Willkommen beim ultimativen Kampf der Triaden. Wo John Woo vor einiger Zeit noch Filmgeschichte schrieb und den oft kopierten, beidhändigen Pistolenkampf in Zeitlupe erfand und perfektionierte, setzt „Infernal Affairs“ mit innovativen Maßnahmen einen neuen Trend in Sachen Hong-Kong-Action. Denn dieser asiatische Thriller liefert eine ausgeklügelte Psychologie der Figuren, eine schwindelerregende Geschichte und natürlich eine große Portion Pathos, die den Eindruck hinterlässt, ein wahres Epos auf der Leinwand zu verfolgen. Nicht dass es John Woo an Pathos fehlte, doch es macht schon einen Unterschied, ob man nun in „Face/Off“ Nicolas Cage und John Travolta die Körper tauschen lässt (für viele immer noch unverständlich, dass das im Film nicht früher auffliegt!) oder, ob der Rollentausch einen weitaus realistischeren Ansatz bekommt, wie es Andrew Lau und Alan Mak in ihrem äußert fiesen sowie klassisch schönen Streifen „Infernal Affairs“ machen.
Die Geschichte spielt, wie bereits erwähnt, im unendlichen Krieg zwischen der Polizei und der chinesischen Mafia, der sogenannten Triade. Chan (Tony Leung) ist ein Spitzel der Polizei, der in die Reihen der Triade eingeschleust wird und dort eine so wahnsinnig lange Zeit im Untergrund agiert, dass er zwar die Ränge der Mafia bis zu einer einflussreichen Position erklimmen konnte, aber nach so vielen Jahren nicht mehr weiß, wer er ist. Lau (Andy Lau) hingegen operiert auf der anderen Seite des Gesetzes. Als ein korrupter Polizist verschafft er der Triade, ebenfalls seit geraumer Zeit, geheime Informationen. Weder Chan noch Lau kennen die Identität des anderen, doch beide werden darauf angesetzt, den Verräter in ihren „eigenen Reihen“ zu finden.
Dieser in Asien phänomenal erfolgreiche erste Teil einer Trilogie („Infernal Affairs 2“, das Prequel, und „Infernal Affairs 3“, das Sequel, wurden sofort nachgelegt und machen die Serie zu einer der erfolgreichsten, die Hong Kong jemals gesehen hat) hat eigentlich alles, was man sich als Genre-Liebhaber so wünschen kann. Großartig gespielt von Tony Leung und Andy Lau als „böses Zwillingspaar“ sowie eine unglaublich gute Kamera unter der visuellen Beratung von Christopher Doyle (unbedingt anschauen, wenn nicht schon passiert: Wong Kar Wais „In The Mood For Love“, bei dem Doyle die Kamera führte) und den Mut eine simple und eigentlich bekannte Geschichte in einem neuen Wertesystem zu erzählen.
Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse. Die Werte Asiens von Ehre und Vertrauen haben ausgedient - hier geht es um das blanke Überleben und das, auf beiden Seiten des Gesetzes. Es geht um Macht und Karriere und den Wunsch einen Platz in seinem Leben zu finden, der einen Sinn ergibt. Als zum Beispiel Lau mit seiner Freundin eine kürzlich bezogene Wohnung liebevoll einrichtet, vergessen wir voll und ganz, dass er die schwarze Macht in diesem Spiel ist. Gangster haben halt auch Sehnsüchte. Auf der anderen Seite sehen wir Chan, der regelmäßig seine Therapeutin besucht und trotzdem niemals von sich redet. Einzig die Psychologencouch hat es ihm angetan - auf ihr kann er zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder beruhigt einschlafen.
Zwischendrin sehen wir auf beiden Seiten, wie wohl sich Chan und Lau in ihrem jeweiligen „Job“ fühlen könnten, wie die Grenzen ihrer Doppelleben sich vermischen und wie die Loyalität zu denjenigen wächst, die sie betrügen müssen. Das Spiel wird so um ein vielfaches schwieriger und komplizierter und die Frage bleibt zum Schluss immer die, nach der eigenen Identität. Das Geheimnis des Spitzels auf beiden Seiten wird für Lau und Chan zu einer Suche nach sich selbst und nach ihrem Alter Ego. Trotz dieses mystischen Themas ist „Infernal Affairs“ ein sehr moderner Film, der gerne zwischen allen Ebenen, die der Geschichte, als auch die der Charaktere, hin und her springt. Deshalb bedarf es schon einer großen Aufmerksamkeit, um diesem sonst sehr langsam inszenierten, Film zu folgen.
„Infernal Affairs“ ist ein reiner Männerfilm und die Frauenfiguren sind beschränkt darauf, das Familienleben der beiden Protagonisten zu erzählen. Sie sind gewissermaßen die Freizeitaktivitäten im Film und deshalb macht es nichts, wenn sich auch der Zuschauer in diesen Szenen eine Auszeit gönnt. Schön ist allerdings, dass es ganz wenig Dialog bedarf, um die komplexe Story zu transportieren und das ist in jedem Fall etwas, wovon Hollywood noch was lernen kann. Die dramatischen Höhepunkte des Films liegen eindeutig in den Szenen, wo sich Chan und Lau begegnen. Ob nun auf dem Dach eines Hochhauses mit grandiosem Ausblick, oder bei einer Infiltrierungsoperation über Headset. „Infernal Affairs“ weiß sehr genau mit Rhythmus umzugehen und funktioniert so auf einer fast rein emotionalen Ebene. Erstaunlich ist, dass in diesem Film, Noir aus allen Poren transpiriert, aber in ein Meer aus Sonnenlicht und Blau getaucht ist. Erstaunlich erfrischend.
Wie die beiden Regisseure Alan Mak (ebenfalls Co-Autor) und Andrew Lau (ebenfalls Co-Kameramann) zusammengearbeitet haben, ist ein Rätsel, doch herausgekommen ist ein sehenswerter und schrecklich tragischer, sowie inspirierender Cop-Thriller, mit allen Superstars des neuen Hong-Kong-Kinos. Als Tipp zum Schluss: das Prequel, "Infernal Affairs 2", kann sich durchaus mit dem ersten Teil messen - vielleicht ist es sogar umgekehrt, was wirklich sehr erstaunlich ist, doch von dem Sequel, "Infernal Affairs 3", sollte man die Finger lassen, da es wenig neues zur Gesamterzählung beiträgt und teilweise sich selbst kopiert. Irgendwann muss ja auch Schluss sein.
Hollywood sieht das anders, denn es ist natürlich bereits das Remake geplant (Arbeitstitel: "The Departed") und jetzt bitte festhalten: Martin Scorsese führt Regie. Leonardo DiCaprio und Matt Damon spielen die Hauptrollen. Man darf gespannt sein...