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    I Heart Huckabees
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    I Heart Huckabees
    Von Carsten Baumgardt

    Originalität ist in Hollywood ein rares Gut. Auf der Suche nach der Massenkompatibilität, welche die Kassen füllt, sind die Wege abseits des Mainstreams kommerziell immer ein Risiko. Regisseur David O. Russell hat mit „Flirting With Disaster“ und „Three Kings“ allerdings bewiesen, dass er seinen prägnanten, schrägen Stil mit Erfolg auf die Leinwand bringen kann, ohne künstlerische Kompromisse machen zu müssen. Sein neuestes Werk, die durchgedreht-surreal angehauchte Komödie „I Heart Huckabees“ ist mit Abstand das Skurrilste, Gewagteste und Durchgeknallteste, was in den vergangenen Jahren zu sehen war. Diese ultimativ witzige Screwball-Comedy wird die Lager der Betrachter definitiv spalten. Die einen werden sich bei diesem Schwachsinn mit philosophischem Tiefgang kringelig lachen, die anderen einfach nur den Kopf schütteln oder schreiend aus dem Kino laufen.

    Der Umweltaktivist und verhinderte Poet Albert Makovski (Jason Schwartzman) ist allgemein unzufrieden mit sich und der Welt. Eine schicksalhafte Begegnung verändert sein Dasein. Innerhalb kurzer Zeit trifft er drei Mal auf einen jungen Schwarzen - in völlig unterschiedlichen Situationen. Albert glaubt, in ihm seine seelische Co-Existenz gefunden zu haben. Durch eine mysteriöse Visitenkarte, die er in einer geliehenen Jacke findet, stößt Albert auf die „Existential Detectives“ Bernard und Vivian Jaffe (Dustin Hoffman, Lily Tomlin) und ist so neugierig geworden, dass er sie beauftragt, Nachforschungen über ihn und seinen vermeintlichen Seelenverwandten anzustellen.

    Die unkonventionellen Ermittler stellen Alberts Leben auf den Kopf, begleiten ihn überall hin und hören seine Konversationen ab. Als sich nach einiger Zeit keine Lösung abzeichnet, bringen ihn Bernard und Vivian mit dem Feuerwehrmann und Klienten Tommy (Mark Wahlberg) zusammen, um Alberts Horizont zu erweitern. Doch bald stellt sich heraus, dass der smarte Supermarktketten-Manager Brad Stand (Jude Law), der mit Albert um den Vorsitz einer Umweltinitiative kämpft und zunehmend Probleme mit seiner ausflippenden Freundin Dawn (Naomi Watts) bekommt, seine Co-Existenz ist. Dazu beschwatzt ihn Tommy, zu Bernards und Vivians Konkurrenz zu wechseln. Ihre ehemalige Schülerin Catherine (Isabelle Huppert) hat eine ganz andere Sicht der Dinge...

    Diese Geschichte hört sich völlig durchgedreht und abgefahren an? Richtig, das ist sie auch - in jeder der köstlichen 106 Leinwandminuten. Der Ruf von David O. Russell ist inzwischen so gut, dass er für das 20 Millionen Dollar schwere Independent-Projekt eine Reihe von Superstars, die für einen Bruchteil ihrer üblichen Gage spielen, verpflichten konnte. Besonders begehrt war die Nebenrolle des Huckabees-Gesichts Dawn. Gywneth Paltrow, Nicole Kidman und Jennifer Aniston wollten den ironischen Part des Supermarkt-Aushängeschilds spielen, mussten aber aus verschiedenen Gründen absagen. Selbst Britney Spears trat zwei Mal zum Vorsprechen an, aber am Ende setzte sich Russells ursprüngliche erste Wahl Naomi Watts durch.

    Die Hauptfigur des Albert Makovski wird von Jason Schwartzman („Rushmore“) mit einer Mischung aus Neugier und Verbohrtheit gespielt. Bei seinem ersten Erscheinen auf der Leinwand schimpft er in einem obszönen Monolog über das Leben im Allgemeinen und das seine im Besonderen. „Phantom Planet“-Drummer Schwartzman, dessen Mutter Talia Shire („Rocky“, „The Pate“) einen Cameoauftritt hat, mimt die Figur, die alle Charaktere zusammenführt. Seine physisch wie mental irrwitzige Odyssee auf der Suche nach dem tieferen Sinn des Lebens wird von einer Garde Superstars flankiert. Die Altstars Dustin Hoffman („Das Urteil“, „Moonlight Mile“) und Lily Tomlin („The Kid“, „Short Cuts“), die übrigens das erste Mal gemeinsam vor der Kamera stehen, haben sichtlich Freude daran, dem Affen emotionalen Zucker zu geben.

    Dabei ergibt sich das Gagpotenzial nicht nur aus den messerscharfen Dialogen und wahnwitzigen Wendungen der Geschichte, sondern auch in der zweiten Ebene als temporeiche Screwball-Comedy. Wenn Lily Tomlin beispielsweise bei der Verfolgung eines Klienten urplötzlich auftaucht und wie von der Tarantel gestochen durch ein offenes Rücksitzfenster in einen fahrenden Wagen hechtet, ist das einfach urkomisch. Ein Running Gag an sich ist bereits Dustin Hoffmans unorthodoxe Mireille-Mathieu-Gedächtnisfrisur, welche die Grenzen des guten Geschmacks pulverisiert. Jude Law („Alfie“, „Sky Captain And The World Of Tomorrow“) ist als gelackter Unsympath mit seiner britischen Arroganz ebenfalls bestens besetzt und hat einen Heidenspaß daran, sein eigenes Image zu persiflieren. „The Ring“- und „Mulholland Drive“-Star Naomi Watts („21 Gramm”, „The Ring 2”) glänzt zunächst als ironisches Klischee der Werbeschönheit Dawn. Sie ist das Gesicht der Supermarktkette Huckabees und posiert in absurd-freizügigen Posen für das Unternehmen, das sich durch Dawns makellose Perfektion ein sauberes Image aufgebaut hat. Durch die Turbulenz der Ereignisse kehrt sie ihren Schönheitswahn ins Gegenteil und legt fortan auf ihr Äußeres gar keinen Wert mehr. Den optischen Part meistert Watts mit ihrer atemberaubenden Schönheit, in der schauspielerisch anspruchsvolleren Abkehr von den Idealen überzeugt die in Australien aufgewachsene Britin mit trockenem Witz.

    Die größte Überraschung des Films ist jedoch Mark Wahlberg („The Italian Job“, „Planet der Affen“). Das Ex-Model und der ehemalige Sänger hat in Filmen wie Paul Thomas Andersons Meisterwerk „Boogie Nights“ bereits gezeigt, dass er Großes leisten kann. In „I Heart Huckabees“ trumpft Wahlberg erneut auf. Er ist in seiner Rolle als sinnsuchender Feuerwehrmann („I’m no fuckin’ hero“) grandios komisch. Einzig die Figur von Isabelle Huppert („8 Frauen“, „Das Leben ist ein Spiel“) wirkt ein wenig überflüssig. Doch allein die Ironie der finalen Zusammenkunft mit Jason Schwartzman rechtfertigt ihren Charakter, der den Aberwitz der Handlung symbolisiert.

    David O. Russell wird für sein mutiges Konzept, seinen Film jenseits der normalen Sehgewohnheiten anzusiedeln, belohnt. Er treibt den Irrwitz auf die Spitze. Politisch ist das alles natürlich wie für einen Film dieser Gangart üblich wenig korrekt. Dabei regiert nicht einmal durchgehend der Tiefsinn. Ab und an ist „I Heart Huckabees“ sogar hemmungslos albern, der Film hat jedoch immer Seele und Gleichgewicht, selbst wenn Banales auf Tiefschürfendes trifft. Der überbordende Ideenpool Russells wird stets in kreative Bahnen gelenkt, sodass diese unkonventionelle Komödie die überraschendste und außergewöhnlichste der Saison ist... Wer sich auf diesen höheren Nonsens einlassen will, wird mit einem inspirierten Film voller Verve belohnt. Wem das alles zu wirr klingt, bleibt lieber gleich zuhause.

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