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    Narc
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Narc
    Von Björn Becher

    Joe Carnahans beeindruckende zweite Regiearbeit, der düstere und spannende Cop-Thriller „Narc“ ist einer jener Filme, die leider dem deutschen Kinozuschauer - mit Ausnahme der Besucher des Fantasy Film Festivals - vorenthalten wurde, und es nur zu einer Direkt-VÖ auf DVD und VHS brachte, obwohl die Qualität weit über dem Durchschnitt der meisten Kinofilme liegt.

    Jahrelang hat Nick Tellis (Jason Patric) undercover für die Drogenfahndung in Detroit ermittelt. Er wurde selbst drogensüchtig und sein Leben zerstört. Als er vor anderthalb Jahren bei einem Einsatz einen Verdächtigen erschoss, der gerade ein Kind bedrohte und ein Querschläger eine schwangere Frau traf, die daraufhin ihr Baby verlor, stieg Tellis aus und fing ein neues Leben an: Frührente, Drogenentzug, Heirat und ein Baby! Doch die Vergangenheit holt ihn ein. Die Polizei will ihn zurück. Er soll den Mord an dem Undercovercop Michael Calvees (Alan van Sprang), der ebenfalls im Drogenmilieu ermittelte, aufklären. Nach kurzer Zeit des Widerstandes willigt er trotz Protests seiner Familie ein. Zusammen mit Calvees Ex-Partner, dem brutalen Cop Henry Oak (Ray Liotta), der kurz vor dem Rausschmiss aus der Polizei steht, da er des öfteren Verdächtige sehr unsanft angefasst hat, beginnt Tellis die Ermittlungen. Sehr schnell macht sich in ihm der Verdacht breit, dass Calvees im Gegensatz zu ihm nicht rechtzeitig den Absprung geschafft hat, und an den Drogen zugrunde gegangen ist. Doch davon will Oak nichts wissen...

    Nachdem „Blood, Guts, Bullets And Octane“, Joe Carnahans erste Regiearbeit noch für wenig Aufsehen sorgte, wurde „Narc“ zu seinem Breakthrough-Film. Direkt danach verpflichtete ihn BMW für ihr bemerkenswertes Kurzfilmprojekt „The Hire“, wo Carnahan in einer Reihe mit Regiekönnern und –Legenden wie John Woo, John Frankenheimer, Ang Lee, Wong Kar-wai, Alejandro González Iñárritu, Guy Ritchie und Tony Scott einen der Teile inszenieren durfte. Schnell gab auch Tom Cruise, der „Narc“ produziert hat, bekannt, dass Carnahan als Regisseur für Mission Impossible 3 verpflichtet wurde und er nahm noch die Verfilmung von Mark Bowdens (Black Hawk Down) wohl besten Buches „Killing Pablo“ in Angriff. Doch bei „Mission: Impossible 3“ warf er nach kreativen Auseinandersetzungen mit Tom Cruise entnervt das Handbuch und „Killing Pablo“ ist immer noch in der Vorbereitung. Stattdessen steht mit Smokin´ Aces nun vier Jahre nach „Narc“ ein neuer, furioser Carnahan in den Startlöchern. Vier Jahre lagen auch zwischen seinem Debüt und „Narc“, vier Jahre die er nicht nur mit Produzentensuche, sondern auch mit der genauen Ausarbeitung seiner Vorstellungen verbracht hat. Diese Vorbereitung hat sich ausgezahlt.

    Der fast ausschließlich mit der Handkamera gefilmte Cop-Thriller besticht durch eine unheimlich authentische Atmosphäre: Der Zuschauer fühlt sich hereinversetzt in die Szenen. Man begleitet die beiden Cops förmlich bei ihren Hausdurchsuchungen, lugt mit ihnen um jede Ecke, hinter der ein Gangster mit einer Kanone stehen kann. So gut wie teilweise Carnahan hier hat es selten ein Regisseur geschafft, den Zuschauer in den Film zu ziehen.

    Er orientiert sich dabei in Teilen zwar deutlich an Vorbildern wie William Friedkins legendärem French Connection[url] und ist wie Carnahan selbst sagt, beeinflusst von der Dokumentation „The Thin Blue Line“ über einen Polizistenmord, doch bleibt dabei eigenständig und verkommt nie zu einer Kopie. Die gezeichnete Welt ist brutal, durch und durch: Der Regisseur zeigt schonungslos wie ein Cop, wie Oak alle Grenzen auf seinem privaten Rachefeldzug übertritt, und wie ein anderer Cop, Tellis, mit seiner eigenen Drogenvergangenheit kämpfen muss. Es gibt keine guten Polizisten in „Narc“. Beide haben genauso viel Dreck am Stecken wie einige der Gangster, die sie verhaften (oder verprügeln).

    Mit Ray Liotta und Jason Patric brilliert ein großartiges Darstellerduo. Liotta ([url]GoodFellas, Smokin´ Aces), der den Film auch produzierte, nahm für seine Rolle des Oak über zehn Kilo zu und ist kaum wieder zu erkennen. Liotta ist ein breiter Koffer. Durch graue Haare, Bart und sein vernarbtes Gesicht, wirkt er alt, aber in fast jedem Zug brutal. „Oak“ heißt auf deutsch „Eiche“ und diesen Namen hat man ihm wohl nicht umsonst gegeben. Wie eine große, breite Eiche wirkt er.

    Noch schwerer wieder zu erkennen ist allerdings Jason Patric (Sleepers). Der Mann, der seine Position als hoffnungsvoller Jungdarsteller in die Mülltonne warf, als er mit „Speed 2“ nicht nur einen der schlechtesten Filme aller Zeiten ablieferte, sondern auch eine richtig schlechte schauspielerische Leistung zeigte, feiert hier ein eindrucksvolles Comeback. Nichts ist mehr übrig geblieben von dem hübschen Jason Patric aus „Speed 2“, der als Frauenschwarm galt. Der Jason Patric aus „Narc“ hat eine hohe Stirn, einen komischen Schnauzbart, wirres Haar und erinnert vom Aussehen an Eric Banas Chopper aus dem gleichnamigen Streifen. Eben jener Patric liefert die vielleicht beste Leistung seines Lebens ab. Er sieht kaputt aus, wie ein Mann, der lange gegen die Drogen gekämpft hat und das nicht nur gegen die Drogen auf der Straße, sondern auch gegen seine eigene Sucht. An seiner Mimik und seiner Gestik erkennt man, dass er diesen Kampf innerlich noch weiter führt, auch wenn er sich das äußerlich gegenüber seinen Kollegen nicht anmerken lassen will.

    „Narc“ arbeitet viel mit der wackeligen Handkamera, andauernde Flashbacks der Akteure schildern die Story in verschiedene Zeitebenen und bis zu vier Screens in einer Szene lassen das ganze auch mal recht unübersichtlich werden. Zusammen mit dem hervorragend und eindringlichen Score von Cliff Martinez und der Farbkomposition des Films, die ein Stück weit an [ur]Traffic[/url] erinnert, wird eine besondere Atmosphäre geschaffen, welche dem Zuschauer die ganze Brutalität der Welt, in welcher dieser Film spielt, vermittelt.

    „Narc“ schlägt in eine ähnliche Kerbe wie die düsteren Ellroy-Verfilmungen L.A. Confidential und Dark Blue und braucht sich zumindest vor letzterem nicht zu verstecken. Wie den meisten Filmen dieses Genres fehlt es der spannenden Geschichte zwar an der Massentauglichkeit, doch nicht nur Fans von L.A. Confidential, French Connection oder dem atmosphärisch einige Ähnlichkeiten aufweisenden Fincher-Meisterwerk Sieben werden begeistert sein.

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