Der letzte Abstecher des TV-Regisseurs Mark Mylod ins Kinogeschäft verlief alles andere als zufrieden stellend. Mit der britischen Klamauk-Groteske Ali G In da House fiel er nicht nur bei der internationalen Kritik in Ungnade, sondern blieb auch kommerziell hinter den Erwartungen zurück. Beim zweiten Anlauf macht Mylod vieles besser. Mit dem Robin-Williams-Vehikel „The Big White“ gelingt ihm dank zahlreicher skurriler Einfälle und jede Menge schwarzem Humor die Rehabilitation.
Paul Barnell (Robin Williams) besitzt ein kleines Reisebüro irgendwo in der eisigen Einöde Kanadas. Sein Traum ist es, gemeinsam mit seiner Frau Margaret (Holly Hunter), die an einer Art psychosomatischem Tourett-Syndrom leidet, in den warmen Süden auszuwandern. Doch das Wenige, das er verdient, reicht kaum, um seine Rechnungen zu bezahlen. Der Ausweg soll die eine Millionen Dollar schwere Lebensversicherung seines Bruders Raymond (Woody Harrelson) sein, der mittlerweile seit über fünf Jahren vermisst wird. Doch um eine Person ohne ihre sterblichen Überreste für Tod erklären zu lassen und die Versicherungsprämie kassieren zu können, muss diese mindestens sieben Jahre vermisst werden. Da kommt es Paul sehr gelegen, dass er eines Tages im Müllcontainer vor seinem Büro eine Leiche entdeckt.
Nach dem anfänglichen Schock (so eine tiefgefrorene Leiche in einem Müllcontainer bekommt man schließlich nicht alle Tage zu sehen) packt er den toten Körper in den Kofferraum seines Autos, stattet sie mit einigen persönlichen Gegenständen von Raymond aus und sorgt dafür, dass sie am nächsten Tag irgendwo in der Wildnis gefunden wird. Zunächst geht der Plan auch auf. Die unbekannte Leiche wird als Raymond identifiziert und Paul darf sich tatsächlich Hoffnung auf die Millionen machen. Doch dann tauchen die beiden Kleinkriminellen Gary (Tim Blake Nelson) und Jimbo (W. Earl Brown) auf, die eigentlich ihre eigenen Pläne mit der Leiche hatten. Und auch Versicherungsagent Ted (Giovanni Ribisi) riecht den Braten ebenfalls…
Humor ist wenn man trotzdem lacht. Und gerade zu Beginn ist „The Big White“ grandios komisch und dabei bitterböse. Was die arme, namenlose Leiche alles über sich ergehen lassen muss, ist hochgradig albern und dabei trotzdem lustig. Damit die Wölfe in der Wildnis sie ganz sicher anknabbern, wird sie kurzerhand mit Frischwurst und Steaks garniert. Auch Margarets (fiktive und frei erfundene) Krankheit erweist sich als Volltreffer. Wer bei ihrer Entführung nun wehrloses Opfer und wer Täter ist, ist eine nicht all zu leicht zu beantwortende Frage. Von der ganzen Stimmung her erinnert „The Big White“ in der ersten, wirklich überaus unterhaltsamen Hälfte an ein Fargo auf Droge (total nett gemeint!). Nur: Während die Cohen-Brüder mit feinem Händchen und eher subtil für einen modernen Klassiker sorgten, packt Mylod den ganz großen Hammer aus. Das funktioniert zweifelsohne eine ganze Weile, doch zum Ende hin gehen dem Film deutlich die Ideen aus und „The Big White“ kommt über eine eher lahme 08/15-Auflösung nicht hinaus.
Dass der Film zuvor allerdings blendend funktioniert, ist vor allem seinem hochkarätigen Ensemble zu verdanken. Robin Williams („Good Will Hunting“, [„Jumanji“) hat zwar dringend einmal wieder einen Hit nötig (daher kommt wohl bald auch „Mrs. Doubtfire 2“), aber es macht einfach einen Heidenspaß, ihm dabei zu zusehen, wie er sich immer tiefer in den Schlamassel hinein reitet. Giovanni Ribisi (Der Flug des Phoenix, Unterwegs nach Cold Mountain) ist der Punching Ball des Films. Egal, welches Fettnäpfchen ihm auf seinem Weg begegnet – er tritt garantiert hinein. Holly Hunter (Das Piano, Die Firma) darf munter einen knackigen Oneliner nach dem nächsten raushauen und kann so eine Vielzahl der Lacher auf ihr Konto verbuchen. Woody Harrelson kann zum Ende hin noch einmal den Dude auspacken und Alison Lohman (Tricks, Wahre Luegen) ist das bezaubernd-attraktive Eye Candy. Das ist natürlich alles streng nach Schema F und die einzelnen Rollen verlangen ihren Darstellern auch nicht all zu viel ab, aber so – und nur so – kann der Film eben funktionieren.
„The Big White“ können eigentlich keine all zu großen Vorwürfe gemacht werden. Die Möglichkeiten des Drehbuchs von TV-Autor Collin Friesen sind begrenzt, die Parallelen zum großen Vorbild Fargo unverkennbar. Im Grunde ist der Film ein einziges großes Abklatsch-Mosaik. Aber dem Film muss eines zu Gute gehalten werden, dass er nicht mehr sein möchte, als er eigentlich ist: ein bodenständiger Unterhaltungsfilm ohne großes Drumherum. Das ist sympathisch und will heutzutage doch schon einiges heißen. Wer sich also einfach einmal wieder ehrlich unterhalten lassen möchte und von einem Film auch nicht mehr erwartet, macht bei „The Big White“ nur wenig falsch.