Wir schreiben das Jahr 2000 - die Fetthenne ist Staude des Jahres, George W. Bush wird 43. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und im Kino geht eine Ära zu Ende. Nicht lange nach dem Start des überambitionierten Animationsspektakels „Titan A.E.)" wird klar, dass der Streifen grandios gefloppt ist. Die produzierenden Fox Animation Studios müssen die Segel streichen, Regisseur Don Bluth hat die Talsohle erreicht. Seitdem hat der Mann, dessen Werke in den 1980ern selbst dem Branchen-Primus Disney standhielten, keinen Film mehr in die Kinos gebracht. Doch 1988 ist die Welt noch in Ordnung, Produktionen aus dem Hause Bluth gelingt es mit bestechender Regelmäßigkeit, beim Platzhirsch über den Zaun zu fressen, noch dazu brauchen sie den künstlerischen Vergleich nicht zu scheuen. Unter diesen Streifen gilt „In einem Land vor unserer Zeit" gemeinhin als der Beste. Zu recht.
Der junge Apatosaurier Littlefoot ist nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter auf sich gestellt. Getrennt vom Rest seiner Herde macht er sich auf, um ins Große Tal zu gelangen, das Pflanzenfressern Nahrung im Überfluss verspricht. Unterwegs schließen sich ihm nach und nach vier weitere Jungsaurier an. Doch der Weg steckt voller Gefahren. Bedroht von Naturkatastrophen und hungrigen Räubern lernt die Gruppe Zusammenhalt und Freundschaft. Zwölf Fortsetzungen, eine TV-Serie und Unmengen an begleitendem Merchandise: „In einem Land vor unserer Zeit" wurde zum erfolgreichen Franchise ausgebaut, ging als Marketing-Streufeuer durch die Kinderzimmer der westlichen Pop-Hemisphäre. Das verwundert nicht – denn als ausführende Produzenten standen Steven Spielberg und der Fürst der totalen Vermarktung, George Lucas, hinter der Produktion.
Keiner der Nachfolger kann mit dem Charme des Originals mithalten - welches übrigens in Abgrenzung gegenüber Disney als einziger Teil der Reihe kein Musical ist. „In einem Land vor unserer Zeit" richtet sich glasklar vor allem an ein junges Publikum. Anspielungen für erwachsene Zuschauer, wie sie heute in der Animationssparte üblich sind, sind hier Mangelware. Für die kinderfreundliche Laufzeit von nur rund 70 Minuten sind in diesem Sinne entfallene Szenen verantwortlich, die den bösen T-Rex „Scharfzahn" mehr in den Blickpunkt rückten, aber dann als zu furchterregend galten. Hier konnte sich Regisseur Bluth nicht durchsetzen, als er meinte, solange ein Happy End folge, könne man Kinder nahezu allem aussetzen.
Beim kleinen Littlefoot, der furchtbar überfordert ist mit dem Verlust seiner Mutter, hat „In einem Land vor unserer Zeit" sein emotionales Zentrum. Aber auch für die übrigen Mitglieder der ungleichen Gruppe, die gutmütige Ducky, Spätzünder Petrie, den zurückgebliebenen Spike sowie das kiebige Triceratops-Mädchen Cera, ist die Reise ins Große Tal ein Charakter-Test. Um zu überleben, müssen sie über sich hinauswachsen, ihre Ängste und Vorurteile überwinden. Das ist klassische Familienunterhaltung mit Botschaft, jedoch glücklicherweise fernab plumper Pädagogik. Lucas und Spielberg, der 1993 mit „Jurassic Park" seinen ganz eigenen Dino-Boom auslösen sollte, hatten ursprünglich einen Animationsfilm ohne Dialoge geplant. Im Sinne besserer Zugänglichkeit wurde die Idee jedoch wieder verworfen.
Eine gute Entscheidung – denn die Arbeit der Original- und Synchronsprecher ist hervorragend. Statt auf Prominente zu setzen, ließ Bluth gestandene Voice-Actors ans Mikro, etwa den 2009 verstorbenen Pat Hingle. In puncto Animation allerdings hat sich der als verspielt bekannte Bluth tatsächlich selbst übertroffen – zum Zeitpunkt der Produktion waren die akkurate Mimik und die flüssigen Bewegungsabläufe maßgeblich. „In einem Land vor unserer Zeit" ist ein Zeichentrickfilm, der sein Publikum ernst nimmt und kleinen Zuschauern die komplizierte Auseinandersetzung etwa mit Verlust und Vorurteilen zutraut. Wunderbar bebildert, mit einem mitreißenden Soundtrack und von tollen Sprechern getragen, ist Bluths Werk ein Klassiker des Animationskinos, der kleine und große Kinder auch weiterhin begeistern wird.