Würdest du eine fremde Familie opfern, um deine eigene zu retten? Eine durchaus interessante Frage, die einem da auf dem amerikanischen Originalposter zu Florent Emilio Siris „Hostage“ gestellt wird. Zwar nicht vollkommen neu, aber durchaus interessant. Genügend Stoff für einen starken Thriller würde das Thema allemal hergeben. Doch leider ist das neueste Bruce-Willis-Vehikel nur knapp über dem Genre-Durchschnitt anzusiedeln.
Jeff Talley (Bruce Willis) ist einer der am höchsten dekorierten Mitglieder des Los Angeles Police Department. Sein Fachgebiet sind Verhandlungssachen bei Geiselnahmen. Und er ist gut. Verdammt gut. Unter seiner Leitung ist noch nie eine Geisel ums Leben gekommen. Doch dieser Umstand macht ihn gleichermaßen arrogant wie leichtsinnig. Es kommt, wie es kommen muss. Er verliert bei einer Geiselnahme die Kontrolle über die Situation. Als er sich endlich eingesteht, dass mit Verhandlung hier nichts zu erreichen ist und er den Befehl zum Stürmen gibt, ist es zu spät. Der Geiselnehmer hat bereits alle erschossen – inklusive sich selbst – und ein kleiner Junge stirbt in Jeffs Armen.
Das ist selbst für unseren gestanden Helden zu viel. Er hängt seinen nervenaufreibenden Job in Los Angeles an den Nagel und nimmt eine Stelle als Sheriff in dem verschlafenen Provinznest Bristo Camino an. Am liebsten sind ihm die No-Crime-Mondays. Die No-Crime-Tuesdays sind allerdings auch nicht zu verachten. Doch mit der Ruhe ist es so eine Sache. Zumal sie in einem Action-Thriller in der Regel von nicht all zu großer Dauer ist. Den Stein ins Rollen bringen dabei die drei Nachwuchs-Gangster Dennis (Jonathan Tucker), Mars (Ben Foster) und Kevin (Marshall Allman). Die drei brechen ins Anwesen der Familie Smith ein, um sich deren Luxus-Karosse unter den Nagel zu reißen. Doch dummerweise wird dabei der stumme Alarm ausgelöst. Die Situation eskaliert und sie haben keine andere Wahl, als das Familienoberhaupt (Kevin Pollak) nebst den Töchtern Jennifer (Michelle Horn) und Filius Tommy (Jimmy Bennett) zu kidnappen...
Der französische Regisseur Florent Emilio Siri dürfte bislang allenfalls absoluten Insidern ein Begriff sein. Auszeichnen konnte sich dieser bisher primär durch seine Mitarbeit an dem Konsolen- und PC-Spielen der „Splinter Cell“-Reihe und dem französischen Actioner „Das tödliche Wespennest“. Beginnen wir zunächst damit, was er und Drehbuchautor Doug Richardson („Stirb langsam 2“, „Bad Boys“) bei der Adaption von Robert Crais’ Roman gut gemacht haben. Zwangsläufig muss hier das an sich packende Szenario genannt werden. Damit ist jetzt weniger das Konzept um den Verhandlungsführer und den Geiselnehmer gemeint. Das ist altbekannt. Weitaus origineller ist hingegen das Haus, in dem die Geiselnahme stattfindet. Dieses ist eine private Hochsicherheitseinrichtung auf dem Gipfel eines Berges. Außenscheinwerfer, Metallgitter, Panzerglasscheiben… eben alles, das die Paranoia der fucking rich people (O-Ton: Bruce Willis) befriedigt. Und mitten drin drei junge Leute, die mit der Situation maßlos überfordert sind. Hier entwickelt sich tatsächlich ein faszinierendes und auch überaus spannendes Kammerspiel.
Weitaus weniger gelungen ist hingegen die zweite Komponente von „Hostage“. Und hier kommen wir nun auf die eingangs gestellte Frage zurück. Würdest du eine fremde Familie opfern? Ja wie? Warum opfern? Und welche Familie eigentlich? „Hostage“ wartet neben dem Entführungsdrama noch mit einer groß angelegten Verschwörungsstory auf. Im Inneren des Hauses befindet sich eine DVD mit Daten, die für eine dubiose Organisation von immenser Bedeutung ist. Und da dieses Verbrecher-Syndikat die DVD unbedingt wieder haben möchte, entführt es kurzerhand die Familie von Jeff Talley. Kontrolliere die Familie des Verhandlungsführers und du kontrollierst du Situation. So einfach ist die Rechnung. Schade ist dabei nur, dass dieser Handlungsstrang viel zu konstruiert wirkt und der Bogen der Glaubwürdigkeit all zu oft überspannt wird. Highlight ist dabei, dass ein militärisch gedrilltes Einsatzkommando (oder ist es doch ein gekauftes FBI-Squad?) sich so richtig von einem Amok laufenden Teenie vorführen lässt. Die Auflösung dieses Subplots ist ebenfalls alles andere als zufrieden stellend und lässt mehr Fragen offen, als beantwortet werden.
An den einzelnen Darstellern lässt sich wenig bemängeln. Nach seinem Ausflug ins Komödienfach („Keine halben Sachen 2“) kehrt Bruce Willis wieder in das Genre zurück, das ihn groß gemacht hat und schlüpft einmal mehr in seine Paraderolle als Held wider Willen. Entsprechend routiniert ist das Ergebnis. Kevin Pollak („Die üblichen Verdächtigen“, „Casino“) verbringt einen Großteil des Films gefesselt und bewusstlos am Boden liegend. Entsprechend unsinnig wäre ein detailliertes Fazit. Die Nachwuchs-Darsteller machen ihre Sache hingegen recht gut. Insbesondere Michelle Horn und Jimmy Bennett wissen als gepeinigtes Geschwisterpaar zu gefallen. Einzig Ben Foster trägt als wandelnde Zeitbombe mit gestörter Persönlichkeit hier und da eine Spur zu dick auf.
Sicherlich, „Hostage“ ist ein kurzweiliger Film, dem es durchaus gelingt zu fesseln. Keine Frage. Doch leider muss auch angemerkt werden, dass sich der Actioner in gewisser Hinsicht selbst im Weg steht. Hätten die Macher den Schwerpunkt auf dem Geisel-Thriller belassen und den halbgaren Verschwörungsmist gestrichen, dann könnte auf die Filmstarts-Wertung durchaus noch zwei Punkte aufgeschlagen werden. So wird „Hostage“ Genre-Freunde zufrieden stellen. Mehr dann aber auch nicht.