Iris Murdoch (im Film dargestellt von Kate Winslet und Judi Dench) gilt als große Literarin und Denkerin. In jungen Jahren lernt sie John Bayley (Hugh Bonneville und Jim Broadbent) kennen, einen schüchternen jungen Mann, der leichte Probleme mit zwischenmenschlichen Beziehungen hat, sich dafür aber ganz der literarischen Welt hingibt. John verliebt sich in Iris, hat es jedoch nicht leicht; die Dame seines Herzens hat einen ganz eigenen Kopf, sieht in einer Liason keine sexuellen Grenzen und lebt freizügig ihre bisexuellen Neigungen mit beiden Geschlechtern aus. Doch John ist der erste Mensch zu dem sie eine enge Bindung aufbauen kann. Ihm erzählt sie als erstem von ihrem gerade fertiggestellten Buch und er ist der erste, der es lesen darf. 1956 heiraten die beiden. Neben der erfolgreichen Iris mausert sich auch John zu einem angesehenen Literaturkritiker und die beiden führen eine glückliche Ehe. Doch im Jahr 1997 diagnostizieren die Ärzte bei ihr die Krankheit Alzheimer und Iris entfernt sich zusehns von dem Menschen, der sie einmal war. Plötzlich ist die starke und selbstbewusste Iris vollkommen auf John angewiesen ...
Hört man die Geschichte von „Iris“ so könnte man auf die Idee kommen, es handle sich um einen zweiten „A Beautiful Mind“, doch was Richard Eyre hier inszenierte deklassiert die Mainstream-Biographie von Ron Howard um Längen. Es geht in „Iris“ nicht primär um die Geschichte der Iris Murdoch, vielmehr ist der Film eine in wundervollen Bildern abgefasste Ode an die Liebe und das Leben.
Eyre setzt dabei auf ein klassisches Schema aus zwei Ebenen: Vergangenheit und Gegenwart. Geschickt verknüpft erzählt er die Geschichte der Iris Murdoch und des John Bayley sowohl in jungen wie auch in alten Jahren. Teilweise wird durch dieses Mittel nur die Geschichte der jungen Iris erzählt, teilweise gehen die beiden Ebenen nahtlos ineinander über. Dann beispielsweise, wenn John seine bereits deutlich an Demenz leidende Iris zum Schwimmen mit an einen See nimmt, in dem die beiden früher häufig geschwommen sind - denn Iris liebt das Wasser - und Iris sich plötzlich wieder bruchstückhaft an ihre Jugend erinnert und angesichts des Bildes der jungen Iris die im See schwimmt gellend aus dem Wasser schreckt, weil sie es nicht einordnen kann. Dies ist nur eine Szene von vielen in denen man für Halle Berry hofft, dass sie in „Monster's Ball“ wirklich grandios spielt, um den ohnehin schon bittersüßen Beigeschmack ihres Sieges bei der diesjährigen Oscar-Verleihung unter anderem gegen Judi Dench nicht noch bitterer zu machen, denn Dench spielt die Iris einfach überwältigend. Ließe es die Rolle zu, könnte sich der Kritiker zu einem übermächtigen Satz wie „Judi Dench ist Iris“ hinreißen lassen, doch das wird wohl niemand dieser grossartigen Schauspielerin wünschen wollen. Jim Broadbent seinerseits gewann den Oscar für seine Rolle als John Bayley und auch er spielt grandios. Seine Verzweiflung ob der Leere von Iris, einer Frau, die früher vor Geistesfrische strotzte und für die Wörter und Sprache die Welt bedeuteten, wirkt so real, dass sein Schmerz greifbar wird.
„Iris“ aber ist auch ein Film, der aufzeigt, wie brutal die Demenz-Krankheit Alzheimer ist und wie unangebracht spöttische Bemerkungen. Zugegeben, Eyre wählte mit der Geschichte von Iris Murdoch eine sehr extreme, um das aufzuzeigen. Für einen Menschen, der mit der Sprache so sehr lebt wie Iris Murdoch und für den Wörter alles sind, muss oder mag der plötzliche Schwund an Bewusstsein und bewusstem Wissen umso schwerer wiegen; zumindest würde er es vielleicht, wenn die betreffende Person den Schwund an Wissen bemerken würde. Der Film jedenfalls vermittelt in dieser Hinsicht die Ansichten von John Bayley, der Iris in einer Filmszene eine abfällige Bemerkung durch freundlichen Tonfall als etwas Nettes verpackt und damit zwar klar Iris' Welt von der restlichen abgrenzt, ihr jedoch keineswegs ihre Existenz - psychisch wie physisch - abspricht. Es ist bemerkenswert, wie John sich allein um Iris kümmert, und der Film erzählt diese Geschichte mit einer solchen Hingabe, dass er immer wieder unweigerlich zu Tränen rührt; das gilt für tragische wie schöne Momente gleichermaßen.
Nun fielen des öfteren die Namen Judi Dench und Jim Broadbent; sie sind zugegebenermaßen die Seele dieses Films. Doch auch Kate Winslet und Hugh Bonneville verkörpern die Charaktere trefflich; ihr Schauspiel gerät zwar bei weitem nicht so intensiv, das liegt aber auch an den Rollen der jungen Iris und des jungen John, die von Leichtigkeit geprägt keine Vorstellung haben, welch schweres Schicksal sie eines Tages teilen würden. Dieses Schicksal nun beinhaltet den einzigen Kritikpunkt, den sich der Film wirklich gefallen lassen muss: Etwas zu hastig wird hier aus der Iris, die eine Lesung hält eine Iris, die bei den „Teletubbies“ in Dipsy & Co.'s „ah oh“ mit einstimmt. Über Nacht scheint sich die Krankheit zu manifestieren und das ist schlichtweg zu übertrieben und der Darstellung der Schwere der Krankheit nicht sonderlich zuträglich. Wiederum gekonnt dargestellt ist der Tod von Iris, der nicht überdramatisiert und theatralisch in Szene gesetzt wurde, sondern schlicht aber ergreifend John zeigt, wie er auf einem Stuhl neben der toten Iris sitzt und sagt: „Mir fiel gerade ein Witz ein, den ich ihr hätte erzählen wollen. Es ist kein besonders guter Witz, aber sie hätte gelacht ...“ „Iris“bewegt. Ähnlich wie Iris Murdoch einst dem etwas steifen John das Lieben und die Hingabe lehrte, so lehrt uns Eyres Film, wie schön und gleichzeitig grausam das Leben sein kann und wie die Liebe am Ende doch alles zusammenhält.