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    Lawrence von Arabien
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Lawrence von Arabien
    Von René Malgo

    Es ist das Epos schlechthin. Ein Werk der Superlative. Eine meisterliche Leistung seinesgleichen. Die großspurige Rede ist vom abenteuerlichen Wüstenklassiker „Lawrence von Arabien“. Ein mit Huldigungen überhäufter Meilenstein seines Genres.

    Der ehrgeizige, britische Offizier Thomas Edward Lawrence (Peter O’Toole) wird 1916 nach Ägypten versetzt. Dort kann er das Vertrauen von arabischen Fürsten gewinnen, zieht aber Misstrauen seitens britischer Offiziere auf sich. Dank seiner guten Verbindung zu den Arabern, stellen diese ihm im Kampf gegen die Türken Männer zur Verfügung. Die arabischen Stämme haben allerdings andere Ziele als ihre alliierten Verbündeten. Das weiß Lawrence, der mit ihrer Einigung ihren Traum vom panarabischen Großreich verwirklichen möchte. Das sehen allerdings Briten wie Franzosen äußerst ungern, da sie dadurch ihre eigenen kolonialen Interessen gefährdet sehen. Lawrence steigt in seinem Kampf gegen die Türken zur Legende auf, erfährt aber immer mehr Gegenwind aus eigenen Reihen und muss erleben, wie große Träume zu scheitern drohen.

    Ist die spontane Begeisterung nach einem Film erst einmal verflogen, macht sich oftmals eine kleinere Ernüchterung breit. Zum einen, weil dem Zuschauer nun selbst einige Schwächen gewahr wird, oder manch ewiger Nörgler auf zahlreiche Schwachstellen im Begeisterungsobjekt seiner Wahl aufmerksam macht. Steven Spielberg räumt nebst seiner Begeisterungsbekundung für „Lawrence von Arabien“ in einer betreffenden Dokumentation ein, dass so ein Film heutzutage kaum mehr jener Erfolg und solch ein Status zu Teil geworden wäre, wie er ihn nun innehat. Historisch zu unkorrekt ist die Abenteuersaga, bewegt sich zu nahe an der Glorifizierung seines zweifelhaften Helden T. E. Lawrence und bietet zu (viele) klischeehafte Charaktere. Daran sind in der Neuzeit einige Heldenbiographien gescheitert, seien es „Michael Collins“ oder jüngst „Troja“. Trotzdem darf „Lawrence von Arabien“ zu den ganz großen Klassikern und Meisterleistungen zählen. Und er funktioniert auch heute noch.

    Klischeehafte Charaktere können einem anspruchsvollen Zuschauer das Vergnügen ziemlich vermiesen, nicht aber, wenn sie allesamt von hervorragenden Darstellern zum Leben erweckt und glaubwürdig gemacht werden. In seiner ersten großen Rolle kann Peter O’Toole mit Größen wie Alec Guinness, Jack Hawkins oder Anthony Quinn mithalten. Er verkörpert den T. E. Lawrence mit einer fast beängstigenden Intensität und leuchtet die verschiedenen Facetten seines Charakters vorbildlich aus. Charisma, Arroganz und Überheblichkeit mit einem Hang zu Sadismus kann er alles in sich vereinen, beugt so auch dem drehbuchbedingten Ansatz der Heldenglorifizierung vor und bleibt bis zum Schluss gleichermaßen faszinierend wie abstoßend. Ihm zur Seite steht aber ein nicht minder exzellentes Ensemble. Omar Sharif darf das Klischeebild vom edlen Araberprinzen genüsslich zelebrieren, tut dies aber in einer genauso überzeugenden Weise wie Alec Guinness Klischeearaberfürst Nummer zwei, den Prinzen Feisal, zum Besten gibt. Ein bisschen weniger klischeehaft, aber darstellerisch ebenso überragend, ist Anthony Quinn als lautstarker Nomadenfürst Auda abu Tayi. Auch am Rest des namhaften Casts lässt sich nichts aussetzen, seien es nun Jack Hawkins, Anthony Quale, Claude Rains oder Arthur Kennedy. Sie alle gehen in ihren Rollen auf und erwecken eine vergangene Epoche eindrucksvoll zum Leben.

    Die Vergangenheit spürbar machen, dafür braucht es neben überzeugenden Darstellern durchaus auch einen Schuss verklärender Romantik. Diese bietet „Lawrence von Arabien“ ihrer fast zuviel, macht dafür aber die Faszination und Begeisterung des T. E. Lawrence für die Wüste deutlich spür- und greifbar. Es tut dem Film nur gut, dass an originalen Schauplätzen in der Wüste gedreht worden ist. Das vermittelt Authentizität und erzeugt zusammen mit einer brillanten Kameraführung Fernweh. Ton und Schnitt erweisen sich als perfekt. Sie tragen in diesem Sinne unter der exakten Regie von David Lean zu einem makellosen Gesamtbild bei. Wahrscheinlich nie zuvor und auch nie mehr danach ist dem Zuschauer eine Gegend, eine Epoche so fühlbar gemacht worden, wie mit „Lawrence von Arabien“.

    In erster Linie ist „Lawrence von Arabien“ ein Abenteuer- und sogenannter Männerfilm. Frauen dürfte der Zuschauer vergeblich suchen, es muss mit T. E. Lawrences vorsichtig angedeuteten, homoerotischen Neigungen vorlieb genommen werden. So funktioniert das Epos nicht nur als Abenteuerfilm, sondern auch als anspruchsvolles Drama und Psychogramm über diesen Mann und seine Umwelt. Dafür Sorge trägt die zwar erwähnt klischeenahe, aber nichtsdestotrotz gründliche Charakterisierung nahezu aller Beteiligten sowie das sehr gut gelungene Drehbuch. Sie sorgt für Tiefgang und überzeugt durch eine gute Zusammenstellung von ruhigen und spektakulären Szenen. Wahrheit und Historie mögen zwar hollywoodreif ausgeschmückt sein, das nimmt dem Werk aber nicht die Ernsthaftigkeit, mit der die Thematik behandelt wird. Vergangenes wird greifbar gemacht und Historikfreunde zu gut unterhalten, um ernsthaft rumzugranteln. „Lawrence von Arabien“ ist ein ernsthafter und dramatischer Film, entwickelt aber zur allgemeinen Auflockerung auch humoristische Szenerien.

    Weitläufige Panoramaaufnahmen wechseln sich mit Einblicken in pompöse Paläste, exotische Zelte und stattliche Festungen ab. Der Orient darf sich von seiner besten Seite präsentieren, ohne dass dabei die von ihr ausgehende wildromantische Gefahr unter den Teppich gekehrt wird. Sie ist verlockend und ihr erliegt nicht nur der Hauptdarsteller, sondern der Betrachter gleich mit. Die Massenszenen überzeugen auch ohne große Explosionen und Effektorgien. Wenn Lawrence zusammen mit einer arabischen Reiterei eine türkische Küstenfestung stürmt, dann ist das ohne große Splattereffekte und gigantische Explosionen äußerst eindrücklich anzuschauen. Das Abenteuerepos beweist damit, dass Komparsen und echte Kulissen noch immer einen größeren Wow-Effekt hervorrufen, als Tausende digitale Kreaturen und Kreationen zusammen.

    Sieben Oscars. Die Aussagekraft hält sich in Grenzen, hat sich die Academy bislang durch Übervorteilungen, politische Entscheidungen und Vetternwirtschaft in Fachkreisen nicht gerade beliebt gemacht. In diesem Falle jedoch ist keines der goldenen Kerlchen zuviel und hat sich das Epos seine Statuetten redlich verdient. „Lawrence von Arabien“ ist einfach ein epochales Meisterwerk, welches jedermann gesehen haben sollte, ohne wenn und aber ... Und das möglichst im Original-Ton und Kino.

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