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    Traitor
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Traitor
    Von Christian Roman

    „Terrorismus ist Theater und Theater braucht immer ein großes Publikum.“ Schenkt man diesen Worten des islamistischen Terrorführers Nathir aus dem Polit-Thriller „Traitor“ Glauben, so könnte der Umkehrschluss lauten: Ein großes Publikum fährt auch auf Terrorismusfilme ab. Aber Falsch gedacht: Schon im Jahr 2005 hätte sich Stephen Gaghan mit seinem hochkomplexen Thriller Syriana mehr als solide Zahlen verdient und das packende Nahost-Kriegsdrama Battle For Haditha landete gar trotz historisch gewissenhafter Rekonstruktion nur in den Videothekenregalen. Viele Zuschauer erhoffte sich der Verleih hierzulande wohl auch nicht von „Traitor“, weshalb die US-Produktion ohne Umwege über die deutschen Kinosäle gleich auf DVD erscheint. Zu Unrecht, denn Jeffrey Nachmanoffs dritte Regiearbeit glänzt mit einem brillanten Don Cheadle in der Hauptrolle und zeichnet ein atmosphärisch dichtes, wenn auch provokantes Bild des internationalen Terrorismus.

    In der US-Botschaft in Nizza fliegt ein selbstgebastelter Sprengsatz in die Luft. Die islamische Terrororganisation Al Nathir bekennt sich zu den Anschlägen und ruft das FBI auf den Plan. Agent Roy Clayton (Guy Pearce) und sein Kollege Max Archer (Neil McDonough) werden schnell fündig: Samir Horn (Don Cheadle), US-Amerikaner sudanesischer Abstammung, wird mit dem Attentat in Verbindung gebracht. Was die beiden aber zu spät erfahren: Samir stand lange Jahre auf der Gehaltsliste der CIA und wurde als V-Mann in das islamische Terrornetzwerk eingeschleust. Seit Samir allerdings vor einigen Jahren untergetaucht ist, zweifelt selbst die US-Regierung an seiner Integrität. Nach der Ermordung seines einzigen Vertrauten, dem CIA-Kontaktmann Carter (Jeff Daniels), droht Samir schließlich, immer tiefer in den Sog der muslimischen Bruderschaft gezogen zu werden…

    Samir: „Wie weit soll das denn noch gehen? Wir haben Blut an unseren Händen. Wir haben unschuldige Menschen getötet!“

    Carter: „Und wenn wir jetzt abbrechen, sind sie völlig umsonst gestorben. Das hier ist Krieg!“

    Samir: „Du weißt wie du dich anhörst.“

    Carter: „Wir sind die Guten, Samir!“

    Was auf den ersten Blick wie ein seichter Spionage-Thriller der Marke Hollywood anmutet, entpuppt sich bereits in der ersten Hälfte des Films als erstaunlich vielschichtige Charakter- und Milieustudie. Jeffrey Nachmanoff („Hollywood Palms“), der für Regie und Drehbuch gleichermaßen verantwortlich zeichnet, nähert sich den Themen Religion und Terrorismus mit dem nötigen Feingefühl: Protagonist Samir Horn ist ein überzeugter Moslem, der seine Identität zwischen dem traditionellen Islam und dem progressiven Westen verloren zu haben scheint. Ein Gläubiger, der nach den Regeln des Korans vor dem Gebet Hände und Füße wäscht, zugleich aber Absolution für die Morde an Unschuldigen sucht. Das ewige Dilemma, wenige opfern zu müssen, um viele zu retten, frisst den gläubigen Samir zusehends auf und stellt sein Wirken grundlegend in Frage. Eben diese Ausgangsituation ist es, die „Traitor“ einen intensiven Spannungsbogen verleiht. Bis zum cleveren Finale bleibt der Zuschauer im Unklaren, ob Samir längst die Seiten gewechselt hat oder doch noch im Auftrag der CIA handelt.

    In der zweiten Hälfte dominieren dann Gewaltakte und die Verfolgung der Terroristen durch das FBI das Geschehen. Ähnlich wie schon in Syriana jagt der Regisseur seine Protagonisten quer über den Globus: London, Madrid, später auch Chicago und Washington – überall hinterlassen die Bombenleger eine Spur der Verwüstung. Mit seinen hektischen (Hand-)Kamerafahrten, den überstrahlten Außenaufnahmen und dem pumpenden Score von Komponist Mark Kilian (Machtlos, Tsotsi) ruft der Inszenierungsstil Erinnerungen an die Bourne-Trilogie wach. Es wird gute Thriller-Kost geboten, das hohe Niveau der ersten Hälfte kann „Traitor“ so allerdings nicht bis zur Auflösung halten.

    Dank des starken Drehbuchs konnte Nachmanoff den Charakter-Mimen Don Cheadle (Ocean’s 13, Hotel Ruanda) für sein Projekt gewinnen. Ein Glücksgriff, gelingt es Cheadle doch hervorragend, seiner Rolle den nötigen Tiefgang zu verleihen. Von Schuldgefühlen zerfressen, droht sich der vermeintliche Terrorist Samir im Kreis seiner Glaubensbrüder zu verlieren. Cheadle trägt diese innere Zerrissenheit dabei gewohnt souverän an das Publikum heran. Allerdings hat diese Präsenz auch einen Haken: Neben Cheadle bleiben Guy Pearce und Neil McDonough als FBI-Agenten austauschbar. Bedauerlich, immerhin überzeugte insbesondere Pearce (Bedtime Stories, Memento) bereits 1997 in Curtis Hansons Cop-Thriller-Meisterwerk L.A. Confidential als ehrgeiziger Gesetzeshüter.

    Fazit: Spionage-Thriller oder Polit-Drama? „Traitor“ ist beides. Dennoch gelingt es Regisseur Jeffrey Nachmanoff, ein erschreckend realistisches Szenario auf die Leinwand zu bannen, ohne dabei die gängigen Klischees islamischer Terroristen zu bedienen. Insbesondere der herausragenden Leistung Don Cheadles ist es zu verdanken, dass „Traitor“ von der ersten bis zur letzten Minute unter die Haut geht.

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