Manche Filmtitel wandeln dermaßen an der Grenze zur Debilität, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen und sämtliche Alarmglocken anspringen. Einer jener Titel ist zweifelsohne „Shaolin Kickers“. Fachkundige Filmfreunde werden sofort an Streifen wie „Shaolin Boxer“, „American Shaolin“ oder auch „Shaolin Kids“ denken und zu schaudern beginnen, denn im Vergleich zu jedem einzelnen dieser Filme stellt ein Abend mit „Star Search“ und Konsorten ein kulturelles Highlight dar. Warum sollte man also ausgerechnet hinter dem Titel „Shaolin Kickers“ einen Film vermuten, der es Wert ist, mehr als fünf Minuten mit ihm zu verbringen? Doch wie bereits Frau Ebstein feststellte, geschehen immer wieder Wunder. Hongkong-Ikone Stephen Chow ist tatsächlich ein rasanter Genre-Mix gelungen, der hart an der Grenze zwischen Genialität und Wahnsinn wandelt, aber trotzdem für recht kurzweilige Unterhaltung zu sorgen weiß.
Der Film beginnt mit einem Uli-Hoeneß-Gedächtnis-Elfmeter. Der Fußballstar Fung (Man Tat Ng) semmelt im wichtigsten Spiel seiner Karriere den alles entscheidenden Elfmeter gen Himmel. Die Anhänger seines Vereins stürmen das Spielfeld und finden in Fung das richtige Ventil, um ihrer Wut freien Lauf zu lassen. Sein Knie wird vollkommen demoliert, sein noch junges Sportlerleben abrupt beendet. Jahre später steht er am Rande des vollkommenen Verfalls, bis er eines Tages den mittellosen Sing (Stephen Chow) trifft. Sing, der in einem Shaolin Kloster aufgewachsen ist, träumt davon, der ganzen Welt seine Kung-Fu-Kenntnisse zu vermitteln. Seine These: Kung Fu erleichtert das alltägliche Leben. Fung überzeugt Sing davon, dass er dank seiner Fähigkeiten ein herausragender Fußballspieler wäre und über diesen Umweg sehr viele Menschen mit seinen Weisheiten erleuchten könne. Sing mobilisiert seine Brüder, um unter der Leitung von Fung ein Fußballteam zu gründen, wie es die Welt noch nie gesehen hat.
In erster Linie ist „Shaolin Kickers“ also ein klassischer Sportler-Film, in dem sich eine Handvoll Außenseiter zusammenschließt, um ganz nach oben zu gelangen. Seitdem „Rocky“ das Genre 1976 neu definierte, gehört in einen Film dieser Art, der etwas auf sich hält, auch eine Liebesgeschichte. Diese wird um Sing und die Bäckerin Mui (Vicki Zhao), die ebenfalls eine Kung-Fu-Meisterin ist, gestrickt. Allerdings ist dieser Subplot eher nebensächlich und dient einzig dem Zweck, das große Finale beim Spiel gegen das fiese „Team Evil“ mit einer Briese Emotionalität zu würzen.
Wer nun die Stirn ob der vollkommen schwachsinnigen Storyline rümpft, tut dies vollkommen zu Recht. Die gesamte Geschichte könnte eigentlich auf einer RTL-2-kompatiblen Zeichentrickserie stammen. Sie ist weder sonderlich packend, noch mitreißend oder mit Überraschungen gespickt. Dafür bietet sich jedoch reichlich Raum für einige herzerfrischende Oneliner und Anspielungen auf andere Titel. So erinnern nicht nur einige Szenen mit einem Augenzwinkern an die diversen Filme von Bruce Lee, sondern auch Hollywood-Produktionen wie „E.T.“ oder insbesondere „Matrix" bekommen ihr Fett ab.
„Matrix" ist das richtige Stichwort, um die hier präsentierten Fußballspiele zu beschreiben. Um sich ein grobes Bild von deren Inszenierung machen zu können, muss man sich einfach vorstellen, was das Ergebnis wäre, wenn „Matrix"-Recke Neo beschließen würde, unters kickende Volk zu gehen. Da wird mir einem Ball ein Loch in eine solide Steinwand geschossen, der Torpfosten verbiegt sich bei einem Treffer gegen das Gebälk oder der Ball wird während eines waghalsigen Rückwärtssalti millimetergenau ins Lattenkreuz gehämmert. Zusätzlich werden hin und wieder comicartige Sequenzen eingeschoben, in der sich beispielsweise der Ball während des Fluges in einen aus Flammen bestehenden Löwen verwandelt. Dies alles ist von „Matrix"-typischen Slow-Motion-Sequenzen und Kamerafahrten in Szene gesetzt. Zwar ist das Ergebnis fernab jedwedem Sinn für Realität – Helmut Rahn würde sich im Grabe umdrehen - doch durch diese Einflüsse besitzen die Fußballspiele in „Shaolin Kickers“ einen atemberaubenden Schauwert. Es muss in diesem Zusammenhang allerdings noch warnend angefügt werden, dass der Film seine asiatische Herkunft keineswegs leugnet. Da fliegen die Spieler schon mal schwerelos über das Spielfeld. Ob dies nun als Stilbruch oder interessante Kombination angesehen wird, muss im Endeffekt wohl jeder für sich selbst entscheiden.
Hauptdarsteller und Regisseur Stehen Chow genießt in seiner Heimat Hongkong Kultstatus und wird schon als legitimier Nachfolger von Export-Schlager Jackie Chan gehandelt. Chows Filme lassen sich durchweg als anspruchslose, aber akrobatisch exzellent eingefangene Action-Komödien beschreiben. „Shaolin Kickers“ macht da keine Ausnahme, muss sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, dass einige Szenen nicht wirklich rund wirken. Der Grund hierfür ist jedoch nicht bei Chow zu suchen, sondern bei der für den westlichen Raum verantwortlichen Produktionsfirma Miramax. Im Vergleich zur asiatischen Fassung kürzte Miramax den Film um 15 Minuten. Begründet wurde dies mit den Schlagworten „bessere internationale Verwertbarkeit“. Von Kennern beider Fassungen musste Miramax hierfür harsche Kritik einstecken. Ob diese Kritik berechtigt war oder nicht sei dahingestellt, sicher ist jedoch, dass der Griff zur Schere an einigen Stellen all zu offensichtlich erfolgte.
Ein abschließendes Fazit fällt bei „Shaolin Kickers“ extrem schwer. Kitschig? Sicherlich. Unrealistisch? Und wie! Aber auch amüsant und technisch nahezu perfekt umgesetzt. Würde man während des Films eine Strichliste führen, in der gelungene und weniger gelungene Szenen miteinander vergleichen werden, wären die Gelungenen letzten Endes knapper Sieger. An dieser Stelle wird dringend empfohlen, sich den offiziellen Trailer anzuschauen. Wer diesem etwas abgewinnen kann, sollte einen Blick riskieren. Allen anderen kann von einem Besuch nur abgeraten werden. Selten war eine Bewertung dermaßen von subjektiven Faktoren abhängig wie in diesem Fall.