Nachdem George Pavlou 1985 Clive Barkers „Underworld“ und ein Jahr später die Verfilmung dessen Kurzgeschichte „Rawhead Rex“ an die Wand gefahren hatte, entschloss sich Barker, selbst einmal auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen. Mit Hellraiser, der Umsetzung seiner Novelle „The Hellbound Heart“, gelang ihm auch gleich ein düsteres Meisterwerk, das 1988 unter der Regie von Tony Randel fortgesetzt wurde. 1990 trat Barker wieder als Regisseur und Drehbuchautor in Erscheinung. Mit „Cabal“ adaptierte er seinen zweiten Roman.
Aaron Boone (Craig Sheffer) wird von seltsamen Träumen verfolgt. Er sieht die mystische Stadt Midian, die Stadt, die von der Brut der Nacht bewohnt wird. Dort, so heißt es, werde einem vergeben. Und Vergebung ist das, was Boone ganz dringend nötig hat. Denn sein Psychiater Dr. Philip K. Decker (David Cronenberg) redet dem verstörten jungen Mann ein, dass er für zahlreiche Morde verantwortlich sei. Traumatisiert macht sich Boone auf die Suche nach Midian. Nach einem Unfall landet er in der Klinik, wo ihm von einem anderen Patienten (Hugh Ross) der genaue Weg zu dem sagenumwobenen Ort beschrieben wird. Decker und die von dem Arzt eingeschaltete Polizei auf den Fersen flieht Boone aus der Klinik. Als er schließlich Midian erreicht, übertreffen die Stadt und die Bewohner seine kühnsten Erwartungen…
„It's all true. God's an astronaut. Oz is over the rainbow, and Midian is where the monsters live.” (Peloquin)
Dies ist lediglich der Auftakt von Barkers fantastischer Geschichte, die auch danach mit raschen Schritten und in unvorhersehbare Tiefen hinabsteigt. Gut und Böse, diese beiden Begriffe spielen im Universum Barkers keine Rolle. Ein Thema hingegen, das sich durch viele Geschichten Barkers zieht, ist die Suche nach einer anderen Welt. In „Hellraiser“ ist es Frank, der sich vom Reich der Zenobiten die Erfüllung seiner Sehnsüchte erhofft, in Hellbound: Hellraiser 2 Dr. Channard; in „Cabal“ sind es Boone und Narcisse, die sich von Midian Erlösung versprechen. Das Schöne an Barkers Geschichten ist, dass er nicht moralisiert und die Sehnsüchte der Menschen vorab verurteilt. Die Wünsche der Figuren sind als Movens ihres Handelns unhintergehbar, sie werden nicht weiter hinterfragt und bewertet. Nur so ist ein Charakter wie Boone möglich, dem man seine Schuldgefühle und sein Verlangen nach einen Ort der Vergebung genauso wie seine Verwandlung zum Monster (als das er sich ironischer Weise als besserer Mensch erweist) abnimmt; nur so sind die Kreaturen auf dem Friedhof und ihre Parallelgesellschaft glaubhaft und ebenso Decker, der Fanatiker Eigerman, der verrückte Priester, kurz – nur so ist eine Geschichte wie Cabal vorstellbar.
Außerdem erwartet den Zuschauer eine düster-fantasievolle Fantasywelt, ein großartiges Produktiondesign und tolle einfallsreiche Kostüme. Das Makeup-Department unter Mark Coulier (Event Horizon, Harry Potter und der Feuerkelch) hat hier ganze Arbeit geleistet! Barker ist mehr Visionär als begnadeter Regisseur, so dass zwar nicht immer das Timing stimmt und auch nicht alle Dialoge sitzen, man sich aber stets an den Tiefen der Geschichte, der Optik und Atmosphäre berauschen kann. Ein kleiner Geniestreich ist Barker mit der Besetzung seines Regiekollegen David Cronenberg (A History Of Violence, Tödliche Versprechen) gelungen. Der Kanadier verkörpert Dr. Decker, den Mann mit den zwei Gesichtern, einfach perfekt. B-Movie-Darsteller Craig Sheffer (einer seiner größeren Erfolge: Aus der Mitte entspringt ein Fluss) ist auch nicht schlecht. Er passt gut zur Figur, wie sie im Buch beschrieben wird. Und wenn man bedenkt, dass Rutger Hauer (Blade Runner) und Christopher Lambert (Highlander) ebenfalls für die Hauptrolle in Betracht gezogen wurden, freut man sich umso mehr, dass Sheffer den Zuschlag bekommen hat. Aber auch die anderen Darsteller sind gut gecastet. Die Freaks, voran Oliver Parker als Peloquin, Nicholas Vince als Kinski und Hugh Ross als Narcisse überzeugen auch hinter ihren Masken. Der vor allem als Pinhead aus den Hellraiser-Filmen bekannte Doug Bradley geht als Dirk Lylesberg im Vergleich zum Buch leider etwas unter.
„See I've cleaned up a lot of breeders, families like cesspools; filth making filth making filth. And I did it over and over and over again, but it was all leading me here... I was born to destroy them... and the breed together.“ (Dr. Decker)
Dass „Cabal“ (von „Kabale“, dt.: „Intrige“) nicht an den Erfolg von „Hellraiser“ anschließen kann, rührt zum Teil auch daher, dass einem wichtigen Element der Romanvorlage im Film nicht der entsprechende Stellenwert eingeräumt wird. Dieses – nennen wir es Missverständnis – zeigt sich exemplarisch schon in dem Titel, den der Verleih ausgesucht hat. Aus „Cabal“ wurde „Nightbreed“ (dt.: „Nightbreed – Die Brut der Nacht”). So wurde die Horrorseite des Stoffs betont und nicht die Geschichte um die Parallelgesellschaft der Monster, die durch den Verrat Boones der Katastrophe entgegen steuert und die Intrigen Deckers. Die Entscheidung, die der Untote Boone trifft, weiht seine neue Heimat dem Untergang und bildet den dramatischen Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Die Produktionsfirma 20th Century Fox fand das alles etwas zu kompliziert und für den normalen Kinogänger nicht eingängig genug. Kurz vor Filmstart wurde der Film drastisch zusammen geschnitten, in „Nightbreed“ umbenannt und fälschlicherweise als Standard-Horrorfilm beworben. Das Ergebnis war ein Film, der keinem so ganz richtig schmeckte. Auch wenn Barker ein einfallsreiches Fantasy-Abenteuer für Erwachsene gelungen ist – ein bisschen Fantasie bedarf es so auch, hinter dem lieblosen Schnitt den großartigen Film zu entdecken, der „Cabal“ eigentlich ist (Das gilt vor allem auch für die Version, die gelegentlich im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wird). Barker war sogar so vergrätzt, dass er danach erstmal fünf Jahre keine Lust mehr auf ein weiteres Regieprojekt hatte. Erst bei der Verfilmung von „Lord Of Illusions“, für das Barker die Story und das Drehbuch entwarf, änderte er seine Meinung. Zum Glück!