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    The Big Empty
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Big Empty
    Von Andreas R. Becker

    Independent-Filme von Regiedebütanten haben es tendenziell schwer auf dem Filmmarkt. Wenn sie sich in so gar keine Genreschublade zwängen lassen wollen, mit einer eher undurchschaubaren Handlung und möglicherweise auch noch einem ebensolchen Ende gesegnet sind, umso mehr. Nicht selten kommt es vor, dass sie dann gerade hierzulande direkt auf DVD erscheinen und eine Einführung im Kino als Marketingzugpferd als zu risikoreich übersprungen wird. So erging es auch Steve Andersons Erstlingswerk „The Big Empty“, das weltweit, von einigen Filmfestival-Aufführungen abgesehen, direkt in digitaler Form in die Läden wanderte. Schade eigentlich, denn die stimmungsvollen Bilder dieses spannend-witzigen und ungewöhnlichen Verschnitts aus „Akte X“, Lost Highway und The Big Lebowski hätten auf der großen Leinwand sicher noch etwas mehr Eindruck hinterlassen. Die durchgängig tolle (und für ein Erstlingswerk auch in den Nebenrollen erstaunlich hochkarätige) Besetzung und die spaßigen Dialoge schaffen das aber zum Glück auch zu Hause.

    John Person (Jon Favreau, Was das Herz begehrt, Daredevil) ist ein erfolgloser Gelegenheitsschauspieler, der aus Gründen der Schuldentilgung in einer inzwischen radikal entmöblierten, wenig heimeligen Bude sein Dasein fristet. Der große Durchbruch will und will sich nicht einstellen, einzig seine nicht uninteressierte Nachbarin Grace (Joey Lauren Adams, Chasing Amy, Trennung mit Hindernissen) macht als herzliches Goldstück ein kleines Plus auf der Pro-Contra-Liste aus. Es soll aber ein anderer Nachbar sein, der Johns Leben eine entscheidende Wendung verleihen wird: Neely, gespielt von Bud Cort, der als junger Harold mit seiner Liebe zur 79-jährigen Maude einer der ungewöhnlichsten Romanzen der Filmgeschichte zum Kultstatus verhalf. Mit seinen runden und nach wie vor markant-unschönen Gesichtszügen und einer passenden Verschwörungs-Mimik verleiht er auch seinem Auftritt als Neely einen geheimnisvollen und schrulligen Charakter. Als dieser steht er eines Tages bei John mit einem Angebot auf der Matte, das nicht nur klassisch, sondern ebenso zweifelhaft schräg daherkommt wie sein Überbringer: „Deliver the blue suitcase.“ Verlockend, denn bei Übergabe an den „Cowboy“ (Sean Bean, Herr der Ringe - Die Gefährten, James Bond 007 - GoldenEye, Die Insel) soll es dafür dann gut 27.000 Dollar Lohn geben und damit die Chance, auf einen Schlag schuldfrei zu werden. (Mit derselben Summe stand übrigens auch Drehbuchautor und Regisseur Anderson in der Kreide, als er sich an die Arbeiten zu „The Big Empty“ machte.)

    Da John nichts zu verlieren hat, macht er sich auf den Weg ins Niemandsland Kaliforniens, in dessen Mitte sich das (tatsächlich existierende) Kaff Baker befindet. Dort gibt es nichts. Abgesehen von einer Tankstelle, einem Motel und einer Bar – und dem größten Thermometer der Welt. Bevölkert wird Baker von einer Reihe von Gestalten, die den Titel des Films teils mehr, teils weniger als Stirnbeschriftung tragen könnten. Zur letzteren Kategorie gehören die Barbesitzerin Stella, gespielt von einer erstaunlich jung aussehenden Daryl Hannah (Blade Runner, Kill Bill Vol. 1) und ihre verführerisch schöne Tochter Ruthie (Rachel Leigh Cook, Eine wie keine, 11:14), die zwar vom Dorfleben angeödet, aber nicht so naiv ist, wie sie vorgibt zu sein. In das Klischee des „rural retard“ gehören vielmehr ihr krankhaft eifersüchtiger Lover Randy (Adam Beach) und der halb-debile (halb-schwule?) Pächter des Royal Hawaiian Motel, Elron (Jon Gries), die für reichlich komische Momente sorgen. Im Ort kursieren obendrein Gerüchte von regelmäßig stattfindenden Entführungen durch Außerirdische in der zerklüfteten Wüste, die aus dem umliegenden Bett eines ausgetrockneten Sees besteht. Menschen verschwinden, doch zu kümmern scheint dies niemanden, wenn man vom Geschwätz des Barbewohners Dan (Brent Briscoe, Mulholland Drive) absieht. Dummerweise lässt der Cowboy aber auf sich warten, und so bleibt John nichts anderes übrig, als sich seine Zeit im Ort zu vertreiben. Ehe er sich versieht, wird er in die Welt der Bakerianer hineingezogen, die bis zum Schluss ebenso viele witzige wie mysteriöse Begegnungen bereithält.

    Diese führen zu einem undefinierbaren Genremix, der bestens funktioniert, wenn man über Nuancen und Skurilles lachen kann. Denn obwohl im Grunde über die Zeit des Wartens hinweg fast nichts passiert (überhaupt ist „nichts“ eines der am häufigsten gesprochenen Wörter), erzeugen die kleinen Subplots in der Einöde nicht nur kurzweilige Unterhaltung. Die Alienthematik drängt sich im Verlauf immer weiter in den Vordergrund, und mit einem überraschenden Telefonanruf aus der Heimat verstärkt sich die mysteriöse Seite des Geschehens und der Humor macht einer gewissen Spannung Platz. Letztere entsteht aber nicht nur durch die Handlung, sondern auch durch eine ausdrucksstarke und kontrastreiche Farbdramaturgie und Bildästhetik. So wird der öde Schauplatz in warmen Lagerfeuertönen auch in seiner ur-amerikanischen Wildwest-Romantik stilisiert und dabei von einem launigen Folk- und Countrysoundtrack untermalt, der hier und dort schon ganz alleine als ironischer Bild-Untertitel fungiert. Diese Romantik verkehrt sich aber vor allem in der Nacht gerne in eine düstere, blaue Film-Noir-Optik, die nach Geheimnissen riecht, so auch Johns typisch-schäbiges Motelzimmer.

    Überhaupt spielt die Farbe Blau nicht nur bei Taschen und Koffern eine entscheidende symbolische Rolle und kann ein Schlüssel zur Handlung sein, die bis zuletzt nicht nur viele Fragen nicht beantwortet, sondern ständig neue aufwirft. Anderson: „There is nothing blue in the movie at all until Neely comes in with the blue suitcase, wearing a blue jumpsuit. We wanted anything that had to do with the ‘other world’ to be blue. We added blue throughout the rest of the movie anywhere we could. Anything that is blue has some significance. Bud Cort was given contacts so Neely had very blue eyes in the beginning. All compromised people would have blue eyes, wear blue, be in a blue room, carry a blue suitcase, talk on a blue phone, etc. Kelsey Grammer wore brown contacts because his eyes are naturally blue. And we kept his eyes brown until the very end.”

    Vor dieser Farbästhetik ist es aber in erster Linie die großartige Schauspielerriege, die „The Big Empty“ ausfüllt und trägt. Jon Favreau ist als John witzig und schlagfertig wie auch in der gut beobachteten Liebeskomödie „Love & Sex“. Und vor allem gar nicht so phlegmatisch, wie man seiner Körperfülle wegen zunächst vermuten könnte, sondern vielmehr lässig und einfach grundsympathisch. Wenn trotzdem dann und wann die Situation seine ganze Dynamik ins Bild kracht, wird es umso erheiternder. Die vielen, passend besetzten Nebenrollen tun da ihr übriges: Rachel Leigh Cook ist verführerisch und „teasing“ wie kaum zuvor, Daryl Hannah trotz 43 Jahren Drehalters sexy und tough gleichermaßen und Sean Bean als Cowboy stylish, cool und unantastbar. Erwähnung verdient auch noch der in seiner Rolle als Serien-Psychologe Frasier ausgezeichnete Kelsey Grammar als FBI-Agent Banks: Wie (fast) alle anderen Figuren verleiht auch er seinem Charakter durch eine klischeehafte Überspitzung einen besonderen Witz.

    Abschließend ist dennoch in aller Deutlichkeit festzuhalten, dass „The Big Empty“ seine Zuschauer trotz alle Lobeshymnen tendenziell in zwei unversöhnliche Lager spalten wird – wie eben alle Filme, denen das Potential zum Kultfilm innewohnt. Es passiert einfach nicht viel, der Humor verbirgt sich zum Großteil in feinen Nuancen und gerade das mehr als offene Ende wird wahrlich nicht jedes Gemüt befriedigen können. Wer es aber auch mal schräg mag, nicht auf alles eine Antwort braucht und über den Dude genauso sehr lachen konnte wie er mit Mulder und Scully rätselte, braucht nicht zwei Mal zu überlegen. Um es mit den Worten von Daryl Hannah zu sagen: „With indie films, everyone is there because they want to be there, not just for the paycheck. The film becomes more of a labor of love and because of that there’s always a better energy on set, which ultimately translates onto the screen.”

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