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    Casomai
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Casomai
    Von Stefan Ludwig

    Besucher einer Sneak-Preview sind beim Öffnen des Vorhangs wohl größtenteils voller Hoffnung, entweder auf einen zukünftigen Kinohit oder auch einen anspruchsvollen Film mit Tiefgang, den man sonst vielleicht verpasst hätte, zu treffen. Für alle die nicht wissen, wie eine Sneak funktioniert: Die Zuschauer lösen ihr Ticket, ohne zu wissen, was sie im Saal erwarten wird. Solche Previews erfreuen sich wachsender Beliebtheit - doch wird ein Neuling mit einem Film wie "Casomai" überrascht, so wird er sich zwei Mal überlegen, ob er erneut eine Sneak besuchen möchte. Das italienische Drama von Alessandro D'Alatri greift mit den Problemen einer langjährigen Ehe mit Kind ein ernstes Thema auf, schafft es aber weder dies ernsthaft rüberzubringen, noch weiß er sonst irgendwie richtig zu gefallen.

    Zu Beginn ist ein junges Brautpaar zu sehen, das mit einem Pfarrer über die bevorstehende Heirat spricht. Nach einem kurzen Zeitsprung ist dann die Hochzeitsgesellschaft bereits versammelt und da der Pfarrer die Hochzeit zu etwas Besonderem machen möchte, fängt er an, Wahrscheinlichkeiten zu zitieren, die besagen, dass dieser Bund bereits jetzt nahezu zum scheitern verurteilt ist. Als sich im Publikum Einwände breitmachen, lässt er das Paar ihre Geschichte erzählen - vom Kennenlernen bist zur Schwangerschaft und den zahlreichen Probleme mit dem Kind.

    Die Handlung ist schon zu Beginn derart einfältig rübergebracht, dass sich schnell Langeweile breitmacht, die gegen Ende immer größer wird. Spannung ist nur durch die Frage "Wie soll dieser ganze Unsinn überhaupt enden?" gegeben. Das Sahnehäubchen wird dann durch den Schluss gekonnt aufgesetzt, aber im komplett negativen Sinne: Das, was den Film so langweilig machte, war letztlich völlig gleichgültig. Warum genau, soll hier aber noch nicht verraten werden. Trotzdem ist es gerade das misslungene Ende, das "Casomai" in die Bedeutungslosigkeit versinken lässt. Zu sehr taucht er ab in immer tiefere Abgründe der Klischees und lässt seine beiden Hauptpersonen die Probleme durchlaufen, die sich vielleicht viele mit Schrecken ausmalen, wenn sie an eine Bindung für das ganze Leben denken: Zu wenig Zeit für den Partner, kaum mehr gemeinsame Unternehmungen - besonders nicht abends -, die ständige Zwickmühle zwischen Arbeit und Familie und die Vernachlässigung der Freundeskreise.

    Es ist "Casomai" sicherlich anzurechnen, dass er die komplexe Problematik der Ehe aufgreift. Doch sogleich muss das ganz große "aber" folgen: Schlauer macht dieser Film nicht. Natürlich muss und sollte vielleicht auch gar keine Lösung geboten werden. Dennoch darf mehr erwartet werden als unzählige lächerliche Szenen, die in ihrer übermäßig starken Betonung der Gefühle viel zu aufgesetzt wirken. Zudem spielen die Hauptpersonen oft zu unnatürlich und, was noch viel schlimmer ist: Es gelingt ihnen nicht, eine Identifikation mit ihrem Schicksal in den Zuschauerreihen zu finden - zumindest nicht beim Sneak-Preview-Publikum. Wenn fast die Hälfte der Zuschauer den Saal vorzeitig verlässt, zeigt das in diesem Fall deutlich, wie wenig sich die meisten für das weitere Wohlergehen des Paares interessiert haben. An einem zu einfältigen Publikum, das nur wegen Action und Spezialeffekten ins Kino gelaufen ist, kann es hier nicht liegen.

    Bei einem durchaus wichtigen Thema wie der Aufrechterhaltung von Gefühlen über einen langen Zeitraum ist letztlich die Umgehensweise für den Erfolg entscheidend. In diesem Fall wird mit vor Gefühlen überbordenden Szenen derart um sich geworfen, dass es schlicht und ergreifend viel zu viel wird. Stefania Rocca und Fabio Volo sind das Brautpaar des Films und können ihn nicht retten. Im Gegenteil, sind es vielfach ihre Gesichtsausdrücke, die furchtbar überzogen wirken und einen eher zum Lachen als zum beabsichtigten Mitfühlen anregen. Der einzige Rettungsanker ist höchstens die Übersetzung, die vielleicht zu diversen unfreiwillig komischen Dialogen beigetragen haben mag. Die Originalversion war in Italien sehr erfolgreich und mag hoffentlich besser sein.

    Positive Aspekte sind allerdings mit ein wenig Mühe auch zu finden. So ist die Regietechnik in vielen Szenen gut gelungen und kann immerhin die beabsichtigte Stimmung klar einfangen. Das diese dann nicht funktioniert liegt oft an anderen Faktoren - den Dialogen, den Gesichtsausdrücken, dem unnötig schleppenden Verlauf der Geschichte. Es gibt außerdem einige funktionierende Gags in Szenen, die in Richtung Tragikömödie tendieren. Doch die meisten Gagversuche scheitern daran, dass nicht nur ihr plötzliches Auftreten, sondern besonders die Art stark irritiert. Zu billig, fehl am Platze oder komplett unpassend sind ihre Attribute. Insgesamt kommt bei "Casomai" ein Film heraus, der vielleicht denen gefallen kann, die die dargestellten Probleme schon fast genauso selbst erlebt haben oder gerade erleben. Alle anderen sollten um den Film einen Bogen machen. Sie werden nämlich sonst ständig gewillt sein, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen angesichts solcher stupiden Verhaltensweisen, wie sie von den Hauptfiguren dargestellt werden. Vieles wiederholt sich außerdem so häufig, dass es am Ende nur noch nervt, auch wenn das Problem - wie etwa das Weggehen mit Freunden trotz Kind - sicherlich diskussionswürdig ist.

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