Mein Konto
    Bad Santa
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Bad Santa
    Von Claudia Holz

    Es gibt zwei Worte, die beim Hinhören zunächst nicht in einen Satz gehören, aber bei Gedanken an einen Film mit Billy Bob Thornton und produziert von den Coen-Brüdern, einen förmlich in den nächstgrößten Kinosaal treiben sollten (fällt irgendjemandem noch auf, dass Bad Santa ein Anagramm für Bad Satan ist?). Gepaart mit den Führungskräften von „Ghost World“-Macher Terry Zwigoff darf bei diesem Weihnachtsschmaus alles aufgetischt werden, was diese Saison so angesagt ist. Und das Beste an dem Ganzen? Wir werden nicht enttäuscht. „Bad Santa" ist das Überrraschungsjuwel für dieses Jahr, doch Vorsicht: Den Kindern sollte man doch besser die Augen verbinden und die Ohren zuhalten, oder sie vielleicht ganz zu Hause lassen, denn der Titel dieses dunklen Streifens hält alles, was er verspricht. In Amerika wurde er mit dem berüchtigten „R“ gebrandmarkt, was soviel bedeutet wie: heftige Kraftausdrücke, Sex und einige Gewaltszenen am laufenden Band. Für einen Coen-Film ist dieses Rating nichts anderes als ein Muss (selbst „The Ladykillers“ war in den USA nur für Erwachsene).

    Vielen Dank auch! Wahnwitzig frech und komisch ist „Bad Santa“ nämlich und ein berechtigter Faustschlag Mitten ins Gesicht des alljährlichen Weihnachtskonsums. Billy Bob Thornton (kann dieser Mann eigentlich irgend etwas falsch machen?) ist Willie, Alkoholiker und Santa Claus in einem Einkaufszentrum, der mit seinem kleinwüchsigen Kollegen Marcus (Tony Cox) jedes Jahr an Heiligabend selbiges bis zum letzten Dollar ausraubt. Bisher lief alles wie am Schnürchen, doch gerade dieses Jahr (die Kleingangster hoffen auf den letzten großen Coup) trifft Willie auf eine Frau (Lauren Graham) mit einem Nikolaus-Fetisch und auf einen kleinen übergewichtigen Jungen (Brett Kelly), der ihm die wahre Bedeutung von Freundschaft und Verantwortung zeigen wird - ein Haufen Probleme also.

    Mehr sollte an dieser Stelle nicht verraten werden, denn „Bad Santa“ ist ebenso unvorhersehbar und überraschend, wie dreist und sadistisch. Schimpfwörter aller Art werden hier an so vielen Stellen benutzt, wie zuletzt nur in „Scarface“ und trotzdem ist dies ein Film, den man gerade deswegen so mag. Obwohl die beiden Wunderbrüder aus Minnesota nur die Produzenten waren, lässt sich deren Handschrift dennoch nicht verleugnen: schließlich geht es um einen Mann, der in Situationen gerät, die er selbst nicht steuern kann und bei denen die Zuschauer, als auch die Protagonisten immer wieder aufs Neue überrascht werden. Hierbei bedient sich auch Zwigoff bei allerlei Genres. Ob bittere Komödie oder Heist-Movie, auch das bisschen Drama darf nicht fehlen und am Ende geht es Gott sei dank nicht darum, ob Verbrechen sich auszahlt oder nicht, sondern einzig und allein, um das Erzählen und dabei nicht unbedingt um die netteste aller Geschichten.

    Terry Zwigoff gehört selbstverständlich zur Klitsche der Coens, wie auch Steve-„funny-looking“-Buscemi, der in „Bad Santas“ Vorgänger „Ghost World“ mit zu dem Mimen zählte. Hier durfte mal wieder Billy Bob Thornton ans Werk, der bereits in „The Man Who Wasn't There“ oder auch „Ein (un)möglicher Härtefall“ von den Coen-Brüdern besetzt wurde. So schließt sich der familiäre Kreis. Nicht nur gilt Zwigoff als einer der exzentrischsten Filmemacher im Independent-Hollywood (gibt’s da eigentlich noch ’nen Unterschied zum klassichen Hollywood?), seine Liebe für Comic-Bücher und den Blues, haben ihn letztendlich berühmt gemacht. Mit dem 1994 erschienenen Dokumentarfilm „Crumb“ (über den gleichnamigen Comic-Künstler Robert Crumb), gewann er in Sundance, allerdings nicht bei den Oscars, was einen Aufschrei der Empörung hervorrief und so immerhin eine generelle Überarbeitung der Auswahlkriterien für Oscar-Nominierungen im Bereich Dokumentarfilm herbeiführte. Wie einmalig verrückt der Regisseur wirklich ist, weiß wohl niemand, aber eine kleine Episode soll hier noch erwähnt werden: Bei den Dreharbeiten zu „Crumb“ litt Zwigoff an unerträglichen Rückenschmerzen. Zu Roger Ebert (Filmkritiker der „Chicago Sun-Times“) soll er dabei gesagt haben, dass er mit einem Revolver unter dem Kopfkissen schläft, falls er sich im Laufe der Nacht von seinem Elend erlösen muss. So, oder so ähnlich verrückt sollte fürs Erste reichen.

    Die Verrücktheit in „Bad Santa“ beschränkt sich weitestgehend auf das Drehbuch, denn ansonsten ist der Film erfrischend simpel gedreht. Doch wie wichtig ein solides Drehbuch ist, wissen wir nicht erst seit, „Star Wars: Episode II - Attack of the Clones“. Das Tolle an „Bad Santa“ ist, dass das Drehbuch alles liefert, was letztendlich den wahnsinnig guten Schauspielern und der perfekt lakonischen Inszenierung dieser Satire zum Leben verhilft. Allen voran spielt sich Billy Bob Thornton einen Wolf, um seinen Charakter Willie möglichst verrucht und abgehärtet erscheinen zu lassen. Die Liste an Boshaftigkeiten in seinem Namen ist mindestens genauso lang, wie die Weihnachtswunschliste eines 8-Jährigen und löscht sämtliche wohligen Erwartungen des Zuschauers, der hofft, dieser Santa ist jemand, der Kinder lieb hat und zudem ein Herz aus Gold besitzt, mit einer dicken Decke, getränkt in alle möglichen Gemeinheiten dieser Welt. Willie entpuppt sich nämlich als rauchender, trinkender, fluchender und zuweilen inkontinenter Verlierertyp und das von der ersten Sekunde an, in der er den Mund aufmacht. Die beiden Drehbuchautoren, Glenn Ficarra und John Requa, müssen wohl jeweils einen fetten, fiesen Clown gefrühstückt haben, um solch eine Figur zu entwickeln.

    Sein kleiner Partner Marcus ist das eigentliche Gehirn der Operation und Tony Cox verkörpert diesen mit Bravur. Doch die eigentliche Überraschung kommt von dem kleinen, untypisch besetzten (gar nicht zum knuddeln!) Brett Kelly, welcher sogar die ein oder andere Szene an sich zu reißen vermag. Lauren Graham funktioniert auch nicht schlecht, als die Barfrau, die einen deutlich sexuellen Hang zum Nikolauskostüm entwickelt und sich schließlich in den Träger des selbigen verliebt. Im gelungenen Spiel mit Thorntons sündigem Auftritt, agiert sie mit einer Menge Sexappeal und Witz.

    Wer sich also einen netten Weihnachtsfilm anschauen möchte, bei dem die Macher hoffen, dass der Zuschauer vor Rührung den Kopf zur Seite neigt und leise in sein Taschentusch seufzt, dem sei „Bad Santa“ mit Sicherheit nicht zu empfehlen (von der amerikanische DVD gibt es übrigens eine Special Edition mit dem vielversprechenden Titel „Badder Santa“ - da darf man sich also auf etwas freuen). Wer sich allerdings um jegliche Hollywood-Happy-Endings einen feuchten Kericht schert (ho, ho, ho) und schwarze Komödien mit Ecken und Kanten anschauen möchte, der feiert hier voll und ganz auf der richtigen Weihnachtsparty.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top