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    Re-Animator
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Re-Animator
    Von Johannes Pietsch

    „Von Herbert West, der im College und auch im übrigen Leben mein Freund war, kann ich nur im äußersten Widerwillen sprechen.“ Mit diesen, für Howard Phillips Lovecraft so typischen Worten beginnt die Kurzgeschichte „Herbert West – Der Wiedererwecker“. Nur 44 Seiten lang und unter anderem zu finden in der bei Suhrkamp erschienenen Lovecraft-Anthologie „Stadt ohne Namen“, nimmt die von Stuart Gordon 1985 als „Re-Animator“ verfilmte Kurzgeschichte zweifellos einen Sonderstatus im Werk des großen amerikanischen Horror-Literaten ein: 1922 geschrieben und damals erstmalig im Humor-Magazin (!) „Home Brew“ erschienen, war die Geschichte nicht wie so viele seiner übrigen Schöpfungen im Bereich des legendären Cthulhu-Mythos angesiedelt, bei dem stets das Grauen in Gestalt übernatürlicher, gottähnlicher Albtraumgeschöpfe aus dem All, der Vergangenheit oder anderen Dimensionen in das Diesseits und über seine ahnungslosen Opfer hereinbricht, sondern zeichnete mit faszinierender visionärer Kraft und einer für die damalige Zeit kaum für möglich zu haltenden expliziten Detailfreude den Weg in das 60 Jahre später die Kinoleinwände beherrschende Zombie-Genre vorweg.

    Natürlich konnte ein Howard Phillips Lovecraft nichts von dem ahnen, was ein George A. Romero, ein Lucio Fulci und ein Ruggero Deodato drei Generationen später an filmischen Metzelorgien komponieren würden, und rein formal ist sein Herbert West, der der von ihm erweckten Geister wie jeder gute literarische Mad Scientist nicht mehr Herr wird, auch nichts anderes als ein später Epigone von Mary Shelleys Frankenstein, doch die eingesetzten Stilmittel zeigen eine frappierende Verwandtschaft zu dem blut- und eingeweidetriefenden filmischen Erbe, das im Gefolge von George A. Romeros Dawn Of The Dead Anfang bis Mitte der 80er die Leinwände eroberte.

    „West hatte schnell begriffen, dass absolute Frische das erste Erfordernis für den Gebrauch seiner Versuchsobjekte war, und hatte deshalb zu schrecklichen und ungeheuerlichen Hilfsmitteln beim Leichenraub seine Zuflucht genommen.“

    Eine Verfilmung von „Herbert West – Der Wiedererwecker“ war daher zu genau diesem Zeitpunkt auch nur die logische Konsequenz. Vom damals 38-jährigen Regisseur Gordon hatte man bis dato noch nicht allzu viel gehört, noch weniger vom 1951 geborenen Produzenten Brian Yuzna, die 1985 als kongeniales Duo den ersten „Re-Animator“ auf die Leinwand losließen und anschließend für kurze Zeit als Meister ihrer Zunft galten. Stuart Gordon blieb dem Autor Lovecraft nach „Re-Animator“ mit „From Beyond“ (1986), „Castle Freak“ (1995) und „Dagon“ (2001) treu, während Brian Yuzna 1990 die phantastische, nun endgültig und ganz offen von „Frankenstein“ inspirierte und nicht mehr auf Lovecraft beruhende Fortsetzung „Bride Of Re-Animator“ realisierte und 1993 mit dem sowohl optisch wie inhaltlich sehr stark an „Re-Animator“ erinnernden „Return Of The Living Dead 3“ eine der schönsten und zugleich tragisch anmutendsten Untoten-Ballade für das Kino ablieferte.

    Auf ihre alten (und inzwischen schon lange nicht mehr so erfolgreichen) Tage haben sich beide Horror-Veteranen ihres erfolgreichen Erstlings besonnen: Brian Yuzna 2003 mit „Beyond Re-Animator“ und Stuart Gordon 2008 mit „House Of Re-Animator“ – zwei in die Jahre gekommenen Gründerväter des Zombiefilms und des Fun-Splatters, die sich von ihrem lieb gewonnenen Geist der 80er Jahre nicht lösen können, konsequent ignorierend, dass ihnen junge Regisseure wie Zack Znyder oder Danny Boyle längst den Schneid abgekauft haben.

    „Ich goss gerade etwas aus einem Reagenzglas in ein anderes, als aus dem stockdunklen Zimmer, das wir gerade verlassen hatten, eine entsetzliche und dämonische Folge von Schreien herüberdrang, wie sie keiner von uns je vernommen hatte.“

    1985 jedoch war das Genre noch jung, die lebenden Toten auf der Leinwand allgegenwärtig und der Fun-Splatter mit Sam Raimis Tanz der Teufel von 1984 gerade geboren. Und auch der 31-jährige Jungdarsteller Jeffrey Combs hatte außer ein paar Nebenrollen bislang noch nicht allzu viele Referenzen vorzuweisen, entsprach aber geradezu perfekt jener Figur Herbert West, wie sie Howard Phillips Lovecraft für seine Kurzgeschichte erfunden hatte: äußerlich ein linkischer, unbeholfener, tollpatschiger Sonderling, doch hinter dieser harmlos erscheinenden Fassade ein fanatischer, getriebener, rastloser und noch dazu diabolischer Wissenschaftler, ein Besessener, der für seine Forschungszwecke im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht, und das sowohl in Lovecrafts Geschichte als auch in Gordons filmischer Umsetzung in Form wahrer Leichenberge.

    In Lovecrafts literarischer Vorlage türmen diese sich über einen Zeitraum von 16 Jahren, über die sich die episodenhaft gehaltene Kurzgeschichte erstreckt, angefangen von der ersten Begegnung des (namenlos bleibenden) Ich-Erzählers bis hin zu Wests schauerlichem Ende, welches ihm die eigenen Forschungen bescheren. Stuart Gordons „Re-Animator“ komprimiert dieses Handlungsgerüst zu einer in die Gegenwart der 80er Jahre verlegte nachtschwarze Horrorgeschichte mit ultra-galligem Splattereinschlag, die nicht selten mit dem Entsetzen brachialen Scherz treibt, ohne dabei allerdings bereits in den komplett jede Ernsthaftigkeit vermissenden Slapstick eines Bad Taste oder Braindead abzukippen.

    Der Film kreiert als Perspektivfigur den jungen Medizinstudenten Dan Cain (Bruce Abbott), der dem Ich-Erzähler aus Lovecrafts Kurzgeschichte entspricht. Bei ihm landet der bereits zu Beginn nur sehr schwer seine Verrücktheit im Zaum haltende Jung-Akademiker Herbert West, zunächst nur als Zimmergenosse, dann als Forschungskollege und letztendlich als Mitverschwörer. Mittelpunkt allen Interesses ist ein geheimnisumwittertes Serum, welches West an seiner bisherigen Wirkungsstätte in der Schweiz zur Wiederbelegung bereits toten Gewebes entwickelte. Unglückseligerweise musste er seine Forschung im Land der Eidgenossen abbrechen, nachdem sein Doktorvater auf sehr unerquickliche Weise das Zeitliche segnete.

    „Sie haben ihn umgebracht!" -

    „Nein, das habe ich nicht! Ich habe ihn ins Leben zurückgeholt!"

    Auch an seiner neuen Wirkungsstätte setzt der rastlose Nachwuchs-Frankenstein seine makaberen Versuche fort. Als Ort der Handlung wählt das Drehbuch wie in der literarischen Vorlage die Miscatonic Universität in Arkham, Massachusetts, also in jener denkwürdigen, von Howard Phillips Lovecraft allein für sein Schauer-Universum erdachten fiktiven Stadt in Neu-England. Und auch hier bleiben Wests Bemühungen nicht ohne Opfer: Erst muss eine Katze daran glauben, dann ausgerechnet der Dekan Alan Halsey (Robert Sampson), der von einer von West wiederbelebten Kreatur angefallen wird (in der literarischen Vorlage stirbt Halsey an Typhus). Was den rastlosen West natürlich als allererstes motiviert, dem frisch Dahingeschiedenen sein dämonisches Serum ins Rückenmark zu injizieren, was endgültig unabsehbare Folgen nach sich zieht. Studienkollege Cain wird halb abgestoßen, halb fasziniert in den Strudel der blutigen Ereignisse mitgerissen und unfreiwillig zum Komplizen und Mittäter des höllischen Treibens.

    Dennis Paolis Drehbuch verleiht dem Charakter Herbert Wests über die literarische Vorlage hinaus eine zusätzliche dämonische Facette, indem es ihn noch nicht einmal vor einem (reichlich bestialischen) Mord an dem sinistren und eifersüchtigen Professor Carl Hill (David Gale) zurückschrecken lässt (in Lovecrafts Kurzgeschichte stirbt Hill beim Luftkampf an der Front des Ersten Weltkriegs). Der in Torso und Kopf aufgeteilte Hill – in beiden Hälften durch Wests frankensteinische Künste wiederbelebt – ist fraglos die morbideste Steilvorlage aus Lovecrafts Kurzgeschichte für die von Stuart Gordon und Brian Yuzna wirklich herrlich makabere Umsetzung auf der Leinwand (der abgetrennte Kopf, der seinem eigenen Torso Regieanweisungen zu geben versucht, ist schlicht zum Kreischen).

    „All diese Forschungsarbeit erforderte einen reichlichen Nachschub frisch hingeschlachteten Menschenfleisches – das war der Grund, warum Herbert West in den großen Krieg eingetreten war.“

    Auf faszinierende Weise gelingt es „Re-Animator“, die gotische Schaueratmosphäre der Lovecraft-Geschichte stimmungsvoll mit den Stilmitteln des 80er-Jahre-Splatters zu inszenieren und dabei zugleich das Regelwerk des modernen Zombiefilms herunterzudeklinieren, womit Stuart Gordon und Brian Yuzna einen zeitlosen Klassiker des Horrorkinos schufen. „Re-Animator“ ist Old-School-Splatter in bester Form und ebnet zugleich mit seinen tiefschwarz-morbiden Humor-Ideen den Weg zum Fun-Splatter vom Schlage des frühen Peter Jackson oder der Troma-Filme. Zur intensiven Atmosphäre des Films tragen auch die äußerst stimmungsvolle Set-Arrangements bei, die oftmals in ihrer spartanischen Ausstattung an eine Theaterbühne erinnert (der größte Teil des Films spielt unterirdisch in Kellern oder Leichenhallen). Kein Wunder, brachte doch Stuart Gordon 1985 Theatererfahrungen an den Filmset von „Re-Animator“ mit.

    Zur Entdeckung des Films schlechthin aber geriet Jeffrey Combs. Seine Darstellung des manischen, besessenen Wissenschaftlers Herbert West, der glaubt, den Tod überwinden zu können, wurde zur modernen Wiedergeburt und zum Inbegriff des Mad Scientist. Der 1954 geborene Combs war anschließend auf das Rollenprofil der mittelschwer durchgeknallten, derangierten Horrorfigur abonniert: Stuart Gordon holte ihn für den schwachen Lovecraft-Nachfolger „From Beyond“, 1990 für „Robot Jox“, 1993 für „Fortress“ und 1995 zu „Castle Freak“ an den Set. Für Brian Yuzna stand er – natürlich – in der phantastischen Fortsetzung „Bride Of Re-Animator“ und der sehr viel jüngeren filmischen Rückkehr „Beyond Re-Animator“ vor der Kamera. Am skurrilsten dürfte sein Einsatz in Peter Jacksons „The Frighteners“ als völlig hysterischer FBI-Sonderermittler in Erinnerung bleiben. Zu einem seiner unheimlichsten Auftritte – in bester „Re-Animator“-Tradition“ – geriet seine Rolle als geisterhafter Irrenarzt Dr. Benjamin Vannacut im ansonsten nicht sonderlich aufregenden „House On Haunted Hill“ von 1999.

    „Ich kann West noch heute unter dem unheimlichen elektrischen Licht sehen, wie er seine Wiederbelebungslösung in die Armvene des kopflosen Leichnams injizierte. Ich vermag die Szene nicht zu beschreiben – ich würde schwach werden, falls ich es versuchte, denn solch ein Raum voll klassifizierter Friedhofsreste, mit Blut und geringeren menschlichen Überresten, die den rutschigen Boden beinahe knöcheltief bedecken, mit furchtbaren Reptilienabnormitäten, die wachsen, Blasen werfen und über einer blinkernden, blaugrünen Geisterflamme in einem abgelegenen Winkel brodeln, ist schierer Wahnsinn.“

    Skurril ist die Schnittgeschichte von „Re-Animator“. Wie die meisten großen Klassiker des Splatterfilms war er jahrelang legal in Deutschland nur in einer extrem gekürzten Fassung erhältlich. Heute existieren nebeneinander der englischsprachige Director’s Cut von 86 Minuten sowie eine teilweise deutsch synchronisierte, integrale Schnittfassung aus der ehemaligen, sehr stark verstümmelten deutschen Fassungen sowie den darin fehlenden, nicht synchronisierten Passagen aus der (von Stuart Gordon nie geplanten) R-Rated-Fassung, ihre Laufzeit beträgt etwas mehr als 100 Minuten.

    Auf der 2002 bei Laser Paradise erschienen DVD sind beide Fassungen enthalten. Als bösen Etikettenschwindel muss man die im Februar 2008 bei Sunfilm/Marketingfilm erschienene Doppel-DVD in der Metallhartbox einstufen: Zwar enthält die Bonus-DVD eine Menge interessantes Material, so Videos, diverse „extended scenes“ und „deleted scenes“, Interviews und Trailer. Der auf der anderen DVD enthaltene Hauptfilm hat eine Lauflänge von nur 81 Minuten und entspricht, obwohl die Metallbox das Siegel „Keine Jugendfreigabe“ trägt, der stark gekürzten deutschen FSK16-Fassung.

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