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    Der unsichtbare Aufstand
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Der unsichtbare Aufstand
    Von Robert Cherkowski

    In seiner mittlerweile fast fünf Jahrzehnte währenden Karriere hat der griechische Politfilmer Costa-Gavras so manches heißes Eisen angepackt. In "Sondertribunal" prangerte er die Kollaboration des Vichy-Frankreichs zur Zeit der deutschen Besatzung an, entlarvte in der Rolf-Hochhuth-Verfilmung "Der Stellvertreter" die Rolle der Kirche unter den Nazis, thematisierte in "Verraten" die mörderischen Auswüchse des rechtsextremen Terrorismus und machte in seinem Spätwerk "Die Axt" deutlich, welche Ausmaße die Ellenbogengesellschaft in Zeiten des zerbröselnden Mittelstandes annehmen kann. Das Herz seines Schaffens ist jedoch seine inoffizielle "Yves Montand Trilogie", bestehend aus "Z" über den Putsch der griechischen Militärdiktatur - "Das Geständnis" über den stalinistischen Terror und die drakonischen Schauprozesse der damaligen Zeit und schließlich "Der unsichtbare Aufstand". In letzterem zeigte er sich 1972 angriffslustig wie eh und je und zeichnete ein von bestechender Klarheit geprägtes Bild der amerikanischen Interventionen in Südamerika. Auch wenn der Schauplatz des Films fiktiv ist, spielt er doch unverkennbar auf den bewaffneten Untergrundkampf der Tupamaros in Uruguay an. Mit inszenatorischer Brillanz und Fingerspitzengefühl, das jeden propagandistischen Stolperstein umgeht, schuf Costa-Gavras einen Meilenstein des Politkinos.

    Ein auffällig unachtsam abgestellter Wagen erregt die Aufmerksamkeit der Militärpolizei eines namentlich nicht genannten südamerikanischen Staates. Im Wagen liegt die Leiche des amerikanischen Entwicklungshelfers Philip Michael Santore (Yves Montand), der zwei Tage zuvor von einer im Untergrund kämpfenden Stadtguerilla entführt wurde. In Rückblenden werden die Verhöre Santores durch seine Entführer geschildert, in denen nach und nach deutlich wird, dass er ein Militärberater war, der an der Ausbildung von Polizei, Militär und den überall im Land wütenden Todesschwadronen beteiligt war. Diese haben linke und liberale Strömungen im Lande mit barbarischer Gewalt, Mord und Folter unterdrückt und jedes Aufkommen sozialistischer Strömungen im Keim erstickt. In den langen Verhören in den Verstecken der Untergrundkämpfer wird Santore sowohl mit seiner persönlichen Schuld als auch den Verbrechen des amerikanischen Imperialismus konfrontiert, während in den Schaltzentralen der Macht über Vergeltungsmaßnahmen und Santores Ersatz diskutiert wird.

    Wo im Konflikt zwischen den Tupamaros und der Militärregierung Costa-Gavras Sympathien liegen, ist offensichtlich. So brutal und schonungslos die Aktionen der Widerständler auch sind, im Vergleich zu Massenerschießungen und den teils mit erschütternder Härte dargestellten Folterungen des amerikanisch gelenkten Staates verblassen sie. Es ist eine der großen Stärken von "Der unsichtbare Aufstand", dass er dennoch nie wie bloßes antiwestliches Propaganda-Kino wirkt. Costa-Gavras bohrt tiefer und erforscht die Mechanismen eines diktatorischen Staatsgebildes und des bewaffneten Widerstandes. Einfache Antworten oder ein Happy End sollte man dabei lieber nicht erwarten. In der Welt, die Gavras in "Der unsichtbare Aufstand" skizziert, sind alle Akteure längst in einem Strudel aus Gewalt und Gegengewalt geraten, der kaum noch Raum zur Reflexion bietet. So machen sich die amerikanischen Geheimdienstler längst keine Illusionen mehr darüber, ob sie durch die Ausbildung von skrupellosen Juntas wirklich die Freiheit verteidigen und auch die revolutionären Zellen nähern sich den Methoden ihrer Feinde mehr und mehr an. Am Ende bleibt ihre Hinrichtung Santores nicht mehr als eine Fußnote im Kampf gegen eine Macht, die ihre Schreckenstaten weder vor sich noch der Welt rechtfertigen.

    Doch nicht nur als komplexes politisches Statement überzeugt "Der unsichtbare Aufstand". Auch auf technischer und erzählerischer Ebene ist Costa-Gavras ein Meisterwerk gelungen. Im Verlauf seiner Karriere hatte er einen mutigen, assoziativen und involvierenden Stil entwickelt, der sich zwischen tristem Realismus und aufpeitschender Dramatik positionierte. Zur Perfektion brachte Costa-Gavras diesen Stil jedoch erst mit diesem Film, den man als Höhepunkt seines Schaffens ansehen kann. Mit sicherem Gespür entwickelt er um die zentrale Figur Santore ein komplexes Geflecht aus Rückblenden, wechselst zwischen den Protagonisten, flechtet auch innerhalb der Rückschau weitere Rückblenden ein. Während die langen Verhörszenen Santores durch eine fast schon theaterhafte Klarheit überzeugen, in der die Argumente amerikanischer Kalter-Kriegs-Rhetorik ausgehebelt und als floskelhafte Rechtfertigungen entlarvt werden, sind die Szenen, in denen der Staatsapparat und seine Reaktionen auf die Entführung geschildert werden, mitreißendes Aktion-Kino: Razzien, Verhöre, Folter, Terror der Diktatur, die sich wie eine Schlinge um die Widerstandskämpfer zuziehen. Ein wahrer Rausch an Informationen prasselt auf den Zuschauer ein, und es ist vor allem Gavras inszenatorischer Meisterleistung zu verdanken, dass dabei nie die Übersicht verloren geht.

    Pierre-William Glenns Kamera steht niemals still und streift mit einer für damalige Zeit ungeahnten Agilität durch die Hinterzimmer der Macht, die sich in Gang setzende Maschine der Militärpolizei, die katakombenartigen Verstecke der Tupamaros, ist immer in der Nähe, wenn Politik gemacht wird, wie sie nicht in den Zeitungen steht. "Der unsichtbare Aufstand" ist ein Film, der ständig unter Strom zu stehen scheint und dessen energetische Machart selbst zermürbende ideologische Grabenkämpfe zum Ereignis machen. Und doch ist Costa-Gavras Streifzug durch die Grauzonen mehr als nur ein Film, der zeigt, sondern einer, der Stellung bezieht, Haltung einfordert und Bewusstsein schafft.

    Einen nicht geringen Anteil am Gelingen hat dabei der wie immer großartige Yves Montand, der seine Figur als wortgewandten, manierlichen und von Altersklugheit geprägten Bürokraten spielt. Trotz allem ist sein moralischer Kompass intakt, auch wenn es in einige Mühen kostet, seine Taten vor sich selbst zu legitimieren. Auch wenn im Laufe des Verhörs klar wird, hinter welchen Schreckenstaten dieser kultivierte, ältere Herr steckt, bleibt er doch stets sympathisch und gemahnt daran, dass auch das größte Grauen auf Erden nicht von Teufeln, sondern Menschen veranlasst wird, die entweder an die Notwendigkeit ihrer Taten glauben oder es zumindest einmal taten. Mit dem Finale, in dem der verstorbene Santore kurzerhand von einem weiteren gesichtslosen Hintermann aus den USA ersetzt wird und das Spiel um Terror, Entführungen, Folter und Tod mit neuen Akteuren von Neuem beginnt, setzt Costa-Gavras ein pessimistisches Statement und macht klar, dass aus der Geschichte nichts gelernt wurde. Ein bitteres Meisterwerk.

    Fazit: Wer sich ein Bild davon machen möchte, warum Costa-Gavras einer der, wenn nicht sogar der wichtigste Politfilmer seiner Zeit war, dem sei dieser formal wie inhaltlich hervorragende Polit-Thriller ans Herz gelegt, an dessen Brillanz bis heute nur wenige Regisseure heranreichten.

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