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    The Missing
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Missing
    Von Carsten Baumgardt

    Alles war so schön geplant. Regisseur Ron Howard schickte sein hochkarätig besetztes Western-Drama „The Missing“ im späten November in den USA pünktlich zum besten Startzeitpunkt ins Rennen, um für die Oscarverleihung gut positioniert zu sein. Schließlich wollte Howard nach seinem Triumph mit „A Beautiful Mind" bei den Academy Awards wieder ein gehöriges Wörtchen mitreden. Das Ganze hat nur einen großen Haken. Seine klischeelastige Pferde-Oper, die zugleich Western, Thriller, Drama und Okkult-Reißer sein will, gerät ihm nach gutem, stimmungsvollen Beginn mit zunehmender Dauer aus dem Ruder. Am Ende stehen gute Schauspieler in einem enttäuschenden Film, der lediglich wegen der brillanten Photographie überzeugen kann und bei den Oscarnominierungen zurecht leer ausging.

    New Mexico, 1885: Maggie Gilkeson (Cate Blanchett) schlägt sich auf einer kleinen Farm mit ihren beiden Töchtern Lilly (Evan Rachel Wood) und Dot (Jenna Boyd) durch. Die Kinder sind von zwei verschiedenen Vätern, von denen allerdings keine Spur mehr ist. Mit der Hilfe ihres Geliebten Brake (Aaron Eckhart) kann sie ihre Familie ernähren. Als Heilerin verdient sie das nötige Geld dazu. Eines Tages steht völlig überraschend ihr Vater Samuel Jones (Tommy Lee Jones) vor der Tür. Er hatte die Familie bereits verlassen als Maggie noch ein Kind war und zog aus, um sich einem Indianerstamm anzuschließen. Als er zurückkehrt, ist er nicht nur rein optisch den Indianern näher als den Weißen. Maggie ist immer noch bitter enttäuscht, will vom ihm nichts wissen und schickt ihn weg. Erst ein Unglück soll die beiden wieder zusammenführen. Als Brake mit Maggies Töchtern zum brandmarken der Rinder unterwegs ist, werden sie von Indianern überfallen. Brake wird bestialisch ermordet und Lilly, die ältere Tochter, verschleppt. Nur die kleine Dot bleibt verängstigt zurück, bis Maggie sie findet. Nachdem weder Sheriff Purdy (Clint Howard) noch die Armee etwas unternehmen wollen, die Vermisste zu suchen, bittet Maggie ihren Vater, sie als Spurenleser zu führen. Da Dot nicht allein bleiben will, machen sie sich zunächst zu dritt auf, Lilly nachzuspüren.

    Die Vorzeichen für „The Missing“ standen äußerst günstig. Ein oscarprämierter Regisseur, eine exzellente Besetzung und eine gute Vorlage. Der Einstieg gelingt Ron Howard („Apollo 13“, „Backdraft“, „In einem fernen Land“, „Der Grinch“) dann auch noch blendend. In stimmungs- und kraftvollen Bildern schwelgt die Kamera von Salvatore Totino über der Weite des Landes. Alles passt. Doch nachdem Maggies Tochter Lilly von einer Indianerbande entführt wird, um zusammen mit anderen Mädchen in Mexiko als Prostituierte verkauft zu werden, gerät der Film nach und nach aus dem Rhythmus. Zunächst einmal haben die Charaktere mit grober Unlogik zu kämpfen. Oder warum sollte sich der Verfolgertrupp die kleine Dot ans Bein binden? Natürlich nur, um wirkungsvolle Einstellungen mit einem sich fürchtenden Mädchen, das aus Todesgefahr gerettet werden muss (vorzugsweise vom einst verstoßenen Großvater), zu bekommen. Die Überzahl der mehr als 20 Mann starken Bande wird ebenfalls ignoriert. Es wird schon irgendwie klappen. Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto schlimmer werden die Klischees, die Autor Ken Kaufman auf die Zuschauer loslässt. Das wäre fast noch verzeihlich, weil alles in optischer Perfektion präsentiert wird und dadurch eine gewisse Ablenkung stattfinden. Ärgerlich wird es nur, wenn die Story-Wendungen (bei Lillys Ausbruchsversuchen) so übel berechnend und dumm-dreist sind, dass es weh tut. Dazu nervt James Horner mit einem aufdringlichen Score, der bestenfalls Ethno-Kitsch (bis kurz vor Ende), später aber nur noch bombastisch übertrieben (im Finale) ist.

    Eine alte Filmweisheit besagt: je besser der Bösewicht, desto besser der Film. Und auch hier steht „The Missing“ auf verlorenem Posten. Der finstere Indianeranführer Honesco (Simon Baker) ist so eindimensional, dass er nur eine schlechte Figur abgeben kann. Beim ersten Überfall mit dem ermordeten Aaron Eckhart entfaltet der Film Stärke. Die Gefahr ist nicht sichtbar, die Szene strahlt Bedrohlichkeit aus. Doch Howard zeigt seine Schlächter zu früh und viel zu oft. In diversen Einstellungen führt er dem Publikum vor, was die Mädchen erleiden müssen, anstatt zur Spannungssteigerung sparsam mit den Szenen umzugehen. So kommt kaum Spannung auf. Zwischendurch müssen Cate Blanchett und Tommy Lee Jones die sich aufdrängenden Vater-Tochter-Probleme lösen, die das Tempo zusätzlich verschleppen. Zum Glück sind die beiden als Schauspieler so gut, dass „The Missing“ wenigstens ein paar packende Szenen hergibt. Jones’ Darstellung eines Halb-Indianers ist zwiespältig zu bewerten. Er strahlt einfach eine enorme Präsenz aus, die ihm bei der Rolle hilft, aber so richtig will der Funke nicht überspringen. Mit seinen langen Haaren wirkt Jones als konvertierter Indianer nicht voll überzeugend. Ganz bitter kommt es in einer Passage. Heilerin Cate Blanchett wird von dem Indianer-Schamanen mit einem bösen Fluch belegt, erst ein Gegen-Exorzismus der (guten) Indianer, die sich dem Suchtrupp angeschlossen haben, treibt den bösen Geist wieder aus. Das ist hart am Rande der Lächerlichkeit.

    Ron Howard, der eine Reihe hervorragender Filme an den Start brachte, ist ein perfekter Handwerker, aber kein herausragender Geschichtenerzähler. Er will immer die Erwartungen des Publikums erfüllen. Doch diesmal übertrieb er es damit deutlich. Zu viele Klischees und Standards wie der lieblose, vorhersehbare Showdown sammeln sich an, sodass „The Missing“ in seiner Summe nicht überzeugen kann. Gute Ansätze macht sich Howard durch zu wenig Risikobereitschaft zunichte. So ist „The Missing“ ein optisch brillanter Film, der leider inhaltlich weit hinter den Erwartungen zurückbleibt und auch von den hochkarätigen Schauspielern nicht zu retten ist. In den USA war der Film ein Flop, spielte nur 27 Millionen Dollar ein. Den besseren Western drehte Kevin Costner. Mit „Open Range" hängte er „The Missing“ an der Kinokasse um Längen ab.

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