1877 spannte der „All England Lawn Tennis and Croquet Club“ in einem kleinen Londoner Vorort erstmals ein Netz über ein Stück gepflegten englischen Rasen und lies die „All England Championships“ im Tennis ausspielen. Heute, rund 130 Jahre später, wird an derselben Stelle immer noch dasselbe Turnier ausgetragen. Gemeint ist hier selbstverständlich die berühmte Rasentennisanlage der Welt in Wimbledon, dem Austragungsort des ältesten und renommiertesten Tennisturniers der Welt, dem Mekka des Tennissports schlechthin. Seit 1877 hat sich viel verändert. Aus einem Rasenplatz wurden deren sechzehn und von dem beschaulichen Turnier von einst ist dank des gigantischen Medieninteresses auch nicht mehr viel übrig geblieben. Nur die Erdbeeren mit Sahne und das schlechte Wetter haben sich über die Jahrzehnte hinweg nicht verändert. Nun rückt Englands heiligstes Stückchen Grün auf einer völlig anderen Bühne ein weiteres Mal in den Mittelpunkt des öffentliches Interesses: In der neuen romantischen Komödie „Wimbledon“ von Richard Loncraine.
Peter Colt (Paul Bettany) gehörte einst zu den aufstrebenden Jungstars des englischen Tennis. Doch über einen elften Platz in der Weltrangsliste hat er es nie hinaus gebracht. Allmählich neigt sich seine aktive Zeit dem Ende entgegen. Nur noch einmal an Wimbledon teilnehmen. Das wär’s. Und dank einer Wildcard wird ihm dies als aktuelle Nummer 119 der Welt auch tatsächlich ermöglicht. Doch nach dem Turnier soll dann endgültig Schluss sein. Die junge Generation ist einfach immer den einen entscheidenden Schritt schneller. Immer einen Tick aggressiver und erfolgshungriger. Doch während des Turniers passiert etwas vollkommen Unerwartetes. An der Hotelrezeption wird ihm beim Einchecken der falsche Schlüssel ausgehändigt und plötzlich steht er im Zimmer von Lizzie Bradbury (Kirsten Dunst), dem aufstrebenden Bad Girl des Welttennis aus den Vereinigten Staaten. Eigentlich passen die beiden vom Naturell her ja zusammen wie Feuer und Wasser. Trotzdem gehen sie eine Liaison ein, die insbesondere Lizzys ehrgeizigem Vater Dennis (Sam Neill) ein Dorn im Auge ist. Und auf einmal eilt Peter völlig unverhofft auch noch von Sieg zu Sieg…
Bei „Wimbledon“ ist zu aller erst ein Blick hinter die Kulissen interessant. Die vier involvierten Produzenten Tim Bevan, Debra Hayward, Lisa Chasin und Eric Fellner können auf eine lange gemeinsame Vergangenheit zurück blicken. Im Laufe der Jahre sammelten sich in den Biographien der Vier illustere Filme wie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, „Notting Hill“, „Tatsächlich Liebe“, „About A Boy“, „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“, „High Fidelity“, „The Big Lebowski“ und „Oh Brother, Where Are Thou?“ an. Mit welcher Erwartung darf also folglich an „Wimbledon“ herangegangen werden? Solide bis starke Unterhaltungsware von einem routinierten, eingespielten Team? An sich lässt sich „Wimbledon“ durchaus so beschreiben. Wenn allerdings nach 98 Minuten Abspann über die Leinwand flimmert, kommt der Zuschauer zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass der Film eigentlich sich selbst im Weg steht.
Das große Problem von „Wimbledon“ ist – so schräg das auch nun klingen mag – Wimbledon selbst. Denn in Wimbledon wird nun mal Tennis gespielt. Und dieser Sport ist schlicht und einfach nur sehr schwer auf die Leinwand zu transportieren. Was gibt ein Tennismatch an dramaturgischen Höhepunkten her? Sicherlich, der Tie Break vereint binnen kürzester Zeit alles, das den Tennissport ausmacht und darf somit auch in „Wimbledon“ nicht fehlen. Doch ansonsten schlagen sich die Sportler beim Tennis nun einmal teils über zwei Stunden lang die Bälle um die Ohren. Diesem Sport soll an dieser Stelle nun ausdrücklich nichts von seiner Faszination abgesprochen werden, doch die Frage sei trotzdem erlaubt: Wie soll ein solches Match schon auf wenige Ballwechsel, auf wenige Minuten reduziert werden? Dieser Versuch kann bei genauerem Nachdenken eigentlich nur in die Hose gehen.
Als weiteres Problem erweist sich, dass eigentlich niemand aus der Besetzungsliste so recht in die Rolle des Tennis spielenden Leistungssportlers passt. Auf den ersten Blick sind die Tennismatches als getürkt zu entlarven. Wem hier nicht auffällt, dass die Darsteller durch die Bank ein Luftloch nach dem anderen schlagen und die kleine gelbe Filzkugel erst im Nachhinein per CGI-Effekt in die Einstellungen hinein montiert wurde, hat noch nie ein Tennismatch über mehr als fünf Minuten verfolgt. Der aus der TV-Branche stammende Regisseur Richard Loncraine versucht, diese Probleme bestmöglich zu umschiffen. So arbeitet er viel mit Großaufnahmen seiner Darsteller oder lässt den Zuschauer teils überhaupt nicht den Duellen auf den Court beiwohnen. Stattdessen darf er die Geschehnisse mit anderen Protagonisten am Radio mit verfolgen. Durchaus pfiffig, Herr Loncraine. Aber dadurch werden die Matches auch nicht spannender.
Immer dann, wenn der Tennissport in den Hintergrund rückt, steigt der Spaßfaktor bei „Wimbledon“ schlagartig rapide an. Zwar lässt sich die von Adam Brooks und Jennifer Flackett geschriebene Geschichte ohne weiteres auf den Plot „A liebt B, C hat da was dagegen und D klopft munter flotte Sprüche“ reduzieren, doch nicht immer muss das Rad neu erfunden werden, um einen unterhaltsamen Film auf die Beine zu stellen. In erster Line ist dies der Verdienst der beiden Hauptdarsteller Paul Bettany und Kirsten Dunst. Bettany gehört schon seit langem zu den unterschätzteren Darstellern seiner Zunft. Im Schatten von Russell Crowe lieferte er in „Master And Commander“ und „A Beautiful Mind“ beeindruckende Nachweise seines Potenzials ab und auch sein Auftritt in Lars van Triers minimalistischem „Dogville“-Experiment ist keineswegs zu verachten. Mit „Wimbledon“ beweist er endlich, dass er auch ohne einen großen Namen an seiner Seite in der Lage ist, problemlos einen Film zu tragen. Zumindest so lange er nicht einen Tennisschläger in die Hand gedrückt bekommt. Dass bei einem Schauspieler seines Potenzials jede Geste und jede Gesichtsausdruck sitzt, bedarf wohl keiner genaueren Erläuterung. An seiner Seite darf Kirsten Dunst ein weiteres Mal in die Rolle des attraktiven Love Interests schlüpfen. Eine Rolle, die sie nicht erst seit den beiden „Spider-Man“-Filmen beherrscht. Fräulein Dunst ist schon ein Hingucker vor dem Herrn. Ihr gelingt es, den männlichen Teil der Zuschauer mit einem einzigen Lächeln um den kleinen Finger zu wickeln. Ihre erste Szene in „Wimbledon“ dürfte sicherlich für den einen oder anderen offenen Mund und den kritischen Blick der Partnerin an der Seite sorgen. Und da ihr auch ein gewisses schauspielerisches Talent nicht abgesprochen werden kann, ist die Besetzung der Lizzy Bradbury mit Kirsten Dunst sicherlich nicht die schlechteste Wahl, die die Verantwortlichen hätten fällen können.
Was ist von „Wimbledon“ unterm Strich zu halten? Nun ja, irgendwie muss den Verantwortlichen attestiert werden, dass aus dem vorhandenen Material nicht wesentlich mehr heraus zu holen war. Wer auf glaubwürdige Tennismatches mit langen Grundlinienduellen oder flottem Serve-And-Volley-Spiel hofft, ist hier sicherlich an der falschen Adresse. Der Film ist allerdings auch lange nicht so schlecht, wie einen das magere US-Einspiel von 16 Millionen Doller eventuell erwarten lässt. Akzeptiert der Zuschauer „Wimbledon“ als die romantische Komödie, die der Film im Grunde auch sein möchte, steht einem unterhaltsamen Abend eigentlich nichts im Weg.