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    Breakfast Club
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Breakfast Club
    Von Jens Hamp

    Wie jede Generation suchte auch die Jugend der Achtziger verzweifelt nach einem Wegweiser durch die unwegsame Phase der Pubertät. Die verständnislosen Erwachsenen wirkten mit ihren versteinerten Ansichten wie aus einem anderen Jahrtausend. Die Popmusik verlor sich in oberflächlichen Belanglosigkeiten. Und in den Lichtspielhäusern wurden Jugendliche entweder als identitätslose Opfer eines Massenmörders (Nightmare - Mörderische Träume, „Prom Night“) missbraucht oder zu hormongesteuerten Witzfiguren („Porky’s“, „Lockere Geschäfte“) degradiert. Erst John Hughes (Ferris macht blau, Kevin - Allein zu Haus) nahm sich Zeit für die Heranwachsenden. Obgleich er das Drehbuch zu „Breakfast Club“ angeblich innerhalb von zwei Tagen verfasste, entfalten sich die vordergründig stereotypen Figuren zu ernstzunehmenden Charakteren, die sich an einem Samstag ihre Probleme von der Seele reden und dabei feststellen, dass doch irgendwie alle an den gleichen Unwegsamkeiten zu knabbern haben.

    Am 24. März 1984 sitzen fünf grundverschiedene Schüler der Shermer High School aufgrund ihrer Verfehlungen neun Stunden nach. Ihre Aufgabe: einen Aufsatz darüber zu schreiben, wer sie selbst zu sein glauben.

    „You see us as you want us to see.

    You see us as a brain, an athlete, a basket case, a princess and a criminal.

    That's the way we saw each other at seven o'clock this morning.“

    Auch in der Gegenwart spürt man noch den Einfluss, den John Hughes auf die Emanzipation des Teenager-Kinos hatte. Nach den aufmüpfigen Halbstarken der Fünfziger („Denn sie wissen nicht, was sie tun“, „Die Saat der Gewalt“) versumpften die Jugendlichen in den Sechzigern auf Strandpartys („Beach Party“, „April entdeckt die Männer“) und landeten schließlich in den klassischen Teenie-Slashern (Halloween) und Sex-Komödien („Eis am Stiel“). Ernsthafte Auseinandersetzungen gab es vorwiegend nur für die Abendstunden der Adoleszenz (American Graffiti, Die letzte Vorstellung). Hughes erster Gehversuch als Regisseur, „Das darf man nur als Erwachsener“, wendete sich dagegen von überhöhter Frivolität und zotigen Witzen ab, auch wenn er inszenatorisch noch deutlich von seiner Arbeit als Gagschreiber für das Satiremagazin National Lampoon beeinflusst war.

    Bereits mit „Breakfast Club“, seiner zweiten Regiearbeit, brach Hughes mit der üblichen Herangehensweise an das Genre. Vor allem in der zweiten Hälfte entwickelt sich der Film zu einer unaufgeregten Gesprächsrunde, in der die Teenager ihre Masken fallen lassen. Zunächst erweckt das Nachsitzen noch den Eindruck einer klassischen Komödie. Festgefahren in ihrem Cliquendenken begegnen sich die Jugendlichen mit Vorurteilen und sprechen nur das Allernötigste miteinander. Bewusst werden die Charaktere als Stereotypen angelegt, was besonders herrlich beim Mittagsessen karikiert wird: Die Prinzessin (Molly Ringwald, „Pretty In Pink“) speist Sushi, die Sportskanone (Emilio Estevez, Bobby, „Young Guns“) tischt ein proteinreiches Mahl auf, der Streber (Anthony Michael Hall, Edward mit den Scherenhänden) bringt Suppe im Thermobecher mit, der Rebell (Judd Nelson, New Jack City) muss für sich selbst sorgen und das zurückhaltende Mauerblümchen (Ally Sheedy, Nummer 5 lebt!) bestreut ihr Erdnussbuttersandwich mit Capt’n-Crunch-Flakes und Brausepulver.

    Doch die Atmosphäre in der Bibliothek wird bereits in den ersten Minuten durch gezielte Provokationen des Rebellen angeheizt. Er reizt den Aufsicht führenden Lehrer (Paul Gleason, „Die Glücksritter“), äfft das vermeintlich glückliche Familienleben des Strebers nach und stachelt die Schöne mit direkten Fragen nach ihren sexuellen Erfahrungen an.

    Ein Nebeneffekt dieses dominanten Auftretens ist auch, dass die fünf langsam zusammenfinden. Zunächst möchte Andy nur den strebsamen Brian vor den Verbalattacken beschützen. Spätestens wenn der Schulrebell sich für die anderen aufopfert, um eine gemeinsame Flucht aus dem Bibliothekssaal zu vertuschen, bricht das Eis. Zaghaft, fast unbemerkt entfernt sich Hughes von der komödiantischen Inszenierung und lässt seine Figuren ein freundschaftliches Verhältnis knüpfen. Zwar führt hier das Rauchen eines Joints zunächst noch zu lockeren Albereien. Die Drogen führen aber auch unmittelbar zum dialogstarken Höhepunkt des Films. Dank gelockerter Zunge und der immer größeren Vertrautheit sitzen die Jugendlichen schließlich in einem Kreis zusammen und offenbaren sich ihre Ängste und Probleme. Andy und Brian fühlen sich von den – sportlichen beziehungsweise schulischen – Erwartungen erdrückt, Claire sieht sich als Spielball im Scheidungskrieg, die unscheinbare Allison wird von ihren Eltern nicht beachtet und Bender ist den Gewaltattacken seines Vaters ausgesetzt.

    Sie hoffen, nie so zu werden, wie ihre Eltern. Doch während James Dean in „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ der festgefahrenen Elterngeneration noch „Ihr zerreißt mich!“ entgegen schrie, hat der „Breakfast Club“ das Rebellieren bereits aufgegeben – oder es kam ihm gar nicht erst in den Sinn. Die Teens haben die Vorstellungen ihrer Eltern in ihre eigene soziale Umgebung übertragen und werden von diesem Cliquendenken bestimmt. Pessimistisch blicken sie daher dem kommenden Montag entgegen. Denn obgleich sie in den anderen Freunde und Vertraute gefunden haben, glauben sie nicht, dass diese gruppenübergreifenden Sympathien auch noch zu Beginn der Schulwoche Bestand haben können. Gefangen in ihrer selbstkreierten Konformität haben sie nicht den Mut, ihre eingeforderte Individualität auch auszuleben.

    Die zentralen Themen des Films werden schließlich mit zwei prägenden Songs auf den Punkt gebracht. Karla de Vitos „We are not alone“ ist der sloganartige Appell an die Gleichheit, während „Don’t you (forget about me)“ von den Simple Minds im Finale eingespielt wird, wenn die Schüler endlich die Bibliothek verlassen dürfen. Vereint gehen sie hinaus – unwissend, ob sie sich am Montag wieder vergessen haben. In diesem abgeschirmten Kosmos der Jugend sind Erwachsene nur Randerscheinungen, an denen Hughes erfahrungsgemäß wenig gute Haare lässt. Insbesondere der von Paul Gleason dargestellte Lehrer wirkt desillusioniert und reagiert einzig mit Unverständnis auf die gegenwärtige Schülergeneration.

    „We're all pretty bizarre. Some of us are just better at hiding it, that's all.“ - Andy

    Ausschlaggebend für die große Klasse des „Breakfast Clubs“ ist unzweifelhaft das famose Drehbuch, das sich völlig auf die Figuren konzentriert. John Hughes sagte einmal, dass er Kinder nicht als niedere Form der Menschheit ansehe: „I don’t think of kids as a lower form of human species.“ Eine Auffassung, die man jedem Dialog des Films anmerkt. Trotz Gesprächen über sexuelle Erfahrungen werden die Jugendlichen nie als triebgesteuerte Abziehbilder entwertet. Bei Hughes dürfen sie vielmehr in ihrer eigenen Sprache sprechen und müssen dabei kein Blatt vor den Mund nehmen.

    Das langsame Entblößen der Seele wird von den Darstellern des Brat Packs sehr überzeugend gespielt. Molly Ringwald, die zeitweise John Hughes Liebling und Muse war, und Andrew Michael Hall standen bereits in „Das darf man nur als Erwachsener“ gemeinsam vor der Kamera. Besonders in das Gedächtnis spielt sich allerdings Judd Nelson – und dass obwohl er mit seinen 25 Lenzen eigentlich viel zu alt für die Rolle war.

    „You see us as you want to see us.

    But what we found out is, that each of us is

    a brain and an athlete and a basket case and a princess and a criminal.

    Sincerely yours, the Breakfast Club.“

    Trotz der gewöhnungsbedürftigen 80er-Jahre-Klamotten und kleineren Zugeständnissen an das Publikum hat der „Breakfast Club“ auch in der Neuzeit nichts von seiner Faszination verloren. Glaubhaft und ehrlich seziert John Huhges das Innenleben der Heranwachsenden. Den kurzzeitig aufkeimenden Gedanken an eine Fortsetzung verwarf der Regisseur glücklicherweise wieder. Aber vielleicht werden nun im Zuge seines zu frühen Ablebens sein Privatarchiv geöffnet und die zweieinhalbstündige Rohschnittfassung des Films veröffentlicht.

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