Die große Zeit des Hongkong-Kinos waren die Achtziger. Johnnie To (The Mission, Election,Sparrow), damals mehr im Hintergrund aktiv, konnte sich nach der Wende – also nach 1997, dem Jahr der Rückgabe Hongkongs an China – neu positionieren und gilt vielen heute als der interessanteste Filmemacher der asiatischen Metropole. In seiner langjährigen Laufbahn hat To sich handwerkliche Perfektion angeeignet, was ihn scheinbar mühelos zwischen den verschiedensten Genres wechseln lässt. Vor acht Jahren bewies der Autorenfilmer, dass er auch den knalligen Actionfilm im Repertoire hat: „Fulltime Killer“ ist postmodern, selbstironisch und „over the top“, nur im Mittelteil lahmt er etwas. Am Ende zieht To dafür nochmal alle Register.
Die Story um zwei professionelle Killer erinnert ein wenig an „Assassins“ von Richard Donner (Lethal Weapon). O (Takashi Sorimachi) ist die unangefochtene Nummer 1 der asiatischen Auftragsmörder; er arbeitet präzise und effizient. Sein Gegenspieler ist der aufstrebende Tok (Andy Lau, Infernal Affairs, The Warlords), ein wahres enfant terrible; dessen Morde sind laut, extravagant und narzisstisch. Tok will natürlich die Nummer 1 werden und fordert O zum Duell. Zwischen den beiden unnachgiebigen Killern entspinnt sich ein intensives Katz- und Mausspiel. Inspektor Lee (Simon Yam, Bullet in the Head, Triangle) heftet sich an die Fersen der Rivalen, bleibt aber immer einen Schritt zurück. Kompliziert wird es, als Chin (Kelly Lin, Boarding Gate) auftaucht und sich mit beiden Kontrahenten einlässt...
In gewisser Weise ist „Fulltime Killer“ so etwas wie die zeitgemäße Erweiterung der Heroic Bloodshed-Filme: John Woo hatte das Subgenre des „heldenhaften Blutvergießens“ 1986 mit A Better Tomorrow initiiert und 1992 mit Hard Boiled zu einem vorläufigen Endpunkt geführt. Johnnie To greift nun die Grundkonstellation dieser Spielart des Hongkong-Kinos auf: Zwei Männer, die Freunde sein könnten, stehen sich in blutiger Feindschaft gegenüber. Während John Woo und seine Nachahmer dem Profikiller üblicherweise einen Cop gegenüber stellten, entstammen die beiden Protagonisten von „Fulltime Killer“ dem gleichen Milieu. Auch bei Johnnie To taucht zwar eine Polizistenfigur auf, sie bleibt aber mehr im Hintergrund und besitzt hauptsächlich eine erzähltechnische Funktion. Inspektor Lee ist so etwas wie der verlängerte Arm des Drehbuchschreibers innerhalb der Fiktion. Neben diesem selbstreflexiven Dreh reichert To seine Heroic-Bloodshed-Variation mit dem klassischen Motiv von der Frau zwischen zwei Männern an. Während Tos Vorgänger sich wenig bis gar nicht für weibliche Figuren interessierten, ist die Dreiecksbeziehung in der Dramaturgie von „Fulltime Killer“ eine tragende Säule. Kelly Lin als Chin darf sogar aktiv ins Action-Geschehen eingreifen und zur großkalibrigen Waffe greifen.
„My name is Tok, I’m a professional killer. I like watching movies, especially action movies. Big or no budget, foreign or local. As long as they’re not boring and have fresh ideas.”
In Toks Off-Kommentar zu Beginn von „Fulltime Killer“, in dem dann auch noch Bezug auf Robert Rodriguez' Desperado genommen wird, wird der postmoderne Gestus Johnnie Tos sofort deutlich. Einerseits charakterisiert dieser Einstieg natürlich die Figur Andy Laus, andererseits wird „Fulltime Killer“ damit ein deutlich selbstreflexives Motto vorangestellt. Solche Doppelcodierungen finden sich auch im weiteren Verlauf des Films immer wieder, zu dieser Strategie gesellt sich noch eine nachhaltige Selbstironie – auch dies ein Kennzeichen des Postmodernen. Die wissenden Freunde des augenzwinkernden Verweises, die Spaß am Entschlüsseln der Zeichen haben, kommen ausgiebig auf ihre Kosten. Mit Zeitlupen, bunten Farben, Explosionen, dicken Waffen und einem buchstäblichen Feuerwerk bietet Tos wuchtige Inszenierung aber auch den Actionjunkies das volle Programm.
Die beschriebene Zusammenführung von Heroic Bloodshed und Postmoderne – von Achtzigern und Neunzigern, von Action und Arthouse – spiegelt sich in der sorgfältigen Konstruktion des Films. To überlässt wie gewohnt nichts dem Zufall und verschränkt die Ebenen ganz bewusst: Während O gewissermaßen die alte Schule repräsentiert, ist Tok der postmodern entfesselte Killer, der daher auch das Motto des Films ausspricht. O, der „klassische“ Protagonist, ist viel überlegter und ruhiger, seine erste Actionszene ist dementsprechend unaufgeregt inszeniert. Im Gegensatz dazu wird beim ersten Attentat des wilden Konkurrenten gleich eine Handvoll Granaten gezündet. Als Tok später bemerkt, dass O ihn aus einem geheimen Versteck beobachtet und bei der Ausübung eines Auftragsmordes fotografiert, wirft er sich für die Kamera des Rivalen in Pose (und die Eingeweihten vernehmen das ferne Echo von Heat). Die Haltung der Figur entspricht der des Filmemachers. Auch To feiert sich in seiner Inszenierung mitunter selbst und ist stark auf stilistische Raffinesse bedacht. Der Regisseur ist clever genug, diesen Zusammenhang ganz offen auszustellen und ins Zentrum seines ironischen Spiels zu rücken.
Tos Film ist perfektes Oberflächenkino. Immer wenn Substanz wichtiger wäre als Stil, lahmt „Fulltime Killer“ etwas. Das gilt insbesondere als die Action im zweiten Drittel zugunsten der Charakterzeichnung ein wenig zurückgenommen wird; dummerweise funktioniert auch die doppelte Liebesgeschichte des Films nicht so richtig. Langweilig wird es dennoch nie und auf der Zielgerade läuft Johnnie To wieder zu Hochform auf: „Fulltime Killer“ mündet in ein explosives, kluges und sehr angemessenes Finale.