Mein Konto
    Number 23
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Number 23
    Von Carsten Baumgardt

    Ein Mann mit zwei Gesichtern: Jim Carrey. Der Kanadier erstaunte Publikum und Kritik 1998 in Peter Weirs Meisterwerk Die Truman Show plötzlich aus heiterem Himmel mit einer überragenden Leistung im ernsthaften Fach. Ja, der Grimassenschneider vom Dienst kann auch seriös überzeugen. Fortan pendelte der Star zwischen Anspruch („Der Mondmann“, Vergiss mein nicht) und Klamauk (Bruce allmächtig, Dick und Jane). Dabei dauerte es lange, bis Carrey nach seiner ersten Hauptrolle 1983 („Spaß am Copper Mountain“) erst ganze elf Jahre später mit den Hits „Ace Ventura“ und „Die Maske“ überhaupt den großen Durchbruch zum Superstar schaffte. In Joel Schumachers „The Number 23“ ist nun wieder der ernste Carrey gefordert. Der griffige Paranoia-Thriller gefällt durch Düsternis und Stil, biedert sich aber im entscheidenden Moment zu sehr dem Mainstreampublikum an.

    Ein Vierbeiner verändert das Leben des städtischen Hundefängers Walter Sparrow (Jim Carrey) – ausgerechnet an dessen 32. Geburtstag. Weil ihn ein besonders knurriger Geselle in den Arm beißt, kommt er zu spät zu einem Treffen mit seiner Frau Agatha (Virginia Madsen), die stattdessen in eine Bücherei schlendert und auf ein Buch stößt, das sie später ihrem Mann schenkt. In diesem seltsamen Roman dreht sich alles um die Zahl 23. Schon bald ist Sparrow völlig verwirrt, die Thriller-Handlung um die Hauptfigur Fingerling (Jim Carrey) erinnert ihn frappierend an Fakten aus seinem eigenen Leben. Die bizarre Story des hartgesottenen Detektivs, der sich in einem Netz aus Gewalt, Sex und Intrigen gegen die Femmes Fatale Fabrizia (Virginia Madsen) und Suicide Blonde (Lynn Collins, Der Kaufmann von Venedig) behaupten muss, zieht ihn in ihren Bann. Während Agatha ihn für verrückt hält, glaubt ihm Sohn Robin (Logan Lerman, The Butterfly Effect) die fantastische Geschichte. Der schockierende Mordfall des Buches scheint einen qualvollen Bezug zur realen Gegenwart zu haben. Sparrows Besessenheit nimmt von Tag zu Tag zu, Psychiater und Hausfreund Issac French (Danny Huston, Der ewige Gärtner) soll helfen.

    Die Zahl 23 übt seit jeher eine besondere Faszination aus und steht gleichsam wie keine andere Ziffernkombination für Paranoia und Verschwörung, was bereits Hans-Christian Schmidt in seinem superben Thriller 23 (1998) aufgriff. Mit dem Plot dieses Films hat Joel Schumachers Hollywood-Produktion jedoch nichts zu tun und lediglich die Fixierung auf das Phänomen der 23 gemein. Eine Ironie am Rande: Film- und Fernsehproduktionen zusammengezählt, ist „The Number 23“ Schumachers 23. Film. Und dazu präsentiert sich der New Yorker, der eine extrem wechselreiche Karriere vorzuweisen hat, wieder in guter Form. Die Tiefpunkte seiner albernen „Batman“-Interpretationen sind vergessen, er setzt seine Rehabilitation (Nicht auflegen!, Die Journalistin) weiter fort.

    Der Thriller baut sein gesamtes Fundament auf der Grundidee auf, aus der heraus sich zwei Stränge entwickeln. Im realen Teil der Handlung müssen Hundefänger Sparrow und seine Familie das Rätsel um die übergreifenden Vorgänge in dem Roman entschlüsseln, während im Subplot direkt aus dem ominösen Buch zitiert wird. Fällt trotz einer düsteren und etwas verschnörkelten Optik die Haupthandlung noch recht konventionell aus, gibt Schumacher bei den Erlebnissen des fiktiven Detektivs Fingerling ordentlich Gas. Diese Sequenzen sind gnadenlos over the top inszeniert, gespielt und bis an die Schmerzgrenze wie in einer Comic-Verfilmung stilisiert. Die Trennlinie zwischen Coolness und unfreiwilliger Komik ist fließend - im Prinzip reine Geschmackssache. Wer an „The Number 23“ Freude haben will, muss dazu fähig sein, sich auf die extremen Gegensätze der verschiedenen Welten, die nach und nach zu verschwimmen drohen, einzulassen. Dann kann die atmosphärische Dichte voll zur Entfaltung kommen.

    Schauspielerisch wartet der Film mit grundsoliden Leistungen auf. Zwölf Jahre nach der ersten Zusammenarbeit Schumachers und Carreys hat die zweite nichts mehr mit den Kaspereien aus „Batman Forever“ zu tun. Der Schachzug, Jim Carrey zu besetzen, geht in großen Teilen auf – doch trotz seiner ansprechenden Leistung fehlt ihm noch etwas zur Idealbesetzung. Das Attribut der Gefährlichkeit Fingerlings geht Carrey ein wenig ab. Aber er hat sichtlich Spaß daran, den harten Macker zu geben. Virginia Madsen (Sideways, Last Radioshow) spielt das rationale Gewissen des Films und gefällt in dieser Funktion. Sie gibt „The Number 23“ Bodenkontakt, den Carreys Figur auf beiden Ebenen verloren hat.

    Neben den optischen Finessen punktet vor allem der Faktor Spannung. Thriller-Profis wird die harte Plot-Wendung nicht unbedingt aus den Schuhen hauen, weil sie bei gutem Mitdenken zu erahnen ist, aber dennoch fügt sich dieser Haken hübsch ins finstere Gesamtbild ein. Die größte Anziehungskraft übt „The Number 23“ aus, wenn Schumacher im Stakkato-Tempo mit dem Irrsinn um den Mythos der Zahl 23 spielt und dies in schnieken Mätzchen auf die Leinwand bringt. Dabei hält er die Schlagzahl so hoch, dass kaum Zeit bleibt, groß nachzudenken und sich der Zuschauer am besten einfach dem Rausch der Bilder hingibt. Genau dann ist der Paranoia-Reißer am effektivsten. Fans von Verschwörungstheorien kommen hier auf ihre Kosten.

    Dass am Ende nicht mehr heraus kommt als ein gutes Werk, verhindert Schumachers knietiefe Verbeugung vor dem Mainstreampublikum. Während Marc Forster die Zuseher in seinem meisterhaften Mystery-Thriller Stay forderte und ihnen schlussendlich einen vollen Kopf(nuss)treffer zumutete, setzt Schumacher auf die ganz sichere Nummer. Haarklein bis ins letzte Detail dröselt er dem Publikum in der Auflösung den Plot auf. So bleibt wenig Mysteriöses zurück, lediglich ein unterhaltsamer Thriller. Das ist schließlich auch nicht übel - allerdings sollte der Zuschauer schon ein Faible für die Thematik mitbringen. Für Fortgeschrittene bleibt dann im zweiten Schritt nur der Gang in die Videothek, um sich Forsters „Stay“ zu leihen... Ach ja: Ehrensache natürlich, dass „The Number 23“ in den USA am 23. Februar – und in Deutschland zumindest einen Tag vor dem 23. März – in die Kinos kommt...

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top