Eine kleine Geschichte auf dem Pfad der Gerechtigkeit über Rassismus, Cricket und das London der 60er Jahre? Keine Angst: „Davids wundersame Welt“ ist nicht ganz so platt und langweilig, wie es sich zunächst anhört.
Unser Held heißt David (Sam Smith), ein 11-jähriger Sohn jüdischer Einwanderer, dessen Leidenschaft für Englands beliebtestes Ballspiel nur noch intensiver wird, als die neuen jamaikanischen Nachbarn ein Cricketnetz in ihrem Garten aufbauen. Da sich Davids Talent in Sachen Cricket in Grenzen hält, beginnt Dennis (Delroy Lindo), der Vater der Nachbarsfamilie, David das „bowlen“ beizubringen und lässt den Jungen so zum Star der Schulmannschaft avancieren. In Davids Mutter (Emily Woof) ruft Dennis jedoch längst vergessene Gefühle wach und den Groll der ganzen Nachbarschaft ziehen die Fremden sowieso auf sich...
„Davids wundersame Welt“ von Autor und Regisseur Paul Morrison („Solomon And Gaenor“) versucht, aus dem undurchsichtigen, aber in Großbritannien durchaus populären, Spiel eine Metapher für die Anfänge der Multi-Kulti-Gesellschaft Englands zu machen und möchte so für mehr Toleranz in Bezug auf Immigration plädieren. Hierbei spielt der Konjunktiv eine große Rolle. Denn obwohl Morrison einen Riesenrespekt auf sich ziehen könnte, indem er der Mentalität des kleinen, bigotten Engländers mit seinem Cricket-Schläger kräftig einen vor die Zwölf gibt, scheitert diese Versuchsanordnung an einem nicht durchdachten und viel zu braven Drehbuch und den Leistungen aller Schauspieler. Die Ursachen dafür auszumachen, ist in etwa genauso schwer, wie die Frage zu beantworten, warum die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft eine schlechte Figur um das runde Leder macht. Aber das tut jetzt nichts zur Sache...
Delroy Lindo, bekannt vor allem aus Spike Lees „Malcolm X“, ist in jedem Fall ein Treffer. Aber schon hier zeigen sich die Schwächen der Inszenierung. Der sonst mehr als überzeugende Schauspieler, gebürtig aus England, der sich in Rollen auf beiden Seiten des Gesetzes stets bewährt hat, zieht zwar unbestreitbar alle Aufmerksamkeit auf sich, dennoch bleibt dem 52-Jährigen nicht sehr viel, womit er arbeiten kann. Emily Woof nimmt man zu keiner Zeit das nervöse Klischee der vernachlässigten Ehefrau ab, doch in den Szenen mit Lindo blüht sie wahrlich auf, so wie es auch von ihrer Figur verlangt wird. Doch das eigentliche Hinkebein ist, wie so häufig, das Drehbuch, und so muss sich Morrison darauf beschränken, seinen Film damit zu füllen, Cricket aus allen möglichen Perspektiven zu zeigen (Cricket im Regen mit Netz, Cricket mit Regen ohne Netz, Cricket ohne Regen mit Netz, Cricket ohne Regen ohne Netz usw.), ohne jedoch dem Zuschauer die Befriedigung zu geben, das Spiel zu durchschauen oder kennenzulernen (Tolle Beispiele für Filme, die dem Zuschauer ihren Sport auf spielerische Art und Weise näherbringen, ohne zu vergessen, dass sie auch noch eine Geschichte zu erzählen haben, sind hierfür übrigens „Acht Mann und ein Skandal“ - Baseball, „Tin Cup“ - Golf und hoffentlich demnächst „Wimbledon“ - Tennis. Mal schau'n). Schade, denn so bleibt die Leidenschaft, die alle Beteiligten erleben wenig nachvollziehbar und man muss sich die wiederholten Cricket-Sequenzen etwas genauer anschauen. Blöd nur, dass bei detaillierter Betrachtung, das Spiel der Darsteller herunterbröckelt und das viel zu stimmig wirkende Set, das manchmal zu sehr nach Studiobau aussieht, diese Feel-Good-Comedy auf Fernsehniveau herabsetzen.
Besonders enttäuschend ist allerdings die Inszenierung des kleinen Sam Smith, der als Hauptfigur farblos und hingebastelt wirkt. Dennoch: Hut ab für das Casting, denn David erinnert doch sehr stark an einen jungen Prinz William und man beginnt das Prinzip dieses Films zu erkennen: Die eigentlichen Probleme werden stets mit Äußerlichkeiten übertüncht. Dem Vergleich mit anderen britischen Coming-Of-Age-Filmen, wie „Billy Elliott, hält „Davids wundersame Welt“ leider nicht stand, obwohl das Thema doch ganz auf der Wellenlänge der Inselfilmemacher liegt. Wahrscheinlich fehlt es dabei an einer stringenten Geschichte mit Überraschungen, vielleicht aber auch ein bisschen an dem, viel zu selten im Kino gezeigten, zynischen Witz der Briten. Oder einfach der gewissen Portion Mut. Am Ende lösen sich nämlich alle Probleme in Hollywood-Seifenblasen auf und die 180°-Wende von Davids kleinkariertem, ängstlichen Vater (Stanley Townsend) zu einem liebenden Ehemann und Familienmenschen ist der Beweis.
Wenigstens kann man Morrison nicht vorwerfen, dass er den Film vollkommen leidenschaftslos gemacht hätte, denn seine Detailverliebtheit bringt doch das ein oder andere visuelle Schmankerl mit sich. Aber vielleicht haben wir seine Charaktere schon hundertmal gesehen, nur besser, und vielleicht wäre die Geschichte eindringlicher gewesen, wenn sie in der heutigen Zeit gespielt hätte und ohne Cricket. Das sei einmal dahingestellt. Ganz sicher ist: Die Charaktere haben keine Abgründe und der Rassismus steht nur im Drehbuch. Das allein kann einen wütend machen, aber auf einen Film sauer zu sein, der Anti-Rassismus predigt, ist ja nicht sehr schick und man kann dabei nur verlieren. Die Zuschauer, die sich diesen Film anschauen wollen, hätten bestimmt etwas mehr Unkonventionalität und Biss gewollt, verdient und mit Sicherheit auch vertragen.