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    Battles Without Honor And Humanity
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Battles Without Honor And Humanity
    Von Björn Becher

    „Nobody’s born a yakuza!”

    Fast parallel zur Entstehung von Francis Ford Coppolas erstem Teil der überragenden Trilogie über Aufstieg und Fall der Familie Corleone (Der Pate), drehte Kinji Fukasaku, der in Deutschland wohl vor allem aufgrund des kontrovers diskutierten „Battle Royale“ bekannt ist, ein ähnliches Projekt. Verteilt auf fünf Filme entstand in den Jahren 1973 und 1974 ein schonungsloses, zum Teil realistisches Portrait des 25 Jahre dauernden Yakuza-Krieges von Hiroshima, das sich aber durch teilweise groteske Figurenüberzeichnung auch über die Yakuzas lustig macht. Als Vorlage benutzte Fukasaku hauptsächlich die Tagebücher und Erzählungen des ehemaligen Yakuza-Bosses Koichi Iiboshi. Fukasaku betitelte die ganze Reihe sowie ihren ersten Teil mit dem Namen „Battles Without Honor and Humanity“, heute wird die Reihe auch als „The Yakuza Papers“ bezeichnet. [1]

    Im Gegensatz zu Coppolas „Der Pate“, der mit den Mitgliedern der Familie Corleone, vor allem dem von Al Pacino gespielten Michael, klare Protagonisten über alle Filme hinweg hatte, fehlt ein solcher Protagonist in Fukasakus Werk. Am ehesten kann man noch Yoshio Yamamori (Nobuo Kaneko) und vor allem Shozo Hirono (Bunta Sugawara) als diese zentralen Gestalten bezeichnen, sind sie es doch zumindest im ersten Teil und funktionieren neben der Thematik als Bindeglied über die meisten Filme hinweg.

    Teil 1 spielt in Japan direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, zu Beginn noch unter amerikanischer Besatzung. Der junge Shozo Hirono, frisch aus dem Krieg zurück gekehrt, wandert ins Gefängnis, nachdem er einen Yakuza getötet hat. Hier lernt er Hiroshi Wakasugi (Tatsuo Umemiya) kennen, ein hochrangiges Mitglied der Doi-Familie. Die beiden werden nicht nur Freunde, sondern sogar Blutsbrüder. Aufgrund des Chaos im Nachkriegsjapan, verbunden mit überfüllten Gefängnissen, muss keiner seine Strafe absitzen, der genug zahlen kann. Hirono hat zwar selbst nicht genug Geld, doch der Geschäftsmann Yamamori kauft ihn auf Empfehlung der Doi-Familie und von Hironos Freunden frei. Letztere arbeiten mittlerweile für Yamamori und es dauert nicht mehr lange, bis daraus ein Yakuza-Clan entsteht - die Yamamori-Familie, deren Mitglied auch Hirono wird.

    Zu Beginn können die Doi- und die Yamamori-Familie noch friedlich koexistieren, doch als es bei der Einflussnahme auf eine Wahl zu unterschiedlichen Meinungen kommt, entsteht ein Streit. Vor allem Wakasugi sitzt nun zwischen den Stühlen, hat er doch dem Anführer seiner Familie, Kiyoshi Doi (Hiroshi Nawa), die Treue geschworen, ist aber auch der Blutsbruder von Hirono. Doch sein Zwiespalt erledigt sich ein Stück weit, denn als Doi ihn eines Tages bei Yamamori und Hirono antrifft, wird Wakasugi aus seiner Familie verbannt und schließt sich der Yamamori-Familie an. Der Streit zwischen den Familien spitzt sich immer weiter zu. Schließlich wird Yamamori klar, dass sie Doi töten müssen. Doch wer soll die Aufgabe übernehmen? Wakasugi hat Doi einst die Treue geschworen und will auch nach seinem Rauswurf diesen Schwur nicht brechen. Tetsuya Sakai (Hiroki Matsukata), nach Yamamori der Hochrangigste der Familie und sicherlich am besten geeignet für die Aufgabe, ist gerade nicht abkömmlich. So bleibt die Angelegenheit an einem der anderen hängen. Da sich alle als zu feige erweisen, erklärt Hirono sich bereit, die Sache zu erledigen, wohl wissend, dass ihn selbst wenn er den Auftrag planmäßig ausführt, aufgrund seiner Vorstrafe ein sehr langer Gefängnisaufenthalt oder sogar die Todesstrafe drohen könnten.

    Das bleibt nicht das einzige Problem für die Familie Yamamori, denn um den Einstieg ins Drogengeschäft gibt es Kontroversen. Zwischen einzelnen Mitgliedern der Familie und ehemaligen guten Freunden bricht Streit aus...

    Kinji Fukasakus „Battles Without Honor and Humanity” war eine Revolution des Genres. In anderen Yakuza-Filmen wurden deren Leben und Wirken meist romantisiert. Obwohl Gangster, waren die Protagonisten Helden, die cool wirkten und dazu im Stande waren - vor allem bei Jungen - Phantasien anzuregen, dass man doch gerne auch so ein Leben führen würde. Solche Schwärmereien vergehen nach dem Anschauen dieses Films. Dazu trägt nicht nur die schonungslose Brutalität von Fukasakus Reihe bei, sondern vor allem die Unterdrückung des Ehrenkodex. Wie es der internationale Filmtitel „Battles Without Honor and Humanity” schon andeutet, ist den Yakuzas die Ehre egal, sobald es zum großen Bandenkrieg kommt. Da werden ehemalige Freunde hinterrücks erschossen, dass sich jemand nach einer Ehrverletzung den kleinen Finger abschneidet, wie es bei den Yakuzas sonst üblich ist, kommt schon fast gar nicht mehr vor.

    Es geschieht nur einmal und das noch vor dem Ausbruch des großen Yakuza-Krieges. Der junge Toru Ueda (Goro Ibuki) beleidigt den ehrenhaften Kenichi Okubo und die Yakuzas, noch frisch im Geschäft, kommen darin überein, dass er sich als Entschuldigung den Finger abschneiden muss. Diese Szene ist ein Beispiel dafür, wie wenig Wert Fukasaku auf den Ehrenkodex der Yakuza legt und wie lächerlich er sich auch über die Yakuzas macht, denn er nutzt diesen Vorgang, um seine groteske Komik einzubringen. Erst einmal haben die jungen Männer keine Ahnung, wie sie das Abtrennen am besten bewerkstelligen sollen, dann springt der abgetrennte Finger noch weg und sie finden ihn schließlich im Hühnerstall wieder, wo dessen Bewohner schon etwas daran herumgepickt haben. Schlussendlich dürfen sie von Okubo noch erfahren, dass das Abtrennen des Fingers gar nicht nötig gewesen wäre, da es doch gar keine richtige Beleidigung war, sondern nur das Temperament junger Männer.

    Den Protagonisten fehlt es nicht nur größtenteils an Ehre (einer der wenigen, die diesen Kodex noch befolgen, ist Wakasugi - er gehört zum alten Eisen), sie sind auch in anderen Punkten nicht die coolen Gangster, die dazu geeignet sind, ihre Welt zu romantisieren. Als es um die Ermordung von Doi geht, entpuppen sich die meisten plötzlich als Feiglinge. Einer fängt an zu weinen, dass er den Auftrag nicht übernehmen könne, schließlich habe er doch Frau und Kinder und Angst davor zu sterben. Selbst Sakai, der vermeintlich brutalste und gefährlichste der Gruppe, gesteht am Ende, dass ihn das Leben als Yakuza krank mache und er dran denke, auszusteigen. Eine der besten Sequenzen des Films zeigt diesen Ausstieg, nur wohl anders, als er es sich gedacht hatte.

    Vor allem die Jungyakuzas stehen im Mittelpunkt von Fukasakus Spottattacken. Größtenteils sind sie nicht die gefährlichen, hippen Gangster, die man vermuten würde. Mit Ausnahme von Sakai, Hirono und Wakasugi sind die meisten der Gangmitglieder Tölpel, was sich bei den Attentaten sehr deutlich zeigt. Diesen fehlt es nicht nur in der Regel an professioneller Planung, sondern die jungen Yakuzas stellen sich auch mehr als ungeschickt an. Da funktionieren dann oftmals die Pistolen erst nicht richtig und die Gangster feuern unkontrolliert durch die Gegend. Dies gehört alles zum Vorhaben des Regisseurs, der ähnlich wie zum Beispiel Takeshi Kitano heute (dieser geht in Filmen wie „Brother“ oder Sonatine nur anders vor), das Bild der heldenhaften Yakuzas, das die Filme früher gezeichnet haben, völlig einreißt.

    Der Anfang der fünfteiligen Reihe von Fukasaku dient vor allem dazu, dies zu verdeutlichen. Aber auch spannungstechnisch weiß der Film zu überzeugen. Nur nach rund 50 Minuten Laufzeit kommt Fukasaku mal zu stark vom Kurs ab, bringt für einige Zeit zu viele neue Nebenfiguren ein, deren Zuordnung immer schwerer fällt. Hier werden schon Vorgriffe, vor allem auf Teil 2 vollbracht, denen man aber noch nicht ganz folgen kann. Glücklicherweise schafft er es aber, bevor der Zuschauer kapituliert und das Interesse verliert, wieder die Kurve zu kriegen, und in einer spannenden Schlussoffensive den Verfall und das Sterben der ehemaligen Freunde zu zeigen. Zudem funktioniert die Einbettung in den historischen Kontext sehr gut. Wenn auch nur am Rande ein Thema, schafft es der komplexe Film in den ersten Minuten durchaus, das schwere Leben im Nachkriegsjapan zu verdeutlichen.

    Fukasakus recht brutaler Film (gleich am Beginn werden einige Arme abgetrennt, im Finale zahlreiche Menschen von Pistolenkugeln mehrfach durchsiebt) gilt zu Recht als Meilenstein des Genres. Der erste Teil kann, vor allem wegen seines kurzzeitigen Abflachens, zwar nicht mit seinem westlichen „Pendant“ (auch wenn man den Vergleich nicht überstrapazieren sollte), dem ersten Teil von Coppolas „Der Pate“-Trilogie mithalten (was auch daran liegt, dass dieser für sich alleine besser funktioniert), ist jedoch unbedingt zu empfehlen.

    [1] die weiteren Filme sind:

    Battles Without Honor and Humanity: Deadly Fight in Hiroshima (1973)

    Battles Without Honor and Humanity: Proxy War (1973)

    Battles Without Honor and Humanity: Police Tactics (1974)

    Battles Without Honor and Humanity: Final Episode (1974)

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