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    Yakuza Graveyard
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Yakuza Graveyard
    Von Björn Becher

    In Deutschland ist Kinji Fukasaku den meisten Filmfans nur durch seine kontroverse, brutale Satire „Battle Royale“ und sein Mitwirken am amerikanisch-japanischen Kriegsfilmprojekt Tora! Tora! Tora! ein Begriff, dabei ist er einer der wichtigsten Regisseure des japanischen Kinos, den man in seiner Bedeutung wohl auf eine Stufe mit den hierzulande populäreren Akira Kurosawa (Die sieben Samurai, Ran) und Yasujiro Ozu („Guten Morgen“, „Die Reise nach Tokyo“) stellen kann. Fukaskau ist vor allem der Meister des Yakuza-Films, hat Anfang der Siebziger Jahre mit seinem fünfteiligen Epos „Battles Of Honor And Humanity“ diese Subgenre revolutioniert und nachhaltige andere Filmemacher beeinflusst. So gehört ein Regisseur wie William Friedkin (French Connection) zu seinen größten Fans. Takashi Miike (Audition hat mit „Graveyard Of Honor“ einem der großen Fukasaku-Werke einem Remake beschert, das auch eine Verbeugung vor dem Vorbild darstellt und dass Quentin Tarantino seinem Kill Bill Vol. 1 in der japanischen Fassung ein „This film is dedicated to master filmmaker Kinji Fukasaku (1930-2003)" voranstellte (dafür sogar den mittlerweile legendären Rachespruch „opferte“) ist ein weiterer Beweis dafür, wie viel Wertschätzung der Regisseur unter Kollegen genießt.

    Im Rahmen seines immens großen Outputs (bis zu vier Filme pro Jahr) an Yakuza-Filmen in den siebziger Jahren entstand 1976 „Yakuza Graveyard“. Im Gegensatz zu seiner populären „Battles Without Honor And Humanity“-Reihe, bei welcher der Focus ausschließlich auf den Yakuza liegt, steht hier ein Polizist im Mittelpunkt. Kuroiwa (Tetsuya Watari) ist desillusioniert vom Kampf des Verbrechens. Seine Vorgesetzten haben vor Machtlosigkeit kapituliert, lassen sich von den Yakuza schmieren und versuchen die Situation nur so ruhig zu halten, dass es keine negativen Schlagzeilen in der Öffentlichkeit gibt. Kuroiwas Solokämpfe gegen das organisierte Verbrechen bringen ihm nur Ärger auf der Dienststelle ein. Doch sie haben zu Beginn Erfolg, bringen sie doch auch das organisierte Verbrechen in Aufruhr. Zwischen dem Nishida-Klan und dem Yamashiro-Klan bricht ein blutiger Krieg aus, der dafür sorgt, dass seine Kollegen auch nicht mehr ruhig bleiben können. Zur Frustration von Kuroiwa schlagen diese sich allerdings auf die Seite des Yamashiro-Klans und heften ausschließlich den Nishida an die Fersen. Bei Versuchen dem Entgegenzusteuern verliebt sich Kuroiwa in die wunderschöne Keiko (Meiko Kaji), Mitglied des Nishida-Klans, und erlangt den Respekt und schließlich sogar die Bruderschaft von Iwata (Tatsuo Umemiya), einem der Nishidaführer. Dies isoliert ihn noch weiter innerhalb der Polizei und bringt ihn in das Zentrum des blutigen Yakuzakrieges…

    Auch wenn „Battles Without Honor And Humanity“ oder „Graveyard of Honor” als die großen Yakuza-Werke von Kinji Fukasaku gelten, so besteht dieses Werk des Großmeister des Yakuza-Films trotzdem den Vergleich mühelos. Fukasaku platziert wieder eine spannende Geschichte im Yakuza-Milieu, die gekonnt erzählt wird. Sein Stammdrehbuchautor Kazuo Kasahara war auch hier wieder tätig, was man dem Film anmerkt. Kasahara hat im Auftrag Fukasakus unzählige Schriftstücke über und von realen Yakuzas gesichtet und so authentische Geschichten abliefern können. Fukasaku war es so möglich eine neue Art von Yakuza-Filmen zu schaffen. Während zuvor viele Filme entstanden, in welchen die Yakuzas sehr romantisiert dargestellt und zu Helden von Jugendträumen hochstilisiert wurden, ähnlich den Samurais, stellt Fukasaku nur Anti-Helden dar. Deren Yakuza-Welt ist – deutlich realistischer - eine Welt des Todes und des Verrats, kein Platz für Träumereien. Mit der „Battles Without Honor And Humanity“-Reihe hat er schonungslos den Ehrkodex der Yakuza demaskiert, mit „Yakuza Graveyard“ geht er nun weiter, zeigt wie die Polizei dem Treiben der Yakuzas machtlos gegenüber steht und zum Spielball von deren Interessen wird.

    Vor diesem Hintergrund gelingt es Fukasaku einen Prototyp des Anti-Helden im Polizeidienst einzuführen, der die direkte Weiterführung von Clint Eastwoods „Dirty Harry“-Figur zu sein scheint. Allein die Einführung der Protagonisten ist den Filmgenuss wert. Kuroiwa wird erst von ein paar jungen Yakuzas verprügelt, sieht dabei aus wie ein feiger Schwächling, doch schnell stellt sich heraus, dass er nur geschauspielert hat. Er verfolgt die jungen Schläger, beobachtet genau ihre Straftaten und knöpft sie sich dann vor. Selten gelang es einem Regisseur in den ersten paar Minuten seinen Protagonisten so cool einzuführen, dass das Publikum ihn nur mögen kann.

    Trotzdem zeigt sich schnell der zwiegespaltene Charakter von Kuroiwa. Ein Einzelgänger, der zur Gewalt neigt, aber ein aufrichtiger Polizist ist. Doch durch die Umstände wird er in den Strudel der Yakuza hineingezogen. Dabei passiert das, was er zu Beginn des Films bei seinen Kollegen verabscheut. Er überschreitet selbst die Grenze und steht plötzlich auf der Seite einer Yakuzabande. Fukasaku nimmt sich erfreulicherweise Zeit auch den Hintergrund seines Protagonisten auszuleuchten. Man erfährt zum Beispiel, wie er um einen Kollegen zu retten, einen Gangster erschossen hat. Der Frau des Erschossenen rettete er das Leben, in dem er sie zur seiner Geliebten machte, denn alleine hätte sie sich umgebracht (was sie auch versuchte). Im Gegensatz zu den „Battles Without Honor And Humanity“-Filmen, die - über die gesamte Reihe betrachtet - mit dem von Bunta Sugawara gespielten Shozo Hirono zwar eine Leitfigur haben, aber keinen richtigen Hauptcharakter, setzt Fukasaku hier also auf einen klaren Protagonisten. Auch wenn wie bei vielen Filmen von Fukasaku zahlreiche Figuren kurzzeitig bedeutend werden, fällt es bei „Yakuza Graveyard“ doch deutlich leichter den Überblick zu behalten, als bei Fukasakus großem Epos.

    „Yakuza Graveyard“ ist kein reines Yakuza-Drama. Fukasaku nimmt sich viel Zeit für andere Zwischentöne. Keiko hat einen koreanischen Elternteil, ist also keine „reinrassige“ Japanerin und sieht sich daher Beschimpfungen ausgesetzt. Auch Protagonist Kuroiwa erzählt ihr, dass er, zwar gebürtiger Japaner ist, aber in der Mandschurei die ersten Jahre seines Lebens aufwuchs und als er dann, noch im Kindesalter, wieder nach Japan zurückkehrte, sich dem Spott der anderen Kinder ausgesetzt sah. Iwata zögert, ob er mit Kuroiwas Bruderschaft trinken kann, weil er selbst kein Japaner, sondern Koreaner ist. Fukasakus stellt damit deutlich den Rassismus in seinem Land dar. Dieser Rassismus ist in vielen asiatischen Ländern auch heute noch weit verbreitet, vor allem zwischen Japanern und Koreanern, wird aber weitestgehend totgeschwiegen. Nur wenige Filmemache wie Fukasaku hier oder zum Beispiel Isao Yukisada mit seinem meisterhaften Film Go wagen es diesen Rassismus ihren Landsleuten vorzuhalten und damit ein kritisches Statement abzuliefern.

    Fukasakus Yakuza-Filme sind alleine schon aufgrund des unverwechselbaren Inszenierungsstils des Regisseurs sehenswert. Durch das Einsetzen von Handkameras wird der Zuschauer mitten in das Geschehen platziert. Dadurch das man als Zuschauer sich mittendrin, statt nur dabei fühlt, wird die Rasanz erhöht und vor allem der Realismus. Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Yakuzas sind schnell und wild. Fukasaku verleiht dem ganzen immer einen dokumentarischen Touch, was zum Beispiel auch durch das Einblenden von Zeitungsausschnitten oder kurze Sequenzen, die an TV-Reportagen erinnern, verstärkt wird.

    Fukasaku kann bei „Graveyard Of Honor“ mal wieder auf ein exzellentes Darstellerensemble zurückgreifen. Tetsuya Watari, der mit Filmen wie Seijun Suzukis „Toyko Drifter“ und den Arbeiten für Fukasaku eine Legende des Yakuza-Films wurde, ist die perfekte Besetzung für den coolen Hauptcharakter. Takeshi Kitano (Hana-bi, Sonatine), einer der neuen großen Regisseure des japanischen Films, hat diesem großartigen Darsteller sogar besonders Ehre erwiesen. Er engagierte Watari für einen Kurzauftritt in seinem Film Brother (und hob ihn dabei in den Credits vom Rest der Crew ab). An der Seite von Watari ist Meiko Kaji („Lady Snowblood“), die auch als Sängerin der Titelsongs einiger ihrer Filme große Erfolge feierte (Quentin Tarantino benutzte sowohl in Kill Bill Vol. 1 als auch in Kill Bill Vol. 2 einen Song der schönen Japanerin) zu sehen. Kaji zeigt hier deutlich ihre Wandlungsfähigkeit. Spielte die Königin des japanischen Exploitationkinos meist harte, eiskalte Frauenfiguren, bekommt der Zuschauer sie hier in einer deutlich verletzlicheren Rolle zu sehen.

    „Yakuza Graveyard“ ist für Fans der Filme von Kinji Fukasaku Pflichtprogramm. Aufgrund der Überschaubarkeit bei den Figuren und der recht klaren Erzähllinie eignet sich dieser Film auch besonders als Einstieg in das Werk Fukasakus.

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