Verfilmungen nach Vorlagen von Horror-König Stephen King hatten es in der Vergangenheit meist schwer. Zuletzt setzte beispielsweise Lawrence Kasdan „Dreamcatcher“ in den Sand. Highlights wie „Die Verurteilten“ oder „The Green Mile“, beide von Regisseur Frank Darabont, waren eher die Seltenheit. Star-Drehbuchautor David Koepp, der mit „Echoes“ ein solides Regie-Debüt gab, startet mit dem präzise gezeichneten, aber lethargischen Mystery-Thriller „Das geheime Fenster“ den nächsten Versuch. Seine Umsetzung von Kings Novelle „Secret Window, Secret Garden“ ist atmosphärisch dicht und gut besetzt, bleibt aber in ihrer Inszenierung über weite Strecken zäh.
„Geh’ nicht zurück. Sieh’ zu, dass du hier wegkommst“, hämmert ihm sein Unterbewusstsein immer wieder ein. Doch Romanautor Mort Rainey (Johnny Deep) kann in dieser verschneiten Winternacht nicht anders. Er kehrt in das kleine Motel zurück und findet seine Ehefrau Amy (Maria Bello) mit dem smarten Ted (Timothy Hutton) zusammen im Bett... Ein halbes Jahr später ist die Ehe fast Geschichte. Die Scheidung läuft und steht kurz vor dem Abschluss. Amy und Ted leben mittlerweile in Morts Villa - er hat sich in einem einsamen Haus samt dazugehörigem See auf dem Land verschanzt. Er versucht, wieder etwas zu schreiben, leidet aber an einer Blockade und knabbert noch an der Trennung. Er verwahrlost zusehends, nur seine Haushälterin sorgt noch für Ordnung. Eines Tages soll sein Leben eine schlagartige Wendung nehmen. John Shooter (John Turturro), ein Hobbyschriftsteller aus Mississippi, steht vor Morts Haus und behauptet, dass dieser seinen Roman „Secret Window“ von ihm gestohlen und als seinen veröffentlicht hat. Mort nimmt den mysteriösen Fremden zunächst nicht ernst, doch bald bleibt ihm nichts anderes übrig. Um sich mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, tötet Shooter Morts Hund mit einem Schraubenzieher. Mort meint beweisen zu können, dass er den Roman vor Shooter geschrieben hat. Ein Magazin, dass dies versichern soll, ist aber erst mal nicht auffindbar. Shooter gibt Mort drei Tage Zeit, den Beweis zu erbringen, sonst droht er, ihn umzubringen. Mort beauftragt den New Yorker Privatdetektiv Ken Karsch (Charles S. Dutton), mehr über den Eindringling herauszufinden und ihn selbst zu schützen...
David Koepp zählt in Hollywood zu den erfolgreichsten Drehbuchautoren, die es gibt. „Jurassic Park I + II“, „Spider-Man 1 + 2“, „Panic Room“, „Mission: Impossible“, „Carlito´s Way“, „Der Tod steht ihr gut”: Die Liste von Koepps erstklassigen Arbeiten ist lang. 1999 wechselte er die Seiten und legte mit „Echoes“ sein Regiedebüt vor. Obwohl qualitativ durchaus ansprechend, floppte der Film an der Kinokasse. Mit „Das geheime Fenster“ sollte der zweite Versuch erfolgreicher enden. Kommerziell steht ein besseres Abschneiden bei der guten Besetzung außer Frage. Vollends überzeugen kann Koepps Adaption der King-Novelle aus der Anthologie „Four Past Midnight“ inhaltlich jedoch nicht. Für die Einführung der Charaktere nimmt sich Koepp Zeit, viel Zeit. Dadurch schafft er seinen Figuren einen starken Unterbau, mit dem er arbeiten kann. Doch je länger die Geschichte dauert, desto ungeduldiger wird das Publikum. „Das geheime Fenster“ müht sich eher als Charakterstudie, denn als spannender Thriller voran.
Um die Zuschauer auf Trab zu halten, wartet Autor Koepp mit einem Paukenschlag auf, der das Ruder rumreißen und die Handlung in unruhigere Fahrwasser führen soll. Das Problem: Der Wendepunkt kommt einigermaßen plötzlich, ist aber nicht halb so überraschend, wie Koepp es gern wahrhaben will. Zudem ist bereits über eine Stunde Leinwandzeit ins Land gezogen, der eine gewisse Zähheit nicht abzusprechen ist. Die Stärke von „Das geheime Fenster“ in dieser Phase ist das stete Ungewisse. Was verbirgt sich hinter der Geschichte? Worauf führt sie hinaus? Als Koepp dann die neue Richtung vorgibt, kommt der Film in Wallung. Doch richtig mitreißend ist das Gesehene nicht. Unterhaltsam, grundsolide schon, aber mehr auch nicht.
Da entschädigt schon eher die Präsenz von Superstar Johnny Depp. Für „Fluch der Karibik“ zurecht mit einer Oscarnominierung geadelt, zeigt Depp auch in „Das geheime Fenster“ sein Talent und seine Vorliebe für verschrobene Charaktere. Wenn er zu Beginn mit wirren Haaren, Glasbaustein-Brille und Michael-Douglas-Wonder-Boys-Gedächtnis-Bademantel durch sein verwahrlostes Haus stapft, hat dies einen hohen Unterhaltungswert. Mit zunehmender Dauer verliert seine Figur immer mehr den Boden unter den Füßen. Die kleinen, ironischen Gesten sind es, die Depps Spiel auszeichnen. Mit trockenen Onelinern zieht er das Publikum auf seine Seite.
Depps Co-Stars haben es da schon schwerer. Maria Bello >„Auto Focus“, „Coyote Ugly“, „Payback“), die gerade in Wayne Kramers „The Cooler“ eine überragende Leistung zeigte, macht das beste aus ihrer limitierten Rolle. Sie hat ihr neues Glück mit Ted gefunden, liebt Mort auf eine bestimmte Weise immer noch, will aber trotzdem endgültig von ihm los kommen, indem sie die Scheidung abschließt. Diese Zerrissenheit zwischen alter und neuer Liebe bringt Bello glaubhaft rüber. Ihr Leinwandpartner Timothy Hutton hat die wohl undankbarste Rolle. Obwohl Hutton 1980 für „Eine ganz normale Familie“ den Oscar gewann, blieb ihm der große Durchbruch verwehrt. Daran wird auch „Das geheime Fenster“ nichts ändern. Sein Charakter des potenziellen Ehebrechers ist am unsympathischsten. Das nutzt Regisseur und Autor Koepp, um ihn im Pool der Verdächtigen ganz weit oben schwimmen zu lassen. In ein paar Szenen kann er Depp Paroli bieten, muss aber ansonsten – besonders wenn Depp und Bello zusammen agieren – in dritter Reihe stehen. John Turturro darf mit breiten amerikanischen Südstaaten-Akzent den ruhigen John Shooter mit deutlichem Hang zum möglichen Wahnsinn geben.
„Das geheime Fenster“ ist solides Mystery-Kino, das mehr von seiner Stimmung und seinen gut herausgearbeiteten Charakteren lebt, als von einer rasanten, packenden Inszenierung. Spannung kommt schon auf, aber diese schleppt sich oft zäh dahin. Das Finale nach dem großen Wendepunkt kann dann zumindest mit einer sympathischen Konsequenz aufwarten, die ein bisschen was von dem vorher Versäumten gutmacht.