"Werd' endlich erwachsen!", muss irgendjemand Autor und Regisseur Kevin Smith ins Ohr geflüstert haben und der hatte sich das dann auch richtig zu Herzen genommen, denn sein neuer Film "Jersey Girl" ist ein Schritt in genau diese Richtung. Eingefleischten Fans könnte der Streifen allerdings deshalb nicht ganz schmecken, dennoch gibt es Anzeichen dafür, dass Smith sich darum nicht wirklich schert und die Wärme und Fürsorge mit der "Jersey Girl" gedreht wurde, ist der Beweis. Dies ist wohl der vorhersehbarste Film der Produktionsfirma "View Askew", die der Regisseur aus New Jersey gegründet hat und die "Clerks", "Mallrats", "Chasing Amy", "Dogma" und einige mehr, zu ihren Produktionen zählt. Schon alleine die Inhaltsangabe von "Jersey Girl" riecht gewaltig nach Hollywood und dennoch schafft es Smith mit Charme und der von ihm gewohnten Ehrlichkeit bis aufs Blut, den Zuschauer bei der Stange zu halten.
Wir schreiben die Jahre Anfang der 90er und Ollie Trinke (Ben Affleck) ist ein erfolgreicher PR-Manager in Manhattan. Er lernt Gertrude (Jennifer Lopez) kennen, verliebt sich unsterblich in sie und schwört fortan, in seinem Leben ein bisschen ruhiger zu werden. Als Gertrude dann bei der Geburt der gemeinsamen Tochter Gertie überraschend stirbt, verändert sich für Ollie auf einmal alles. Aus lauter Trauer um seine große Liebe, verliert er seinen Job. In aller Öffentlichkeit beleidigt er Will Smith, der wenig später mit "Independence Day" seine große Karriere als Hollywood-Superstar beginnen wird. Gedemütigt und für alle Zeiten verbannt aus dem PR-Business, muss Ollie nun wieder zu seinem Vater (George Carlin) nach New Jersey ziehen und arbeitet bei der Stadtreinigung, um die kleine Gertie (Raquel Castro) zu versorgen. Zehn Jahre gehen ins Land und immer noch versucht Ollie verzweifelt sein altes Leben wiederzubekommen, meistens jedoch erfolglos. Als er dann die Videothekarin Maya (Liv Tyler) kennen lernt und diese sich in ihn verliebt, wird Ollie gezwungen, sich zwischen seinen Träumereien und seinem jetzigen Leben zu entscheiden, was ihm gar nicht so leicht fällt, denn die Versuchung New York City scheint viel zu groß...
"Jersey Girl" ist nun wirklich nicht der Film, den sich die hartgesottene Fangemeinde von Independent-Guru Kevin Smith gewünscht hat, aber nach dem mäßigen Erfolg von "Jay and Silent Bob schlagen zurück" war es an der Zeit, einen anderen Ton anzuschlagen. Nicht, dass Smith sich hier vollkommen verleugnet. Ganz im Gegenteil: Es gibt eine Videothek, Matt Damon und Jason Lee haben obligatorische Gastauftritte und die ein oder andere Anspielung auf "Star Wars" oder "Dirty Dancing" wird auch gemacht. Außerdem hat Kevin Smith sich wiederholt Ben Affleck geschnappt und der lässt den Zuschauer doch glatt das Debakel von "Gigli" vergessen - nicht jedoch die ätzenden Schlagzeilen mit Jennifer Lopez, weshalb man froh ist, dass diese dann auch nach bereits 15 Minuten weg vom Fenster ist.
Und wer hat behauptet, dass Liv Tyler und Ben Affleck keine Chemie produzieren können? Mit einem Regisseur wie Kevin Smith scheint es dabei keine Probleme zu geben. (Bitte sich an dieser Stelle einen mitleidigen Schlag auf Michael Bays Schulter vorstellen!) Bereits in "Chasing Amy" haben, sowohl Smith, als auch Affleck gezeigt, dass sie Dramen beherrschen und in "Jersey Girl" funktioniert das Gott sei Dank zu weiten Strecken auch. Mit zu verdanken ist dies vor allem einer erwachsenen Kameraführung. Mit dem mehr als erfahrenen Kameramann Vilmos Zsigmond ("Die Hexen von Eastwick", "Unheimliche Begegnung der dritten Art", "Die durch die Hölle gehen"), der bereits über 70 Filme drehte, hat sich Smith einen richtigen Gefallen getan, denn vorbei scheint die Zeit der bewegten Handkamera, der Zuschauer hat die Möglichkeit den Charakteren nahe zu kommen und Smith kann uns endlich einmal sein Jersey mit Atmosphäre zeigen.
In "Jersey Girl" gibt es zwar keinen Charakter, der es als rassistisch empfindet, dass Darth Vader als der schwärzeste aller schwarzen Brüder von dem weißen kleinen Farmboy Luke Skywalker getötet wird und dies das Symbol für den immer währenden Krieg zwischen dem weißen und dem schwarzen Mann ist, aber schmunzeln darf man trotzdem. Mit Hilfe von Raquel Castro als Klein-Gertie, die nicht nur aussieht, wie Jennifer Lopez, sondern sich auch so benimmt sowie einem großartigen George Carlin als liebevoller Vater und Großvater wird einem bei "Jersey Girl" richtig warm ums Herz. Manchmal wurde leider ein bisschen zu viel von Hollywood abgeguckt und somit gibt es wenige Überraschungen und so manche tragische Szene schießt ein bisschen übers Ziel hinaus oder ist schlichtweg zu lang (wie zum Beispiel Ollies schluchzender Monolog an Gerties Babybettchen). Aber dafür gibt es doch einige Dialogpassagen, die einen über die dramaturgischen Schönheitsfehler hinwegsehen lassen und auch die vorhersehbarsten Situationen zu einem Hingucker machen. Im dritten Akt bietet uns Smith außerdem einen Gastauftritt, der alles andere in den Schatten stellt, wirklich nicht vorherzusehen ist und den Zuschauer für vieles entschädigt.
Im Allgemeinen entsteht der Eindruck, dass sich Kevin Smith vor allem als Regisseur die Hörner abstoßen wollte, denn dass er schreiben kann (vor allem Dialoge) ist unbestritten. Der Film ist übrigens Kevin Smith’ verstorbenem Vater gewidmet und so wird einem schnell klar, woher die Sinneswandlung und auch der Mut eines Regisseurs herkommt, der sonst mit zugedröhnten Gestalten in diversen Variationen, gefallenen Engeln und sexuell verwirrten Comiczeichnern seine Filme anreichert. Für alle die Kevin Smith kennen ist "Jersey Girl" bestimmt keine Offenbahrung an Originalität, dennoch ist die Frage hier nicht, ob der Zuschauer einen anderen Film erwartet hat, sondern ob er damit leben kann, dass auch ein solcher Regisseur mal etwas ganz persönliches zu sagen hat.