bezahlen, da O’Brien sie nicht im Film haben wollte, Robinson aber auf ihnen bestand.
Der Widerstand von Bruce Robinson hat sich ausgezahlt. Er hat es trotz aller Querelen geschafft, seinen Film zu drehen, und dabei mit dem in der Hauptrolle brillierenden britischen Schauspieler Richard E. Grant, der mittlerweile eine variantenreiche Filmographie vorweisen kann, eine große Entdeckung gemacht. Auch wenn Robinson heute im Interview auf der DVD sagen muss „Ich liebe Withnail & I’ wirklich sehr. Aber ein Grund, warum ich nicht viel damit zu tun haben will, ist, dass ich so wütend auf die Eigentümer des Streifens bin.“ So wird er doch glücklich sein, dass ihm dieses wichtige Herzensprojekt gelungen ist. Danach hat er übrigens nur noch zwei Filme gemacht. Die Komödie „Kopf an Kopf“ und sein Hollywooddebüt „Jennifer 8“ (mit Stars wie Andy Garcia, Uma Thurman und John Malkovich). Dieses entpuppte sich wieder als eine dauernde Auseinandersetzung mit den Produzenten, was Robinson, der sich dieses Mal seltener durchsetzen konnte, die Lust am Filmemachen verdarb. Dass der Film an den Kinokassen floppte, trug sein übriges zum jähen Karriereende bei. Bald könnte er aber ein Comeback geben. Johnny Depp will Robinson unbedingt für die Verfilmung von „The Rum Diary“ haben. Die Buchvorlage stammt von Hunter S. Thompson. Ein Thompson-Buch von Robinson verfilmt? Man kann sich kaum einen besseren Mann vorstellen. Auch Terry Gilliam nicht…