Mit Sissi gelang Ernst Marischka 1955 eine unglaublich charmante und maßlos pompöse Ausstattungs-Romanze wie sie im Buche steht. Und aufgrund des überwältigenden Erfolgs war es dem österreichischen Regisseur, der selbst über alle Maßen von der historischen Figur der Kaiserin Elisabeth fasziniert war, bereits ein Jahr später möglich, sein vor offener und ehrlicher Bewunderung triefendes Leinwanddenkmal mit „Sissi - Die junge Kaiserin“ fortzuführen. Man muss es ganz ehrlich zugeben, hier hat ein bedingungsloser Fan einen Film über sein zur Ikone erhobenes Idol gemacht – die Charaktere entsprechen daher eher dem Werbeemblem auf kitschigen Kaffeetassen aus dem Andenkenshop denn ihren historischen Vorbildern. Das hat natürlich zur Folge, dass die kaiserlichen Biographien offensichtlich und beinahe schon ungeschickt geschönt sind. Aber die „Sissi“-Filme wollen sich nun einmal auch nicht als echte Historienschinken verstanden wissen, sondern vielmehr als eine Art märchenhafte, poppig bunte und natürlich romantisierte Version der Kaiserzeit – aus diesem Blickwinkel könnte man sie schon fast als Vorläufer von Sophia Coppolas aristokratischer Popkultur-Variante Marie Antoinette betrachten, es fehlen nur noch der rosa Kuchen und die anachronistische Rockmusik.
Die anstrengenden Hochzeitsfeierlichkeiten sind kaum vorüber, da muss sich Franz Joseph (Karlheinz Böhm), Österreichs junger Kaiser, auch schon wieder um seine Staatsgeschäfte kümmern. Für seine Braut Sissi (Romy Schneider) bleibt so nur noch wenig Zeit. Diese beschäftigt sich derweil mit dem Glätten der politischen Beziehungen zu Ungarn, setzt sich dabei gar über die strikt ablehnende Haltung ihrer Schwiegermutter Erzherzogin Sophie (Vilma Degischer) hinweg und bewegt ihren Gatten dazu, den rebellischen Auflehnern eine Generalamnestie zu erteilen - ein unverzeihlicher Affront gegenüber der Kaiserin Mutter, den diese auch nach der Geburt von Sissis erster Tochter Sophie nicht vergisst. Mit der Begründung, Sissi müsse fortan mit dem Kaiser gemeinsam oft verreisen, reißt sie die Erziehung des Kindes an sich. Als sich ihr Franzl in diesem Punkt auch noch auf die Seite seiner Mutter schlägt, ist es für Sissi endgültig zuviel und sie flüchtet sich zurück in die bergige Geborgenheit ihres beschaulichen Bayerns…
War „Sissi“ noch eine reine und daher im Endeffekt auch harmlose romantische Komödie, kommt „Sissi - Die junge Kaiserin“ da schon eine ganze Ecke komplexer daher – und das hat gleich drei Gründe. Zum einen gibt sich der zweite Teil nicht mehr mit der simplen „Sie kamen, sahen und verliebten sich“-Dramaturgie, auch wenn diese im ersten natürlich perfekt umgesetzt wurde, zufrieden, sondern geht gleich mehrere Schritte weiter: Es ist der Film, der das brüchige Glück nach den ersten Küssen beleuchtet. Dabei ist es immer schwer, Alltagsprobleme – und seien sie noch so kaiserlich – spannend im Kino zu erzählen, hier gelingt es jedoch mit Bravour. Aus jeder Begegnung zwischen Sissi und ihrem Franzl, selbst wenn sie sich nur einen guten Morgen wünschen, ist ein emotionaler Höhepunkt geworden. Und wenn Sissi, gerade in diesem Teil von Romy Schneider mit einer unglaublichen Intensität und Wut verkörpert, dann auch noch um ihr Kind kämpfen muss, sollte dies – und seien die heutigen Zeiten auch noch so zynisch – wirklich niemanden mehr kalt lassen.
Gab man sich im ersten Anlauf noch mit vorsichtigen Seitenhieben auf das aristokratische Selbstverständnis zufrieden, überzeugt der zweite nun mit zum Teil angenehm bissiger Satire. Den noch harmlosen Anfang macht Sissi, wenn sie das spanische Hofzeremoniell als Schwachsinn abtut. Wunderbar deftig wird es dann, wenn der zum Oberst beförderte Major Böckl (Josef Meinrad) nach Wien zitiert wird, wo er sich am Hofe wie der Elefant im Porzellanladen aufführt. Den endgültigen Todesstoss versetzt diesem sich über alle erträglichen Maße selbst ernst nehmenden System dann aber freilich die Rolle des Erzherzogs Franz-Karl (Erich Mikowitz), der sich schon seit Jahren schwerhörig stellt – anscheinend die einzige Möglichkeit für ihn, all dem hochtrabenden Gelaber am Hofe zu entgehen.
Der dritte und entscheidende Punkt, der aus „Sissi - Die junge Kaiserin“ ein kleines Meisterwerk macht, ist die Entwicklung der Hauptfigur selbst. In „Sissi“ ist sie ein aufgeschlossenes, lebensfrohes und manchmal auch vorlautes Mädel, in Sissi - Schicksalsjahre einer Kaiserin wird sie die große Kaiserin sein, die das politische Glück ihres Landes schließlich über ihr eigenes stellt. Aber der überragende Mittelteil ist es, der zwischen diesen beiden Sissis eine Brücke schlägt. Durch ihre Schwangerschaft wird aus dem idealistischen Mädchen eine besorgte Frau, und durch die Verantwortung, die sie sich durch ihr Bemühen um die Gleichberechtigung des ungarischen Volkes selbst auflädt, wird aus der Mutter eine an dieser Last schwer tragende Staatsmännin – hier offenbaren sich auch zahlreiche Parallelen zu Stephen Frears The Queen, in dem dieser gerade das fehlende staatsmännische Verhalten der aktuellen englischen Königin Elisabeth nach dem Tod von Lady Diana thematisiert.
Für den Zuschauer so spannend und emotional ist dies alles gerade deshalb geraten, weil er mit diesem absolut notwendigen Reifungsprozess nichtsdestotrotz keinesfalls einverstanden ist – immerhin dürfte sich zu diesem Zeitpunkt schon so ziemlich jeder – egal ob Männlein oder Weiblein - in die junge, unbelastete und fröhliche Kaiserin verliebt haben. Und schließlich, zum Abschluss des ungarischen Krönungszeremoniells, fängt die Kamera diese komplette Entwicklung mit einer kleinen Träne in Sissis Augenwinken noch einmal ein – nun hat auch die erwachsen gewordene Kaiserin selbst ihr Schicksal verstanden und den Verlust ihrer Freiheit akzeptiert.