Mein Konto
    Wide Awake
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Wide Awake
    Von Nicole Kühn

    Die Suche nach dem Sinn oder vielmehr nach dem Übersinnlichen im Leben zieht sich als zentrales Thema durch das filmische Schaffen von M. Night Shyamalan, der zuletzt mit Das Mädchen aus dem Wasser ein zwiespältiges Echo hervorrief. Gerne bedient er sich der Unbedarftheit einer kindlichen Hauptfigur als Träger dieser existentiellen Fragestellungen, wie z. B. in seinem The Sixth Sense aus dem Jahre 1999. Aus diesem Stoff kann man wunderbar tiefgehende Komödien zaubern, die den schweren Seiten des Daseins mit heiterer Leichtigkeit begegnen. Shyamalan tappt in seinem recht frühen „Wide Awake“ in die Falle, seinem 10-jährigen Protagonisten typisch erwachsene Gedankengänge unter zu schieben und damit ihn und seinen Film selbst nicht wirklich ernst zu nehmen.

    Der 10-jährige Joshua (Joseph Cross) wächst in behüteten Verhältnissen auf und besucht eine katholische Jungenschule. Seine heile Welt bricht jedoch jäh zusammen, als der geliebte Großvater (Robert Loggia) seinem Krebsleiden erliegt. Dieses Ereignis will so gar nicht in sein Welt- und Glaubensbild passen. Nach anfänglicher Weigerung, die Wahrheit zu akzeptieren und Abschied zu nehmen, macht er sich auf die Suche nach Gott, um sicher zu stellen, dass es seinem Opa nun gut geht. Ein gar nicht so einfaches Unterfangen! Als treue Wegbegleiter erweisen sich lediglich sein bester Freund David (Timothy Reifsnyder) und die resolute und sportbegeisterte Ordensschwester Terry (Rosie O’Donnell). Gespräche und Erlebnisse mit diesen wichtigen Bezugspersonen öffnen Joshua im Verlauf des Schuljahres die Augen für das Leben mit all seinen schönen und weniger schönen Seiten.

    Shyamalan wählt für seine Abhandlung über die Möglichkeit der Existenz Gottes die Perspektive der kindlichen Hauptfigur. Dieser legt er Dialoge in den Mund, die nur von einem Erwachsenen stammen können, der die Welt längst nicht mehr mit Kinderaugen betrachtet. Statt die Situation seines Protagonisten, der sich in einer schwierigen Entwicklungsphase mit vielen emotionalen Umwälzungen befindet, für den Zuschauer nachvollziehbar zu machen, schielt Shyamalan auf die amüsante Komik, die aus der Diskrepanz zwischen der Figur und ihren Handlungen entsteht. Wie drollig, der Kleine mit seinen Ansichten! Dabei entpuppt sich der Autor selbst als der eigentlich Naive, indem er die vielfältigen Konflikte, die er aufwirft, sämtlich im Wohlgefallen, das Joshua am Ende an der Welt empfindet, sich auflösen lässt. Im Nachdenken über Gott findet der kleine Junge den Weg, sich selbst als kleiner Engel zu erweisen, indem er sich all den Außenseitern seiner Schule unvermittelt öffnet. Gekrönt wird dieses Märchen von einer besseren Welt durch das Auftreten eines blond gelockten (B)Engels, der mit weisen Sprüchen dem zweifelnden Joshua Antworten auf seine brennenden Fragen gibt. Zu schön, um wahr zu sein.

    Zum wohlgefälligen Hinsehen jedoch durchaus einladend. Die durchweg überzeugend gespielten Figuren bringen, vor allem Dank der handfesten Rosie O’Donnell, genügend Unterhaltungswert, um die leicht missionarisch angehauchte Story nicht langatmig werden zu lassen. Wer Denis Leary aus anderen Rollen, wie z. B. in Wag The Dog kennt, wartet hier allerdings auf Highlights. Das Zuhause, und mit ihm die Eltern, tritt gegenüber der stimmungsvollen, altehrwürdigen Klosterschule auffallend in den Hintergrund. Der Atmosphäre des Films tut das gut: Die hohen, holzgetäfelten Wände materialisieren geradezu das zugleich warmherzige und strenge Erziehungsideal dieser Anstalt, die geschützt durch dickes Mauerwerk eine Welt für sich bildet. Hier ist für Joshua der Ort einer Erleuchtung, die er im Durchlaufen verschiedener Episoden findet. Mit jeder Enttäuschung bei seiner Suche nach dem leibhaftigen Gott wird er für seine Eltern mehr und mehr zu einem Rätsel. Weiter bringt ihn eine Schlüsselszene mit Schwester Terry, die wie Nathan der Weise eine für die katholische Kirche erstaunliche Offenheit in Religions- und Glaubensfragen an den Tag legt. Ein durchaus wünschenswertes Anliegen, das der in Indien geborene Shyamalan vertritt.

    Hier wie auch in seinem gesamten Handlungsverlauf entwickelt Shyamalan allerdings in seinem Sendungsbewusstsein einen bedauernswerten Hang zum Überdeutlichen, der vor allem in seiner Häufung unglaubwürdig wird. Weswegen sollte ein Kind, das sich gerade mit der Frage nach dem Sinn von Leben und Tod beschäftigt, sich plötzlich auf einen offensichtlich in seinem geistigen Horizont ziemlich eingeschränkten Mitschüler einlassen, den er zuvor beharrlich geschmäht hat? Dass selbst sein als produktiver Kritiker fungierender bester Freund David erst an Epilepsie erkranken muss, um dann dem (ver)zweifelnden Joshua emotionalen Beistand bei der Suche nach der Erlösung von ganz oben zu leisten, ist ein recht platter Griff in Trickkiste der Dramaturgie. Dem Rhythmus des Wechsels zwischen Komik und Tiefgründigkeit ist es zu verdanken, dass man trotz dieser inhaltlichen Schwächen der Geschichte und ihrem Helden folgt.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top