„Wo ist mein Gehaltsscheck?“ Das wird die erste Frage gewesen sein, die Schauspiellegende Robert DeNiro nach Abschluss der Dreharbeiten zu Nick Hamms „Godsend“ gestellt hat. Einen anderen Grund als Geld kann sein Mitwirken an diesem von der Idee interessanten, aber in der Umsetzung vermurksten Mystery-Thriller nicht gehabt haben. Die brisante Thematik des Klonens nutzt Hamm nur als Story-Vehikel und malträtiert den Zuschauer mit einer Holzhammer-Moral.
Die Familie Duncan könnte glücklicher nicht sein. Vater Paul (Greg Kinnear) bekommt eine besser bezahlte Lehrerstelle in der Vorstadt angeboten und seine Frau Jessie (Rebecca Romijn-Stamos) ist als Fotografin beruflich erfolgreich. Ihr größtes Glück ist jedoch Sohn Adam (Cameron Bright), der gerade seinen achten Geburtstag feiert. Doch dann soll das Schicksal hart zuschlagen: Adam kommt bei einem tragischen Unfall ums Leben, der kleine Junge wird von einem Auto überfahren. Ohnmächtig vor Schmerz können die Duncans den Verlust kaum ertragen. Nach der Beerdigung taucht ein ehemaliger Universitäts-Professor von Jessie auf. Richard Wells (Robert DeNiro) macht Paul und Jessie ein unmoralisches Angebot. Er ist ein führender Experte auf dem Gebiet der Klonforschung und bietet den beiden an, ihren Sohn Adam zu klonen. Das ist zwar höchst illegal, aber nach Meinung von Wells ohne Probleme durchführbar. Nach kurzem Zögern entschließen sich die Duncans zu dem Experiment, das der Arzt in seiner Klinik „Godsend“ in der tiefsten amerikanischen Provinz durchführt. Zunächst weist der geklonte Junge keine Besonderheiten auf, erst nach seinem achten Geburtstag fängt er an, unter Schlafstörungen und Halluzinationen zu leiden. Erinnerungen, die nicht die seinen sind, holen ihn ein. Die Eltern sind in großer Sorge, während Wells, der inzwischen zu Adams Onkel und einem Freund der Familie geworden ist, versucht, die Angstzustände des Jungen herunterzuspielen...
Die Eckdaten von „Godsend“ sind eigentlich vielversprechend: Ein hochspannendes Thema (Klonen), ein fähiger Regisseur (Nick Hamm, „The Hole“, „Martha trifft Frank, Daniel & Laurence“), ein begnadeter Schauspieltitan in einer Nebenrolle (Robert DeNiro) und ein passables Hauptdarsteller-Duo (Greg Kinnear, „Unzertrennlich“, „Auto Focus“, „Männerzirkus“; Rebecca Romijn-Stamos, „The Punisher“, „X-Men I+II“, „Rollerball“). Doch ein Mosaiksteinchen fehlt noch: das Drehbuch. Und genau hier nimmt das Unheil seinen Lauf. Das Script von Mark Bomback ist der große Schwachpunkt dieses Mystery-Thrillers aus der Serienproduktion Hollywoods.
Warum Robert DeNiro für diesen Film sein Okay gab, bleibt ein Rätsel. Aber der zweifache Oscarpreisträger hat in den vergangenen Jahren allgemein ein schlechtes Händchen bei der Rollenauswahl bewiesen. Die Qualität scheint ihn nicht sonderlich zu interessieren, wenn er schwache Produktionen mit seiner Anwesenheit edeln kann und die Kasse stimmt. „Mistress“ (1992), „Makellos“ (1999), „Men Of Honor“ (2000), „15 Minuten Ruhm“ (2001) und „The Adventures Of Rocky & Bullwinkle” (2001) sind Belege dieser These. DeNiros letzter Film „City By The Sea” kam nach dem enttäuschenden Abschneiden in den USA in Deutschland gar nicht mehr in die Kinos. Doch mit dem „Meine Braut, ihr Vater und ich“-Sequel „Meet The Fockers“ hat DeNiro im nächsten Jahr wieder einen potenziellen Blockbuster am Start.
Doch was ging bei „Godsend“ schief? Rund zwei Drittel des Films sind vollkommen solide und recht spannend inszeniert. Ein Thriller von der Stange, nicht Weltbewegendes, aber Langeweile kommt nur selten auf. Greg Kinnear und Rebecca Romijn-Stamos liefern ordentliche Leistungen, was besonders bei letzterer ein wenig überraschend ist. Bisher war das Ex-Model nicht durch schauspielerische Glanzstücke aufgefallen. Robert DeNiro hat bei der Arbeit scheinbar auf Autopilot geschaltet. Aber selbst ein lust- und farbloser DeNiro ist immer noch besser als die meisten Schauspieler in Bestform. Kinderdarsteller Cameron Bright ist nicht halb so talentiert wie Haley Joel Osment („The Sixth Sense“, „A. I.“) oder David Dorfman („The Ring“). Positiv fällt die Atmosphäre auf. Sie langt zwar nicht an Genre-Größen wie „The Sixth Sense“ oder „Das Omen“ heran, aber dennoch gelingt es dem Briten Hamm, des Öfteren für Gänsehaut in den Publikumsreihen zu sorgen.
Im dritten Akt stolpert „Godsend“ dann endgültig über das unausgegorene Drehbuch. Die Grundproblematik des Klonens dient sowieso nur als Aufhänger für die Geschichte, ein gesteigertes Interesse an diesem spannenden Thema haben weder Hamm noch Autor Bomback. Dieser Storymotor ist beliebig austauschbar. Anstatt aus dem Stoff ein sensibles, psychologisch ausbalanciertes Drama zu machen, legt Hamm „Godsend“ als straighten 08/15-Thriller an. Den Genickbruch bekommt der Film im Finale von Drehbuchautor Bomback verpasst. Die Wendung, mit der er Spannung erzeugen will, ist nicht halb so überraschend wie er es gern hätte, aber besonders ärgerlich ist die plötzliche Veränderung des DeNiro-Charakters, der ganz und gar nicht mehr stimmig ist. Die Krönung des Ganzen ist die moralische Simplifizierung der Handlung: Wer Böses tut, wird mit einem bösen Kind bestraft. Zudem machen einige Logiklöcher der Geschichte zu schaffen. Familie Duncan lässt ihr altes Leben hinter sich und bricht den Kontakt zu allen Menschen, die sie jemals gekannt haben ab. Dem Film ist das jedoch keine Leinwandminute wert. Verwandte, Freunde, Bekannte? Sie wundern sich nicht über das spurlose Verschwinden der Duncans!
Durch die Schwächen im Schlussdrittel schafft es „Godsend“ nicht mehr ganz, wenigstens noch auf Durchschnittsniveau zu kommen. Regisseur Hamm will ein anspruchsvolles Thema in einem anspruchsfreien Thriller umsetzen und ist letztendlich trotz eines nicht zu verhehlenden Unterhaltungswertes gescheitert. So sah es auch das US-Publikum. Mit einem Einspiel von 15 Millionen Dollar bliebt „Godsend“ weit hinter den Erwartungen zurück.