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    Babylon A.D.
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Babylon A.D.
    Von Jonas Reinartz

    Der Durchbruch gelang Vin Diesel mit seiner Darstellung des charismatischen Schwerverbrechers Richard B. Riddick in David Twohys B-Movie-Perle Pitch Black. The Fast And The Furious und xXx - Triple X bescherten Hollywood bald darauf gigantische Einnahmen und machten Diesel zum millionenschweren Superstar, der, so schien es, die Nachfolge der muskelbepackten Action-Heroen aus den 80er Jahren antreten würde. In jüngster Zeit ist es jedoch etwas still geworden um den New Yorker. Ein lange geplantes Projekt über den karthagischen Feldherrn Hannibal wurde aufgrund von Finanzierungsproblemen nicht realisiert und der letzte kommerzielle Erfolg liegt mit der missglückten „Kindergarten Cop“-Variante Der Babynator nun auch schon länger zurück. Bemerkenswert hingegen war Diesels schauspielerische Leistung als Mafiosi in Sydney Lumets Find Me Guilty, die ihm zuvor viele Kritiker nicht zugetraut hätten. Nun spielt er in gewohnter Haudrauf-Manier die Hauptrolle in Mathieu Kassovitz’ (Hass - La Haine, Die purpurnen Flüsse, Gothika) düsterer französisch-amerikanischer Co-Produktion „Babylon A.D.“, welche lose auf dem umfangreichen französischen Science-Fiction-Roman „Babylon Babies“ von Maurice G. Dantec basiert. Im Vorfeld hatten Nachrichten über ein überzogenes Budget und konfliktreiche Dreharbeiten die Runde gemacht, das Ergebnis ist dennoch solides Action-Entertainment, das zwar nicht durch Originalität besticht und seine interessante Ansätze nur selten voll ausreizt, angesichts einer beeindruckenden Inszenierung und packenden Momenten aber trotzdem sehenswert ist.

    Die Erde in der nahen Zukunft: Unzählige Kriege und andere Katastrophen haben die Menschheit ins Chaos gestürzt. In Kasachstan fristet der hünenhafte Kriegsveteran und Söldner Toorop (Vin Diesel) sein Dasein und muss täglich um sein Überleben kämpfen. Einsam haust er in einem heruntergekommenen Appartement und hält sich nur mühsam über Wasser. Da macht ihm der einflussreiche Mafia-Pate Gorsky (Gérard Depardieu) ein verlockendes Angebot. Toorop soll die bildhübsche Aurora (Mélanie Thierry), die hinter Klostermauern aufwuchs, unbeschadet nach New York bringen. Als Belohnung steht ein Neuanfang in Amerika in Aussicht. Zunächst betrachtet der desillusionierte Einzelgänger den Auftrag noch als reinen Routinejob, den er schnell hinter sich bringen möchte. Doch schon bald häufen sich die Merkwürdigkeiten: Auf einem Markplatz kommt es zu einer fatalen Explosion, vor der das Mädchen kurz zuvor gewarnt hatte. Toorop kommen zunehmend Zweifel an seiner Aufgabe, denn er erfährt, dass Aurora in New York einer mysteriösen Sekte übergeben werden soll…

    Kassovitz’ Inszenierung ist, wie schon in seinen vorherigen Projekten, auf höchstem internationalem Niveau. Dass er als Kameramann Thierry Arbogast, der gemeinsam mit Luc Besson visuelle Meisterwerke wie Léon - Der Profi oder Das fünfte Element schuf, engagierte, spricht eine deutliche Sprache. Von einem Ausverkauf an Hollywood kann bei aller Opulenz aber dennoch nicht die Rede sein: In den 80er Jahren hatte sich in Frankreich das sogenannte „Cinema du look“ entwickelt, eine Bewegung, die sich als konsequentes Kontrastprogramm zum klassischen Autorenfilm verstand, den sie als zu verkopft und intellektuell empfand. Federführend waren hierbei Besson, Jean-Jacques Beineix („Diva“, „Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“) und Leos Carax („Boy Meets Girl“, „Die Liebenden von Pont Neuf“). Deutlich beeinflusst von Werbeclips und flamboyanter MTV-Ästhetik, mischten sie die Kinolandschaft ihres Heimatlandes gründlich auf und haben bis heute bleibende Spuren hinterlassen - Filmemacher wie Kassovitz oder Christophe Gans (Pakt der Wölfe, Silent Hill) sind ihre Erben.

    Folglich bietet sich dem Betrachter eine auf Hochglanz getrimmte Optik. Bereits die Eröffnungssequenz, die mit einer Weltraumansicht der Erde beginnt und in eine rasante Kamerafahrt durch die Straßen New Yorks übergeht, weiß gekonnt zu fesseln. Zudem arten die Actionszenen nicht in den derzeit beliebten Shaky-Cam-Duktus aus, so dass stets die Übersicht gewahrt bleibt. Bei allem Style gerät die visuelle Gestaltung nie zum puren Selbstzweck und trotz des relativ moderaten Budgets von 60 Millionen Dollar wirken selbst die digitalen Effekte hervorragend. Denkt man an spektakuläre Zukunftsvisionen wie Blade Runner oder Minority Report zurück, kann „Babylon A.D.“ in Sachen ausufernder Phantasie sicherlich nicht mithalten. Dies stellt jedoch keinen allzu schweren Nachteil dar, denn Mathieu Kassovitz wollte nach eigenem Bekunden (und sicherlich auch aus Kostengründen) ein „plausibles Zukunftsszenario“ entwerfen, was ihm treffend gelingt. So wirken dann auch die ersten Szenen, die den kargen Alltag des Protagonisten schildern, gerade aufgrund ihrer Verweigerung, sich gängiger Science-Fiction-Klischees zu bedienen, sehr beklemmend. Erst nach und nach schleichen sich futuristische Details, etwa eine Landkarte auf elektromagnetischem Papier, in die Handlung ein. Bedauerlich ist allerdings, dass die Hintergründe der dargestellten Welt nur sehr grob erläutert werden. Brisante Themen, darunter Genmanipulation und die von Sekten ausgehende Bedrohung, werden zwar angerissen, jedoch nicht vertieft. Zum Teil ist dies der Dramaturgie geschuldet, die angeblich anvisierte Gesellschaftskritik steht eindeutig hinter der zügigen Erzählweise zurück.

    Zweifellos ist Muskelklops Vin Diesel auch hier eine imposante Erscheinung. Die Rolle der Kampfmaschine Toorop passt dem ehemaligen Türsteher wie angegossen. In der Originalfassung sind seine Auftritte sogar noch um einiges eindrucksvoller, denn wie er mit seiner unfassbar tiefen Stimme knurrt, hat – ungeachtet seiner limitierten mimischen Fähigkeiten - schon einen enormen Unterhaltungswert. Daneben gelingt es ihm, durch gelegentliche ironische Momente zusätzlich Sympathie für seine Figur zu wecken. Momentan finden sich in Hollywood eben nur wenige Darsteller, die dem Typus des starken Helden so perfekt entsprechen wie Diesel. Hierzulande noch gänzlich unbekannt ist die lolitahafte Mélanie Thierry, die sich auch abseits ihres makellosen Äußeren wacker schlägt. Glaubhaft verkörpert sie eine Frau, die das erste Mal in ihrem Leben ihr behütetes Zuhause verlässt und mit der harschen Realität einer ins Chaos gestürzten Welt konfrontiert wird. Sie bleibt wohltuend zurückhaltend, selbst in Passagen, die ansonsten in triefendes Pathos hätten abgleiten können.

    Michelle Yeoh (James Bond 007 - Der Morgen stirbt nie, Tiger und Dragon, Die Geisha), Asiens weiblicher Action-Star Nummer 1, spielt routiniert, darf ihre Kampfkünste jedoch nur in einer einzigen Szene präsentieren. In die Rolle des Unterweltkönigs Gorsky zu schlüpfen, scheint Gérard Depardieu (Green Card, 1492 - Die Eroberung des Paradieses, La Vie En Rose), obwohl er nur zwei kurze Auftritte hat, sichtlich Freude zu bereitet zu haben. Charlotte Rampling (The Verdict, Swimming Pool, In den Süden) bestätigt als gefühlskalte Hohepriesterin erneut ihren hervorragenden Ruf als Ausnahme-Aktrice, doch sie bekommt einfach zu wenig Raum, um ein wirkliches Profil zu entwickeln. Ähnliches gilt für Lambert Wilson (Matrix Reloaded, Catwoman, Herzen) als genialer Wissenschaftler Darquandier, auch hier wurde einiges an Potential verschenkt.

    Fazit: Bahnbrechendes sollte nicht erwartet werden. Ungeachtet dessen bietet „Babylon A.D.“ hervorragend inszenierte Action, eine gute Besetzung und eine vorwärts drängende Story. Es ist zwar fraglich, wie er sich angesichts der starken Blockbuster-Konkurrenz und der schwächelnden Popularität seines Hauptdarstellers an den Kinokassen behaupten wird, eine Chance hätte er – gerade bei Freunden des Sci-Fi-Genres – aber auf jeden Fall verdient.

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